Darf man sterben wollen?
Und sich dabei medizinisch helfen lassen: Dieser Frage geht Ferdinand von Schirach in seinem Drama „Gott“ nach. Michael König spielt den Vorsitzenden des Ethikrats. Die Entscheidung aber fällt das Publikum.
Bittere Pillen im Theater. Kaum ein Thema emotionalisiert mehr. Weil es uns alle betrifft. Denn die einzige Gewissheit im Leben ist die, dass wir eines Tages sterben müssen. Kaum ein Thema polarisiert mehr. Ist es erlaubt, einem schwerkranken Menschen, der weder auf Heilung noch auf Linderung hoffen kann, Sterbehilfe zuteilwerden zu lassen?
Ja, sagt zumindest der Gesetzgeber. Seit 2020 sind indirekte und passive Sterbehilfe in Österreich unter Einhaltung strenger Kriterien erlaubt. Während die einen die hohen, kaum überwindbaren bürokratischen Auflagen, die dem selbstbestimmten Tod vorausgehen, kritisieren, sehen andere den Wert des Lebens an und für sich gefährdet. Neben moralischen sind es oft auch religiös motivierte Argumente, mit denen die zweifellos heikle Diskussion geführt wird.
Für die Bühne hat sie der deutsche Erfolgsautor und Jurist Ferdinand von Schirach in Form eines Kammerspiels aufbereitet. Er lässt einen fiktionalen Ethikrat darüber diskutieren, ob Richard Gärtner, ein gesunder 78-jähriger ehemaliger Architekt, legal und ärztlich assistiert, aus dem Leben scheiden darf. In Österreich wäre das so nicht möglich, in Deutschland sehr wohl. Am Ende wird in den Kammerspielen das Publikum darüber zu entscheiden haben.
Michael König, der den Vorsitzenden jenes Ethikrats spielt, glaubt bereits zu wissen, wie es ausgeht. „Ich denke schon, dass die Mehrheitsmeinung heutzutage klar ist und ‚Ja‘ heißt. Insofern gibt es auch Justitia mit den beiden ausgewogenen Schalen in diesem Fall nicht. Aber das ist egal, denn die Argumente sind trotzdem auf beiden Seiten sehr interessant.“
Michael König in der Rolle des Moderators
Seine Figur erfülle die Rolle eines Moderators, der in das Thema einführe, die Leute vorstelle und ermahne, wenn der Meinungsaustausch aus dem Ruder laufe. „Zuallererst kommt es in dieser Frage auf den Standpunkt an“, erklärt Michael König, „ein Christ und ein Atheist haben eine völlig andere Anthropologie, eine andere Vorstellung vom Sinn des Lebens, einen anderen Blick auf die Welt. Wer nach dem Tod nichts erwartet, sagt wahrscheinlich, er möchte nicht leiden. Das ist konsequent, sein legitimes Recht, man kann es auch verstehen. Wenn ein Mensch aber die Vorstellung hat, dass es über den Tod hinaus so etwas gibt wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, ein ewiges Leben für die Seele, wie das Christen glauben, dann ist klar, dass dieser Mensch auch das leidende Leben als kostbar ansieht.“
Das fünfte Gebot – „Du sollst nicht töten“ – beziehe sich auch auf die eigene Person. Michael König vertritt als gläubiger Christ ebenfalls diese Position. „Ich würde aber nie einen Menschen, der Sterbehilfe in Anspruch nehmen will, verurteilen. Das steht mir nicht zu. Die Würde eines Menschen gebietet es, davor Respekt zu haben.“ Regisseur Julian Pölsler, der 2017 für die Josefstadt schon Ferdinand von Schirachs „Terror“ inszeniert hat – und zwar ausschließlich mit Frauen –, dreht in „Gott“ den Genderspieß um und lässt dieses Mal nur Männer auf der Bühne agieren.
Doch kein Dichter
Michael König kann sehr leidenschaftlich über seinen Beruf, den er nach Besuch der Otto-Falckenberg-Schule in München seit 1966 ausübt, referieren. Dabei wollte er ursprünglich Dichter werden. „Ich habe ein inniges Verhältnis zur Literatur, besonders zur Lyrik, und lese, seit ich ein kleiner Junge war. Wie wahrscheinlich viele junge Menschen habe auch ich als Jugendlicher Gedichte geschrieben und konnte mir für mich gar nichts anderes vorstellen.“ Er sei ein schwieriger Teenager gewesen, der vor allem seinem Vater große Ängste bereitet hätte.
