Schönbergs Spiegelkabinett
Wenn die Volksoper „Schoenberg in Hollywood“ ins Kasino am Schwarzenbergplatz bringt, geht es Regisseurin Helen Malkowsky und Dirigent Gerrit Prießnitz vor allem darum, die Selbstzweifel eines großen Künstlers sinnlich erfahrbar zu machen.
Arnold Schönberg als Superman, als Cowboy und als Privatdetektiv: Als Tod Machovers „Schoenberg in Hollywood“ 2018 in Boston Premiere hatte, spielte die Inszenierung plakativ mit cineastischen Mitteln, um die Konfrontation des Wiener Komponisten mit der US-Filmmetropole zu präsentieren. Schließlich geht es in dieser Kammeroper darum, den 1933 in die USA emigrierten Begründer der Zwölftonmusik im Culture Clash mit dem amerikanischen Kino zu zeigen.
Wenn das Stück nun zur europäischen Erstaufführung als Gastspiel der Volksoper ins Kasino am Schwarzenbergplatz kommt, geht Regisseurin Helen Malkowsky jedoch einen anderen Weg, wie sie uns im Interview erzählt. Sie wolle viel mehr die Künstlerfigur und ihr Zweifeln am eigenen Tun in den Vordergrund stellen: „Mir geht es darum, zu beleuchten, was es mit Schönberg emotional macht, dass er in den USA eine neue Heimat – auch musikalischer Natur – sucht und dabei in das Geschäftsmodell ‚Hollywood‘ gerät. Er kommt ins Schwanken über seine bisherige Rolle, über Anspruch und Realität, über die Wahrheit der eigenen Biografie.“
Machover hat dabei ein Werk voller Rückblenden auf Schönbergs Wiener Zeit geschaffen. Er lässt diesen in Los Angeles im Gespräch mit Studenten auf wichtige Meilensteine seiner Biografie zu sprechen kommen. „Dabei finde ich interessant, welche Momente es sind, die Machover ausgewählt hat“, sagt die Regisseurin und bringt im Interview den Topos des Spiegels ins Spiel, wie sie auch beim Fotoshooting im Kasino einen – wenngleich nicht funktionstüchtigen – als Fotorequisite nutzt. „Machover hält Schönberg ebenso seinen Spiegel vor wie Hollywood und dem damaligen Wien. Und es geht auch um jenen, den wir der damaligen Zeit vorhalten. Ein Spiegelkabinett der gegenseitigen Reflexionen, ein Zerrspiegel ab und zu ...?“, überlegt Malkowsky. „Damit dabei die reale Biografie nicht aus dem Fokus gerät, haben wir eine weitere Schönberg-Figur eingeführt, die für Originalzitate und den ungefilterten Schönberg zuständig ist. Gerade in Wien soll auch der zu Wort kommen. Gleichzeitig wollen wir poetische Tiefe erzeugen.“
Schönberg schwankte zwischen Faszination und Abgestoßensein.
Gerrit Prießnitz, Musikalischer Leiter
Diese Tiefe erreicht Machover auch durch seine ganz spezielle Klangsprache, beschreibt der Musikalische Leiter Gerrit Prießnitz: „Es geht ihm nicht darum, Schönbergs Musik mit anderer zu verweben. Es gibt ein einziges auffälliges Zitataus‚VerklärteNacht‘, sonst zeichnet sich die rhythmisch höllisch vertrackte Partitur durch elektronische Sounddesigns aus, die in Machovers Werk so prägend sind“, sagt Prießnitz. „Wenn er doch einmal bewusst aus seiner eigenen Musik ausbricht, dann zitiert er beispiels- weise Westernmusik, um dadurch den US-Blick auf Schönberg zu persiflieren.“
Und wer einmal „Singin’ in the Rain“ zu erkennen vermag, liegt auch nicht falsch: „Das nutzt Machover, um klarzumachen, was Schönberg empfindet, als ihm wegen schlechter Kritiken innerlich zum Heulen ist“, erklärt Malkowsky. Hier jedoch auch auf der Bühne auf den berühmten Gene-Kelly-Film anzuspielen, fände sie zu viel des Guten. „Ich begegne dem lieber mit Ernsthaftigkeit, als das, was man eh schon durch die Musik versteht, auch noch visuell zu doppeln.“
„Macht einfach!“
Dass Tod Machovers Klavierpartitur eigentlich ein fertiggeschriebenes Regiebuch war, hat Malkowsky nicht daran gehindert, zu hinterfragen und umzustellen. „Ich habe im Gespräch mit Tod schnell gemerkt: Er ist sehr offen für meine Ideen, gerade wenn es sich um den europäischen Blickwinkel dreht. Und da ging es nicht nur um Dinge wie dass er‚ Liechtenstraße‘ statt ‚Liechtensteinstraße‘ verwendet hatte – und es nun eigentlich nicht mehr zur Anzahl der Noten passte, wenn wir es ändern. ‚Macht einfach‘, sagte er oft“, berichtet Malkowsky. „Denn ihm geht es in Wahrheit mehr darum, Fragen artistisch in die Höhe zu werfen und zu sehen, was passiert.“
Zur Person: Gerrit Prießnitz
ist Kapellmeister und Studienleiter an der Volksoper und dirigiert als Gast an namhaften europäischen Opernhäusern. Unter seinen Dirigaten an der Volksoper und im Kasino am Schwarzenbergplatz waren „Das Gespenst von Canterville“ und „Leyla und Medjnun“. In dieser Saison steht er auch
bei „Der Tod in Venedig“ am Pult.
Verzahnte Maschinerie
Eine Frage, die Machover dabei laufend in der Luft behält, ist jene, ob man für die Weiterentwicklung der Kunst oder für den Verkaufserfolg komponiert. „Es geht einerseits um das Getriebensein für eine höhere Macht und andererseits um die Irritation, die Schönberg empfindet, als er in ein System kommt, das ihn nicht zwingend braucht“, sagt Prießnitz. „In Wien wusste man, dass er jemand ist, der Türen öffnet. Doch auch wenn die verzahnte Maschinerie Hollywoods fatalerweise eigentlich Schönbergs strengen Gesetzen entspricht und wie ein riesiges Orchester wirkt, in dem jeder weiß, was er tut, schwankt er zwischen Faszination und Abgestoßensein.“ Und Malkowsky will auch zeigen: „Er war ein Komponist mit hohem Sendungsbewusstsein, für den es nicht möglich war, einfach ein kontrollierbares Rädchen eines großen Ganzen zu werden.“
Zur Person: Helen Malkowsky
arbeitet als Regisseurin an Häusern wie dem Staatstheater Nürnberg und dem Theater Chemnitz. Sie war Operndirektorin am Theater Bielefeld und künstlerische Beraterin des Intendanten an der Oper Chemnitz. An der Volksoper inszenierte sie bereits „Die Entführung aus dem Serail“.
Dilemma eines Künstlers
Keinesfalls wolle die Produktion „eine Art Anwalt für einen unverstandenen Schönberg sein“, ist der Regisseurin am Schluss noch wichtig zu betonen. Aber doch – da sind sie und Prießnitz einer Meinung – auf sinnliche Art und Weise das Dilemma, in dem sich Schönberg befand, erfahrbar machen.
Und dies sei ja wiederum etwas, was viele Künstler kennen – was die Spiegel nochmals in eine neue Richtung lenkt.