Martin Schläpfer: So wird die Ballett-Saison 23/24
Der Ballett-Direktor präsentierte im intimen Rahmen des Teesalons der Staatsoper sein Programm – eine gute Mischung aus Blockbustern und Spezialitäten.
Lassen Sie uns doch mit einem längeren Monolog des Ballett-Großmeisters beginnen. Also sprach Martin Schläpfer: „Für die Spielzeit 2023/24 war mir eine ideale Balance zwischen den großen Handlungsballetten und dem Kurzballett wichtig – sei es neoklassisch oder zeitgenössisch, Kreation oder Addition. Unverzichtbare Tänze wie Forsythes bahnbrechendes „In the Middle“, „Somewhat Elevated“ oder das wunderschöne „Brahms-Schoenberg Quartet“ Balanchines werden erstmals in der Wiener Staatsoper zu sehen sein, aber auch die Zusammenarbeit mit van Manen setzen wir fort. Mit Die Kameliendame integriere ich ein Meisterwerk Neumeiers ins Repertoire der Wiener Staatsoper. Die Volksopern-Premieren mit sechs Choreograph*innen sind sehr individuell zusammengestellt. Ein solches Programm ist derzeit nirgendwo in Europa zu sehen. Es steht gleichberechtigt neben unseren Premieren in der Wiener Staatsoper und zeigt das Wiener Staatsballett auf beiden Bühnen als ein Ensemble, bei dem ein großes Spektrum unserer so faszinierenden Kunst zu Hause ist.“
Mit seinem Spielplan 2023/24 geht Ballettdirektor und Chefchoreograph Martin Schläpfer den 2020 begonnenen Weg einer Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart, Klassik und Moderne, abendfüllenden Produktionen und mehrteiligen Programmen, in denen verschiedene choreographische Handschriften kontrastieren und sich gegenseitig befruchten, weiter. Jede neue Saison bringt aber auch andere Setzungen und Verschiebungen von Schwerpunkten.
Premieren & Nurejew-Gala
Je zwei Premieren in der Wiener Staatsoper und Volksoper Wien zeigen Werke von Hans van Manen, William Forsythe, George Balanchine, John Neumeier, Martin Schläpfer, Karole Armitage, Paul Taylor und Uwe Scholz als Erstaufführungen durch das Wiener Staatsballett. Mit der Uraufführung Eden von Adi Hanan fördert Martin Schläpfer die Arbeit einer jungen Choreographin aus den eigenen Reihen des Ensembles. Mit einer Neueinstudierung von Michel Fokines „Les Sylphides“ reicht das Premierenangebot zudem an die Anfänge des Symphonischen Balletts zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Zum Abschluss der Saison folgt die Nurejew-Gala, die neben Werken Rudolf Nurejews u.a. Choreographien zeigt, die in der Biographie des Ausnahmekünstlers eine besondere Rolle spielten.
Neben der sorgfältigen choreographischen Einstudierung der Werke liegt ein besonderer Akzent auf Fragen des Designs von Bühne und Kostümen. Mit John Neumeiers „Die Kameliendame“ kommt nicht nur ein Meisterwerk des zeitgenössischen Handlungsballetts ins Repertoire des Wiener Staatsballetts, sondern auch eine weitere legendäre Ausstattung Jürgen Roses in die Wiener Staatsoper. Für das Ballett „Jeunehomme“ ist es gelungen, die Rechte für die Rekonstruktion des von Karl Lagerfeld kreierten Bühnen- und Kostümentwurfs zu erhalten, der bislang ausschließlich in der Uraufführungs-Produktion von Uwe Scholz’ Mozart-Ballett mit Les Ballets de Monte-Carlo zu sehen war. George Balanchines „Brahms-Schoenberg Quartet“ und Michel Fokines „Les Sylphides“ werden dagegen in eigens für die Wiener Einstudierungen entworfenen Bühnen- und Kostümbildern zu sehen sein.
Die großen Klassiker des Repertoires
Wie die Premieren spiegelt auch das Repertoire 2023/24 wider, wofür der Name „Wiener Staatsballett“ in der internationalen Tanzlandschaft steht: Die Pflege großer Klassikerinszenierungen und die Präsentation von Meisterwerken der Gegenwart, mal in großer Besetzung mit bis zu 100, Tänzer*innen mal in intimeren Formationen.
