Unter strahlend blauem Himmel und von saftigem Grün umgeben möchten Lisa und Max ihren Landhaustraum verwirklichen. Blauäugig stürzen sich die beiden in das Projekt Einfamilienhaus, doch schon das Fundament ist mehr als wackelig. Auch die erste im idyllischen Ternitz gepflanzte Palme kann daran nichts ändern. „Unsere blauen Augen“, der zweite Theatertext der 1990 geborenen Autorin Teresa Dopler, findet eine klare Sprache für die weichgespülten Lebensträume des jungen Paares. Was Lisa und Max anfangs noch als auf angenehme Weise tragbare, fast schon perfekt auf sie zugeschnittene Zukunftsvision empfinden, beginnt sukzessive immer mehr zu kratzen.

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„Ein Märchen für Erwachsene“ nannte Journalist Peter Grubmüller das Theaterstück von Teresa Dopler, in dem bereits viel von dem zu erkennen ist, was auch ihre späteren Texte („Monte Rosa“, „Das weiße Dorf“) auszeichnen wird: die Konzentration auf einige wenige Charakter und ihre Beziehungen zueinander, das Spiel mit Realitätsebenen, der Wunsch sprachliche Fassaden zum Bröckeln zu bringen, das Aufdecken von scheinbaren Glücksversprechen und eine große Portion Humor. „Lisa und Max sind wie zwei Marionetten, die völlig davon durchdrungen sind, was sie für die gesellschaftliche Norm halten und was sie ihrer Meinung nach darzustellen haben“, sagt Teresa Dopler, die bei unserem Gespräch gerade auf dem Sprung nach Graz ist, wo ab 21. Juni das Dramatiker*innenfestival 2023 stattfindet.

Ich darf gar nicht zu viel darüber nachdenken.

Teresa Dopler über ihre Lesung im Thomas Bernhard Haus

Danach geht es für sie weiter zu den Salzkammergut Festwochen Gmunden, in deren Rahmen am 24. Juni „Unsere blauen Augen“ in der Inszenierung des Linzer Landestheaters gezeigt wird und am 25. Juni eine Personale stattfindet. Im Thomas Bernhard Haus in Ohlsdorf wird die Autorin aus „Monte Rosa“, einem noch unveröffentlichten Stück, und einem Prosatext lesen. Den beiden Stücken widmet sie sich gemeinsam mit dem Schauspieler Sebastian Fischer, musikalisch wird der Abend von Lisa Hofmanninger an der Bassklarinette begleitet. „Ich empfinde es als große Ehre, an diesem Ort zu lesen, und habe auch großen Respekt davor“, so Dopler. Nach einer kurzen Pause setzt sie lachend nach: „Eigentlich darf ich gar nicht zu viel darüber nachdenken.“

Aufbrechen und ausloten

In der Herangehensweise an ihre Texte hat Teresa Dopler seit ihrem Debüt „Was wir wollen“ eine Entwicklung durchgemacht, in der es vor allem darum ging, auf die eigene Intuition zu vertrauen. „Bei meinen ersten Stückversuchen dachte ich noch, dass es bestimmte strenge Gesetze gibt, die für jedes Drama gelten und von Anfang an das Schreiben anleiten müssen. Das fühlte sich an wie eine Zwangsjacke am Text. Jetzt arbeite ich viel intuitiver und vertraue darauf, dass die Sprache und die Figuren ihre eigenen Bahnen und Regeln finden. Und dass das Stück am Ende dennoch eine starke Form hat. Ich will zu Beginn nicht alles wissen“, erzählte sie in unserem letzten Interview, das die Uraufführung ihres Stückes „Monte Rosa“ im Mai 2021 am Landestheater Niederösterreich zum Anlass hatte.

Festwochen Gmunden
Am 24. Juni ist Teresa Doplers Stück „Unsere blauen Augen“ im Stadttheater Gmunden zu sehen.

Foto: Petra Moser

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„Unsere blauen Augen“, 2018 uraufgeführt, ist ein Stück, in dem sich Dopler noch sehr viel mehr damit beschäftigte, wie ein Theaterstück gebaut sein muss, damit es auf der Bühne funktioniert, erzählt sie. „Trotzdem büxt es schon an vielen Stellen aus und findet seinen eigenen Weg“, ergänzt die in Linz geborene Autorin, die 2019 den Autor*innenpreis des Heidelberger Stückemarktes gewann.

Sich den Möglichkeiten, die ein Theatertext bietet, noch mehr zu öffnen, ist eine Sache, die sich Teresa Dopler für ihre zukünftigen Texte vorgenommen hat. „Beziehungsweise entdecke ich diese Möglichkeiten beim Schreiben selbst, ich merke, dass mich manche Strukturen, an die ich mich bisher gehalten habe, nicht mehr weiterbringen“, merkt sie an – und fügt lachend hinzu: „Dem gegenüber steht, dass es schon sehr lange mein Wunsch ist, so ein richtiges Well-made play zu schreiben. Aber immer, wenn ich so einen Griff versuche, sträubt sich etwas in mir dagegen.“ Fest steht, dass sie versucht, die Zügel lockerer zu lassen – „ich möchte Dinge aufbrechen und ausloten, was in der Arbeit mit Figuren und Dialogen noch möglich ist. Nach wie vor sind das die Dinge, die mich am Schreiben fürs Theater am meisten interessieren: Figuren, Dialoge, und eine Geschichte, die sich daraus entspinnt.“

Das gilt, so Dopler, auch für ihre bislang eher perfektionistische Herangehensweise an ihre Arbeit. „Auch in dieser Hinsicht versuche ich die Zügel eine Spur lockerer zu lassen. In der Kunst geht es nicht um Perfektion; momentan versuche ich, mehr Risse in der Oberfläche meiner Texte zu erlauben, darauf zu vertrauen, dass es ein Text auch aushält, wenn nicht alles glattgestrichen ist. Die Szenen und Stellen mit der größten Strahlkraft sind ja oft die, die unvermutet und eigenwillig einen Strich quer durch das ganze Bild machen. Es muss nicht immer alles perfekt versiegelt sein.“

Begeisterte Leserin

Und weil wir auch von ihr wissen, dass sich Lesen und Schreiben für sie nicht voneinander trennen lassen, fragen wir die Autorin noch nach jenen Büchern, die gerade auf ihrem Nachtkästchen liegen. Sichtlich über die Frage erfreut antwortet sie: „Ich bin momentan ein großer Fan von Éduard Louis, den ich für einen der interessantesten europäischen Schriftsteller meiner Generation halte. Außerdem steht die Autorin Teresa Präauer ganz oben auf meiner Liste.“ Auch einen Geheimtipp hat Teresa Dopler noch im Gepäck: „Bekim Sejranović, ein serbischer Autor, der in Norwegen lebte, aber leider schon verstorben ist, hat unter anderem den Roman ‚Ein schönerer Schluss‘ geschrieben. Seine Texte haben eine gewisse Schwere, sind gleichzeitig aber wahnsinnig witzig.“

Wer Teresa Dopler in genau dieser Doppelfunktion – als Autorin und Lesende – erleben möchte, sollte am 25. Juni unbedingt bei der Personale in Ohlsdorf vorbeischauen.