Sie sieht aus wie ein experimenteller Popstar mit Faible für Avantgardemode, sollte es den Prototyp der Operndiva überhaupt jemals gegeben haben, wurde er mit ihrem Schritt ins Rampenlicht endgültig begraben. Anstatt Chiffon trägt sie nietenbesetztes Leder, High Heels ersetzt sie gerne durch Doc Martens. Man könnte das erfrischend modern nennen, aber damit würde man ihr Kalkül unterstellen. Und Asmik Grigorian ist – ganz im Gegenteil – durch und durch authentisch, eine Sängerin auf der Höhe ihrer Zeit.

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Geboren in Vilnius, studierte sie Gesang an der Litauischen Musik- und Theaterakademie, gab 2004 als Desdemona in Verdis „Otello“ ihr Bühnendebüt und sang 2005 an der Oper Vilnius die Violetta in „La traviata“. Es folgten Rollen wie Donna Elvira in „Don Giovanni“, Leonora in „Il Trovatore“, die Titelrolle in „Manon Lescaut“ und – schon 2010 beim Opernfestival Riga – alle drei weiblichen Hauptrollen in Giacomo Puccinis „Il trittico“. Schritt für Schritt erwarb sie sich den Ruf einer erstklassigen Sopranistin, deren darstellerische Qualitäten für Regisseure wie Christof Loy, mit dem sie regelmäßig zusammenarbeitet, ein Glücksfall sind.

An der Salzach & an der Donau

Ihr Staatsopern-Debüt feierte sie 2020 als Cio-Cio-San in „Madama Butterfly“, eine Rolle, mit der sie in Stockholm ihre internationale Karriere triumphal begann und die ihr auch in Wien den perfekten Einstand bescherte. „Asmik Grigorian wurde geboren, um diese Titelrolle zu spielen“, tat Regisseurin Carolyn Choa im Vorfeld kund. Ein Urteil, dem sich nach der Premiere sowohl die Kritik als auch das Publikum anschlossen. Zwei Jahre davor war sie bei den Salzburger Festspielen in ihrem Rollendebüt als „Salome“ die Sensation. „A star is born!“, titelte damals das Feuilleton und war damit seiner Zeit ein wenig hintennach.

Denn schon 2016 wurde Asmik Grigorian bei den International Opera Awards als beste Nachwuchssängerin ausgezeichnet; 2019 dann als Sängerin des Jahres. Den Hype um ihre Person sieht sie entspannt. „Für mich als Sängerin hat sich gar nichts ver­ändert. Ich tue das, was ich in den vergangenen fünfzehn Jahren auch gemacht habe, nämlich konse­quent und hart an mir zu arbeiten. Was sich verändert hat, ist mein Status. Mir eröffnen sich seither ganz andere Möglichkeiten. Manchmal fühlt sich das komisch an, weil alles so schnell gegangen ist, dass ich gar keine Zeit hatte, es richtig zu verarbeiten.“ In der Saison 2021/22 kehrte sie als Tatjana in „Eugen Onegin“ und in der Titelrolle der „Manon Lescaut“ an die Wiener Staatsoper zurück. 2020 sang sie bei den Salzburger Festspielen Chrysothemis in Richard Strauss‘ „Elektra“.

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Asmik Grigorian – she will rock you!
„Il tabarro“: Asmik Grigorian als Giorgetta.

Foto: SF / Monika Rittershaus

Drei Opern – ein Abend

Bei den heurigen Festspielen geriet ihr Auftritt in Puccinis „Il trittico“ zum frenetisch akklamierten Ereignis. Unter der musikalischen Leitung von Franz Welser-Möst, inszeniert von Christof Loy, fügen sich drei lose aneinander gereihte Opern in je einem Akt, 1918 in New York uraufgeführt, zum großen Ganzen. In „Gianni Schicchi“ singt sie Lauretta, in „Il Tabarro“ Giorgetta, und in „Suor Angelica” die Titelpartie. Das vierstündige Triptychon, das sich zwischen Tragik und Komik um Puccinis Lieblingsthema, den Tod, dreht, verlangt den Darsteller*innen auch physisch viel ab. Asmik Grigorian meistert diese drei so unterschiedlichen Rollen mit Bravour, die Süddeutsche Zeitung titelte ihre Kritik mit „La Grandissima“ und widmete sie beinahe zur Gänze ihr. Jubelrufe des Premierenpublikums für eine Sängerin, die an diesem Abend vom verliebten Teenager über die frustrierte Arbeiterehefrau bis hin zur Nonne spielerisch überzeugend einfach alles kann. Alle weiteren Vorstellungen bis 21. August im Großen Festspielhaus sind, wenig überraschend, ausverkauft.

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Zur Person: Asmik Grigorian

Geboren und ausgebildet in Litauen, ist die Sopranistin Gründungsmitglied der Vilnius City Opera und wurde zweimal mit dem höchsten litauischen Theaterpreis ausgezeichnet. Ihre internationale Karriere begann sie an der Königlichen Oper in Stockholm und führte sie innerhalb weniger Jahre an alle wichtigen Opernhäuser weltweit. Asmik Grigorian ist auch als Konzertsängerin erfolgreich und fungiert als offizielle Botschafterin der Stiftung Rimantas Kaukènas Charitable Foundation, die sich für krebskranke Kinder einsetzt. Im März 2022 erschien „Dissonance“, das erste Album der Künstlerin mit Liedern von Rachmaninow, bei Alpha Classics.