„Adern" von Lisa Wentz: Ausgesprochen schöne Stille
Das Stück „Adern“ der gebürtigen Tirolerin Lisa Wentz wurde im vergangenen Jahr zum Siegerstück des Retzhofer Dramapreises gekürt. Jetzt hat sie auch noch den Nestroy in der Tasche. Die Autorin bezeichnet ihren Text als „Stück über das Schweigen“.
Wenn Lisa Wentz vor einem sitzt und fröhlich von ihren Texten und Projekten erzählt, würde man sie eigentlich nicht als Person einordnen, der oft die Sprache wegbleibt. Und doch war das Leben der in Schwaz in Tirol geborenen Autorin in den verstrichenen Monaten zunehmend von Momenten der Sprachlosigkeit geprägt. So zum Beispiel im Juni des vergangenen Jahres, als sie erfuhr, dass ihr Stück „Adern“ mit dem Retzhofer Dramapreis ausgezeichnet wird und damit nicht nur ein Preisgeld über 5.000 Euro, sondern auch eine Uraufführung am Burgtheater verbunden ist.
Zum zweiten Mal war es dann so weit, als ihr telefonisch mitgeteilt wurde, dass David Bösch, der das Stück im Akademietheater inszenieren wird, den Text gelesen hat und sehr mag. „Das war überhaupt der beste Moment meines Lebens“, sagt Lisa Wentz freudestrahlend.
Stück über das Schweigen
Obwohl auch die Figuren in ihren Stücken nur selten vollkommen sprachlos sind, beschreibt sie „Adern“ als „Stück über das Schweigen“. Denn ihr großes Interesse gilt jenen Dingen, die beim Reden ausgelassen werden. „Es geht um versickerte Geschichte, um das Ungesagte zwischen zwei Menschen und jene Dinge, über die wir Generationen lang nicht reden konnten“, erklärt sie. „Und um die Folgen dieses Schweigens, die meist damit zu tun haben, dass Teile unserer Geschichte einfach vergessen werden und verschwinden". Die Jury des Retzhofer Dramapreises erkannte in ihrer Dramaturgie des Ungesagten eine Nähe zum 1938 verstorbenen Autor Ödön von Horváth.
Der Startschuss für ihr Stück, das in einem Tiroler Bergdorf in den Fünfzigerjahren spielt, fiel in einem Uni-Seminar. „Wir sollten etwas schreiben, was direkt aus dem Herzen kommt. Also habe ich eine Szene über meine Urgroßmutter geschrieben, die als junge Frau mit ihrem Kind mit dem Zug nach Tirol fährt, um einen Mann zu treffen – meinen Urgroßvater.“
Zur Person: Lisa Wentz
Die gebürtige Tirolerin schloss im Jahr 2017 ihre Schauspielausbildung in Wien ab. 2018 zog sie nach Berlin, wo sie seither Szenisches Schreiben an der UdK studiert. Ihr Stück „Aschewolken“ wurde beim Nachwuchswettbewerb zum Deutschen Kinder- und Jugendtheaterpreis 2020 mit einem Sonderpreis ausgezeichnet.
Zurück zum Spielerischen
Zum Schreiben kam Lisa Wentz über ihr Studium an der Schauspielschule Elfriede Ott. „Ich habe durch die Schauspielerei zu meinem Körper und zu einem spielerischen Umgang mit bestimmten Dingen und Themen zurückgefunden“, sagt die Autorin. Gerade schreibt sie an ihrem Diplomstück, in das sie ihre Erfahrungen als Heranwachsende in Tirol einfließen lassen möchte. Außerdem hat sie vor einigen Jahren gemeinsam mit den Schauspieler*innen Mario Klein, Robert Max Elsinger und Sophie Gutstein das QuerAkt-Ensemble gegründet, mit dem sie auf Themen der LGBTQIA+ Community aufmerksam machen will.
Queere Themen möchte sie auch in ihren nächsten Stücken besprechen. „Das ist mein großer Anspruch an mich selbst“, erklärt sie entschlossen. „Bisher bin ich immer wieder daran gescheitert, weil ich aufgrund meiner eigenen inneren Konflikte noch nicht bereit dafür war". Was nach diesem Satz folgt, ist nicht einfach ein Moment der Stille, sondern ein Augenblick, in dem das Potenzial des bislang noch Unausgesprochenen eindeutig zutage tritt.