In der Wiener Staatsoper stehen Rudolf Nurejews „Don Quixote“ und „Schwanensee“ ebenso auf dem Spielplan wie Elena Tschernischovas Giselle und Martin Schläpfers „Dornröschen“, welches sich nach der Premiere im Oktober 2022 schnell zu einem neuen Publikumsmagneten im Haus am Ring entwickelt hat.
In der Volksoper Wien eröffnet die Ballettsaison im Oktober mit der Wiederaufnahme von Pierre Lacottes „Coppélia“, die ebenso zum Besuch mit der ganzen Familie einlädt wie „Jolanthe und der Nussknacker“.
Pendants zu den märchenhaften Klassikern bilden drei mehrteilige Programme aus symphonischen Balletten: Mit „Goldberg-Variationen“, „Im siebten Himmel“ und „Promethean Fire“ stehen Werke von Ohad Naharin, Heinz Spoerli, Martin Schläpfer, Marco Goecke, George Balanchine, Paul Taylor und Mark Morris weiterhin im Spielplan.
Dirigenten
Zwei renommierte Ballettdirigenten geben in der Wiener Staatsoper 2023/24 ihre Hausdebüts: Matthew Rowe, Musikdirektor von Het Nationale Ballet Amsterdam, leitet die Premiere „Shifting Symmetries“, Wolfgang Heinz, Musikalischer Leiter des Stuttgarter Balletts, dirigiert „Giselle“ sowie die Nurejew-Gala. Ihre Fortsetzung findet die Zusammenarbeit mit Paul Connelly, Fayçal Karoui, Patrick Lange, Markus Lehtinen, Gerrit Prießnitz und Robert Reimer in der Wiener Staatsoper.
In der Volksoper gibt Ido Arad, der neben Opern- und Konzertdirigaten zuletzt vor allem mit dem Staatsballett Berlin Balletterfahrungen sammelte, sein Debüt. Ans Pult des Orchesters kehren außerdem Christoph Altstaedt, Alfred Eschwé und Jean-Michaël Lavoie zurück.
Rebecca Horner kommt zurück
Die Aufstellung des Ensembles des Wiener Staatsballetts ist für die Saison 2023/24 von einer hohen Stabilität geprägt. An vier Mitglieder sprach Martin Schläpfer wichtige Avancements aus, nachdem er zu Beginn der aktuellen Saison Ioanna Avraam mit sofortiger Wirkung nach ihrem Debüt als Tatjana in John Crankos „Onegin“ zur Ersten Solotänzerin ernannt hatte: Géraud Wielick tanzt ab 2023/24 im Rang des Solisten, Gaia Fredianelli, Giorgio Fourés und Duccio Tariello wurden aus dem Corps de ballet in den Rang der Halbsolist*innen befördert.
Neu im Corps de ballet des Wiener Staatsballetts sind Phoebe Liggins, Kirill Monereo de la Sota und Ella Persson. Ins Corps de ballet der Volksoper Wien, das bereits seit Februar 2023 durch den in Wien ausgebildeten Kevin Hena verstärkt wird, wechseln zwei weitere Absolvent*innen der Ballettakademie der Wiener Staatsoper, die erste Bühnenerfahrungen bereits als Mitglieder der Jugendkompanie sammeln konnten: Marie Ryba und Francesco Scandroglio.
Solotänzerin Rebecca Horner kehrt nach einer Karenz, während der sie beim Nederlands Dans Theater tanzte, ins Wiener Staatsballett zurück.
Die Erste Solotänzerin Maria Yakovleva hat sich nach einem Karenzjahr entschieden, ihren künstlerischen Weg beim Ungarischen Nationalballett fortzusetzen. Halbsolistin Fiona McGee wechselt zum Staatsballett Berlin. Außerdem verlassen Solist Francesco Costa sowie die Mitglieder des Corps de ballet der Volksoper Sarah Branch, Barbara Brigatti, Ekaterina Fitzka und Cosmin Marinescu die Compagnie.