Schweißperlen, Pornografie & Popkultur: „Fugue Four : Response“
Auf provokante, intime und humorvolle Weise haben Olivia Scheucher und Nick Romeo Reimann die ursprünglich für das Porn Film Festival konzipierte Performance „Fugue Four : Response“ weiterentwickelt.
Selbstbewusst, selbstermächtigt und von jeglicher Scham befreit – viele in der westlichen Welt beheimatete Menschen sähen in diesen drei Begriffen ihr Sexleben wohl ganz gut repräsentiert. Es liegt außerdem nahe, das Fundament, auf dem diese Zuschreibungen balancieren, ganz einfach mit dem Wort Freiheit zu betiteln – bei genauerer Betrachtung stellt sich dieses jedoch als wenig stabil heraus. Denn auch der Sex – so beschreiben es unter anderem die beiden Soziologinnen Eva Illouz und Dana Kaplan in ihrem 2021 erschienen Essay „Was ist sexuelles Kapital?“ – bleibt von Markt, Wettbewerb und Verwertung nicht verschont. Wie sich kapitalistische Funktionsweisen in den Körper einschreiben und diese einverleibt werden, spielt auch in „Fugue Four : Response“, einer von Olivia Scheucher und Nick Romeo Reimann entwickelten Performance, eine wichtige Rolle.
Provokant, intim, dabei aber stets humorvoll, stellen sie sich der Auseinandersetzung mit der Frage, wie ein Ausweg aus den sexuellen Bilderregimen der Gegenwart aussehen könnte. Der Konjunktiv ist bewusst gesetzt, denn Scheucher und Reimann haben den Abend nicht mit dem Anspruch konzipiert, Lösungen in praktischen Probiergrößen im Publikum zu verteilen. Die bereits viermal ausverkaufte und in der Dunkelkammer gezeigte Show dreht sich natürlich auch um Selbstoptimierung und Selbstverwertung. „Um ein Ausschlachten des Selbst“, bringt es Regisseur*in Olivia Scheucher auf den Punkt.
Die Mechanismen des Ohrwurms
Gemeinsam mit Volkstheater-Ensemblemitglied Nick Romeo Reimann, hat sie* die Performance, die beim diesjährigen Porn Film Festival uraufgeführt wurde, für die Dunkelkammer des Volkstheaters von der ursprünglichen Dauer von 30 Minuten auf eine Stunde verlängert und technisch für den Theaterraum adaptiert. Bei der Entwicklung des genreübergreifenden Abends bedienen sich die vier Performer*innen u.a. einer ausgewählten Reihe popkultureller Phänomene. „Die Ohrwurm-Metaphorik erscheint uns insofern passend, als die Mainstream-Pornografie eine Art ständiges Hintergrundrauschen darstellt vor dem sich die Entwicklung der eigenen sexuellen Identität abspielt. Diese Prägung wird man so schnell nicht los,“ erklärt Nick Romeo Reimann, der auch als Performer auf der Bühne steht und außerdem die Soundelemente für die Performance entwickelte.
Als theoretischer Überbau fungierte unter anderem der Essay „Grundbausteine einer Theorie des Jungen-Mädchens“ des französischen Autorenkollektivs Tiqqun. „Die freien Improvisationen, mit denen wir gearbeitet haben, waren immer theoretisch unterfüttert und der Umgang mit dem theoretischen Material war immer ein künstlerischer,“ sagt Scheucher.
Gemeinsames Ausprobieren
Olivia Scheucher ist es zudem wichtig zu betonen, dass es auch eine humorvolle Auseinandersetzung mit dem Thema ist. „Gerade dann, wenn das System, in dem die Figuren stecken, in sich zusammenbricht und das in unseren Bewegungen sichtbar wird, spielt Humor eine zentrale Rolle“, erklärt Luca Bonamore. „Und auch in jenen Momenten, in denen die eigene Selbstverwertung absurde Züge annimmt“, fügt Olivia Scheucher hinzu. Viele der choreografischen Elemente sind durch gemeinsames Ausprobieren entstanden. Wobei dieses Ausprobieren, wie Nick Romeo Reimann ergänzt, immer im Rahmen klarer Prinzipien und nach inhaltlichen Zielsetzungen stattfand. „Oft war der Raum und eine klare Vorstellung davon, was in diesem Raum passieren soll, unser erster Ausgangspunkt. Wie beispielsweise das Setting einer Award-Ceremony. Daraus entwickelten sich dann später abstraktere Anordnungen und Skulpturen, die immer wieder kollabieren, gleichzeitig aber neue Dinge hervorbringen“, sagt Reimann.
Die Zusammenarbeit zwischen Olivia Scheucher, Nick Romeo Reimann, Thea Ehre und Luca Bonamore funktionierte deshalb so gut, weil sie auf Augenhöhe stattfand und die die Performer*innen ihre jeweiligen künstlerischen Disziplinen in den Prozess einbringen konnten. „Außerdem wurden wir sehr gut darin, einander Feedback zu geben“, fügt Thea Ehre hinzu. Die Kostüme entwarfen Alissa Herbig und Felix Schmidt, beide Studierende der Modeklasse der Universität für Angewandte Kunst. Der interdisziplinär arbeitende Künstler und Designer Andreas Palfinger entwickelte AR-Filter, die ebenfalls in der Performance zu sehen sind. Die Produktionsleitung übernahm Lisa Anetsmann. Volkstheater-Ensemblemitglied Anke Zillich sprach die Texte ein.