Unser Festival soll eine Auseinandersetzung mit der beschädigten Gegenwart sein. Die Pandemie, eh klar, dann der Klimawandel am Horizont, dessen über uns hereinbrechende Extremwetterlagen, all die daraus sich verschärfenden sozialen Ungleichheiten. Seit einiger Zeit besteht das kaum mehr abschüttelbare Gefühl, es sei irgendwie zu spät. Einen Zustand ‚so wie vorher‘ – so wie vor der Pandemie und verschont von den Auswirkungen der Erderwärmung –, den wird es wohl nicht mehr geben. Wir können uns nicht mehr auf eine ‚Schiffbruch mit Zuschauer:innen‘-Perspektive retten, denn der Kahn, der da absäuft, hat uns alle an Bord. Mit dieser neuen Normalität wollen wir uns ein Wochenende lang auseinandersetzen: Welche Antworten können uns Wissenschaft, Aktivismus und Kunst für diese Umbrüche liefern? 

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„Conference of Trees"

Die Themen des Festivals – Klimawandel, Pandemie, Anthropozän – bedingen einander, sie sind ineinander verflochten und verzahnt. Sie erzählen uns mit erschlagender Detailfülle von einer Welt jenseits des Menschen, wo Wetterphänomene, Viren oder Klärschlamm das Sagen haben. Immerhin eines zeigen diese aktuellen Krisenlagen recht deutlich: Wir müssen die menschliche Zentralperspektive aufgeben, wenn wir der Gegenwart beikommen wollen. Deshalb zum Beispiel wird der Elektro-Musiker Pantha du Prince sein gefeiertes Album ‚Conference of Trees‘ bei uns live präsentieren – was passiert, wenn man die Kommunikation von Bäumen und Wäldern in tanzbare Clubmusik verwandelt? Und deshalb zeigen wir die fantastisch-sonderbare Inszenierung ‚Girl from the Fog Machine Factory‘ des Regisseurs Thom Luz erstmals in Österreich – ein Stück, in dem nicht bloß der Mensch die Hauptrolle spielt, sondern tatsächlich der Bühnennebel, das Licht, der Klang. 

Lebensmotto

Mein derzeitiges Lebensmotto stammt von der amerikanischen Autorin Michelle McNamara. Es ist eindrücklich simpel und bedarf keiner Übersetzung: ‚It’s chaos – be kind.‘ Wer weiß schon, was 2022 sein wird? Geschweige denn 2050? Wie wird eine Post-Covid-Ästhetik aussehen? Wie werden wir Kunst nachhaltiger produzieren? Und wie finden wir alle zusammen? Im besten Fall schafft ‚The New Normal‘ nicht nur ein Panorama über die Krisenherde der Gegenwart, sondern gleichzeitig auch Perspektiven und Ideen für die Welt von morgen. Es wird kein Allheilmittel präsentieren, aber im besten Fall Räume schaffen. Einen Raum für gemeinsames Theaterschauen, gemeinsames Denken und Streiten, für gemeinsames Tanzen. Wenn nach ‚The New Normal‘ Leute sagen: ‚Ja, die Situation ist schlimm, aber es gibt Wege, neu zu denken‘ – das wäre schon geil.

Zur Person: Matthias Seier

28 Jahre alt, Dramaturg am Volkstheater. Das Festival „The New Normal“ findet vom 15. bis zum 17. Oktober im Volkstheater statt. Pantha du Prince wird ­performen, es wird Keynotes geben, ­Diskussionen, ein Gastspiel von Thom Luz und VR-Installationen von ­Susanne ­Kennedy & ­Markus Selg.

Zum Spielplan des Volkstheater

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