Claudine Schoch: Erste Solotänzerin des Wiener Staatsballetts
Nach der Ausbildung an der Ballettakademie München, an der Heinz-Bosl-Stiftung unter der Leitung von Konstanze Vernon und einem Engagement beim Bayerischen Staatsballett und dem Semperoper Ballett Dresden, arbeitete sie von 2011 bis 2018 eng mit Martin Schläpfer im Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg zusammen. Nach einem Intermezzo beim Ballett Theater Basel, ist sie seit der Spielzeit 2020/21 Erste Solistin beim Wiener Staatsballett.
Wann haben Sie zu tanzen begonnen?
Ich bin in Zürich geboren und habe mit vier Jahren angefangen. Und zwar deswegen, weil meine Schwester, die zwei Jahre älter ist als ich, schon getanzt hat. Ich habe ihr immer nachgeeifert und wollte dasselbe tun.
Ist vier Jahre ein gutes Alter, um mit Ballett anzufangen?
Ich glaube, das kann man so nicht sagen. Es gibt viele professionelle Tänzer, die erst im Teenageralter damit beginnen und trotzdem eine tolle Karriere schaffen.
Kommen Sie aus einer künstlerischen Familie?
Nein, gar nicht. Meine Mutter hat Wert auf Körperhaltung, Musikalität und Bewegung gelegt. Deshalb haben wir Ballett gemacht.
Was hat Sie an Ballett aber so interessiert, dass Sie es zum Beruf gemacht haben?
Der Auftritt auf einer Bühne. Ich war damals in einem Kindertanz-Theater, und wir haben jährlich im Winter ein Märchen aufgeführt. Für mich war das der Höhepunkt des Jahres – vor Publikum aufzutreten und das, was wir im Team erarbeitet haben, zeigen zu können. Darin bin ich aufgegangen.
Man braucht auch eine Riesenportion Glück und Leute, die hinter einem stehen. Das ist beinahe das Wichtigste Jemand, der an einen glaubt.
Claudine Schoch
Wann war für Sie klar, dass Ballett mehr ist als eine Leidenschaft?
Ich erinnere mich daran, dass ich stets entweder Sängerin, Schauspielerin oder Tänzerin werden wollte. Das waren immer die drei zur Wahl stehenden Künstlerberufe. Mit 10 Jahren habe ich mich entschieden, dass es Tänzerin sein sollte, ich weiß aber nicht genau, was der Knackpunkt war. Eine Freundin von mir hat an eine professionellere Ballettschule gewechselt, und das wollte ich auch unbedingt.
Der schauspielerische Aspekt zumindest ist auch bei Tänzerinnen wichtig …
Auf alle Fälle, das merke ich aktuell als Carabosse in „Dornröschen“. Es macht mir auch großen Spaß, eine Rolle zu verkörpern.
Was muss man Ihrer Meinung nach generell mitbringen, um einen professionellen Weg einschlagen zu können?
Zum einen sicher einmal den Willen oder die Passion. Für das klassische Ballett sind auch gewisse körperliche Voraussetzungen vorteilhaft. Im modernen Ballett ist es diverser. Man braucht auch eine Riesenportion Glück und Leute, die hinter einem stehen. Das ist beinahe das Wichtigste: Jemand, der an einen glaubt. Sei es der Ballettlehrer oder unterstützende Eltern. Im besten Fall beides.
Sie haben davon gesprochen, dass Sie schon als Kind die Bühne am meisten fasziniert hat. Was ist für Sie das Spannende daran?
Dass ich in eine andere Welt eintrete. Es ist für mich tatsächlich eine andere Welt, ich bin teilweise wie in Trance. Ich glaube, das sind die Endorphine und das Adrenalin gleichzeitig. Und wenn alles gutgeht, ist man auch sorglos. Man denkt nicht an die Korrekturen und an alles, was man tausendmal im Ballettsaal wiederholt hat, sondern man ist freier. So geht es zumindest mir, ich fühle mich frei und kann völlig darin aufgehen.
Kennen Sie auch Lampenfieber?
Ja. Bei mir äußert sich das so, dass ich an einem Vorstellungstag oft den ganzen Tag über angespannt bin. Dann muss alles ein bisschen durchgetaktet sein. Wann kann ich essen, was kann ich essen, wann kann ich mich kurz ausruhen? Wie viele Stunden vorher muss ich mit Make-up und Frisur beginnen? Welche Form von Aufwärmen brauche ich für das jeweilige Stück? Der Tag braucht für mich eine gewisse Struktur. Kurz vor dem Auftritt merkt man dann, dass der Herzschlag schneller wird. Dann muss man tief durchatmen und versuchen, sich in den Griff zu bekommen.
Wie erlernt man Choreographien?
Das kann man gar nicht erklären, wenn man es dauernd macht. Es geht einfach um das Verinnerlichen der Schritte. Diese werden einem in kleinen Einheiten beigebracht, die man ganz oft wiederholt, ehe man zur nächsten kommt. So setzt man die Schrittfolgen dann zusammen. Es ist, glaube ich, wie das Auswendiglernen eines Textes mit dem Körper. Durch das Wiederholen weiß der Körper irgendwann von allein, was er zu tun hat. Auch die Musik und das Zählen spielen eine große Rolle beim Erlernen von Choreographie.
Wo kann man Sie im Moment und in der nächsten Zukunft sehen?
Ich tanze die böse Fee Carabosse in „Dornröschen“. Ich werde in George Balanchines „Liebeslieder Walzer“ tanzen. Dann werde ich in Martin Schläpfers „Lontano“ tanzen. In „Marsch, Walzer, Polka“ ebenfalls von Martin Schläpfer, werde ich die Marlene tanzen. Auch in „Die Jahreszeiten“ und „Ein Deutsches Requiem“ von Martin Schläpfer tanze ich. Ich tanze zurzeit also relativ viele Choreographien von Martin Schläpfer (lacht). Außerdem werde ich in unserer neuen Premiere am 27. April auch in Heinz Spoerlis „Goldberg-Variationen“ zu sehen sein. Ein weiterer berühmter Schweizer Choreograph, um ganz patriotisch zu sein.
Bleibt noch Zeit für Interessen neben dem Ballett?
Ich bin Mutter einer sechsjährigen Tochter. Sie ist mein großes Interesse. Jetzt, wo wir aus der Pandemie etwas mehr in die Normalität zurückgefunden haben, schaffe ich es tatsächlich, auch wieder geselliger zu sein, Freunde zu treffen und auszugehen. Ich habe viele Interessen, aber nicht viel Zeit.