ich sein mein sprach / mein deutsch sprach / mein schön deutsch sprach.
Frei von grammatikalischen Regeln, aber mit rhythmischer Sogwirkung: Der Einakter „Die Humanisten“ ist archetypisch für Ernst Jandls Sprache. Für das Volkstheater bringt Claudia Bauer dieses und weitere Werke des österreichischen Dichters auf die Bühne. Damit legt die Regisseurin ihre erste Wiener Arbeit vor. 

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Für ihre Inszenierung ist sie tief in Jandls Sprachwelt eingetaucht. Was zunächst sperrig wirkt, erscheint nach einigen Zeilen völlig normal. Verfremdung und Verstümmelung eröffnen neue Realitäten. „Das geht ganz schnell, dass man zum Jandln anfängt“, stellt Claudia Bauer fest. Man merkt ihr an, dass sie großen Spaß an dieser Auftragsarbeit für das Volkstheater hat. „Wir haben uns aus dem weitläufigen, wilden Garten von Jandls Werken bedient. Man kann daher jetzt schon sagen, dass alles garantiert original Jandl ist“, verrät sie.

Bettina Lieder und Samouil Stoyanov in „humanistää!" im Volkstheater.

Foto: Nikolaus Ostermann

Das Publikum erwartet eine kraftvolle und spartenübergreifende Sprechoper. Jandl biete ja bereits sehr musikalische und rhythmische Sprache an, erklärt Bauer. Daher lag es nahe, Tanz-, Musik- und Sprechtheater zusammenzuführen. Es gibt eigene für die Inszenierung entstandene Kompositionen von Peer Baier­lein. Die Sopranistin Hasti Molavian intoniert kunstvoll das Wort „Scheiße“. Zudem gibt es Maskenspiel und Biomechanik mit den Schauspieler*innen.

Ziel sei jedoch nicht, eine Revue zu machen. „Wir hangeln uns schon an einem Erzählbogen entlang, und zwar an dem Stück ‚Aus der Fremde‘.“ Dieses Werk beschreibt den seltsamen Alltag des Künstler*innenpaars Friederike Mayröcker und Ernst Jandl, die es zwar nicht ausgehalten haben, zusammen zu wohnen, sich aber trotzdem jeden Tag sehen mussten.

Texte abklopfen

Ein zweites großes Jandl-Werk des Abends sind die urkomischen „Humanisten“, 1976 in Graz uraufgeführt. Darin bewegen sich drei Schauspieler*innen durch eine von Männern dominierte Welt. Zwei Nobelpreisträger versuchen sich gegenseitig mit allen Mitteln zu übertrumpfen. Die einzige Frau wird von ihnen nicht ernst genommen und von Jandl noch dazu mit einem Sprachfehler belegt. „Mir war es wichtig, alle Texte dar­auf abzuklopfen, welches Frauenbild und welches Männerbild vorhanden ist. Jandl hat es zwar meist kritisch gemeint – aber wollen wir es auch heute noch genauso umsetzen, um es anzuprangern? Oder wollen wir komplett anders damit um­gehen? Wir haben schließlich beschlossen, dass die Rolle der Frau keinesfalls einen Sprachfehler hat.“ 

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Denn Klassiker sind schon längst keine unveränderbaren Monolithen mehr. Wenn man zum Beispiel Goethes „Faust“ macht, müsse man intensiv über das Gretchen nachdenken. Aber, betont Bauer, „man darf dabei nicht humorlos werden. Man muss sich weiter über Männer und auch Frauen lustig machen dürfen. Sonst wird es schwierig!“

Zur Person: Claudia Bauer

Claudia Bauer ist eine deutsche Regisseurin. Seit 2013/14 ist sie Hausregisseurin am Schauspiel Leipzig. „humanistää!“ ist ihre erste Regiearbeit in Wien. Sie wurde mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladenen und hat an fast allen großen deutschen Bühnen inszeniert.

Zu den Spielterminen von „humanistää" im Volkstheater!