Die rettende Idee hatte schließlich eine Freundin der Familie, Chefsekretärin des Intendanten am Gärtnerplatztheater in München, die meinte, der Junge gehöre auf die Bühne. Man schlug ihm vor, die Aufnahmeprüfung an der Otto-Falckenberg-Schule zu absolvieren. „Ich dachte, okay, zwei Jahre noch bis zur Volljährigkeit, dann beziehe ich sowieso meine Armer-Dichter-Bude.“ Doch es kam ganz anders. Gerd Brüdern, der damalige Direktor der Schauspielschule, hatte umgehend einen Narren an ihm gefressen. „Mit ihm habe ich nächtelang ‚Prinz von Homburg‘ probiert und dabei einen solchen Spaß am Spielen entwickelt, wild, naiv, ohne Reflexion.“
Peter Stein engagierte ihn noch als Schauspielschüler für seine allererste Inszenierung – „Gerettet“ von Edward Bond an den Münchner Kammerspielen. Kurz danach lud ihn Kurt Hübner, Leiter des Theaters Bremen, zu jener Zeit die deutsche Avantgardebühne, an sein Haus ein. „Peter Zadek, Wilfried Minks, Bruno Ganz und Edith Clever haben in Bremen gearbeitet. Ich bin in kürzester Zeit zu einem Provinzstar geworden“, so Michael König retrospektiv amüsiert. „Ich badete im Wohlgefallen des Publikums und habe eine Riesenrolle nach der anderen gespielt.“
Das Lot in der Figur suchen
Bis eines Tages die große Therese Giehse, in München noch seine Förderin, auf der Matte stand. „Sie war unglaublich geizig, weshalb es ungewöhnlich war, dass sie extra mit dem Zug nach Bremen kam, in einem Hotel abstieg und mich zum Essen einlud. Im Restaurant meinte sie nur: ‚Burschi, wenn du so weitermachst, kannst du es auch gleich bleiben lassen.‘ Ich war geschockt, habe aber in Ansätzen verstanden, was sie meinte. Ich war immer auf Wirkung aus, habe aber nicht das Lot in der Figur gesucht, konnte das Abenteuer einer Rolle gar nicht erleben.“
Erst langsam habe er die nötige Distanz zu sich selber bekommen und gelernt, wo die Oberflächlichkeit beginne. „Genau das macht den Unterschied aus, man muss eintauchen in eine lebendige, manchmal ganz fremde Welt.“
Und das tat er. Mit Regisseuren wie Peter Stein, Andrea Breth, Rainer Werner Fassbinder. Mit Kollegen wie Bruno Ganz, Jutta Lampe und Edith Clever. An der Berliner Schaubühne, die ab 1970 seine künstlerische Heimat war. Viel später dann auch am Burgtheater und im Theater in der Josefstadt. Neben diesem reichen Theaterleben drehte er beinahe hundert Film- und Fernsehproduktionen und wurde bereits 1971 für seine Darstellung des Titelhelden in George Moorses „Lenz“ mit dem Deutschen Bundesfilmpreis ausgezeichnet.
Leidenschaftlich ehrlich
„Ich versuche, mich möglichst real zu sehen, so, wie ich wirklich bin, vor allem auch mit meinen Schwächen, und mich nicht zu beweihräuchern.“ Dadurch habe er die Möglichkeit, professionell noch besser zu werden, denn das sei ein nie zu Ende gehender Prozess. Und obwohl er mit Kritik, solange sie nicht launisch sei, gut umgehen könne, lese er seit Jahren keine mehr. „Das ist manchmal schade, weil man so vielleicht auch Beobachtungen versäumt, aus denen man etwas hätte lernen können, die ein Gewinn wären.“ Aber da dies heute so gut wie nie vorkomme, habe er es sich ganz abgewöhnt.
„Lobhudeleien brauche ich auch nicht, denn dafür habe ich in meinem Beruf schon zu viele positive Erfahrungen gemacht und weiß, dass da offensichtlich etwas ist, was ich ganz gut beherrsche.“ So geht gesundes Selbstbewusstsein. „Früher habe ich immer gesagt, ich falle einmal spielend ins Grab. Das ist ein berühmter und letztlich auch ziemlich langweiliger Satz, aber doch der Wunsch vieler Schauspieler. Ich liebe meinen Beruf sehr, und solange es geht, werde ich spielen. Wenn ich selber einen tollen Schauspieler entdecke, bin ich dermaßen aufgeregt, dass ich diesen Menschen sofort umarmen möchte. Das sind Glücksmomente für mich.“
Keines seiner fünf Kinder ist Schauspieler geworden. Ein Sohn studiert Mathematik, eine Tochter arbeitet im Marketing, eine andere ist Musikerin, die jüngste bereitet sich für die Aufnahmeprüfung Operngesang an der Musik-Uni vor. Sohn Benny König macht mit dem Popduo King & Potter Karriere und hatte bereits einen Nummer-1-Hit. Stolz ist Michael König indes auf alle.
Zur Person: Michael König
Michael König studierte Schauspiel an der Otto-Falckenberg-Schule und debütierte unter der Regie von Peter Stein in den Münchner Kammerspielen. Er arbeitete am Theater Bremen und zählte ab 1970 zum Kern der Berliner Schaubühne, wo er mit Bruno Ganz, Jutta Lampe und Edith Clever auf der Bühne stand. Viele Jahre später wechselte er ans Wiener Burgtheater – heute gehört er zum fixen Ensemble des Theaters in der Josefstadt, wo er u. a. in „Der Boxer“, „Radetzkymarsch“, „Professor Bernhardi“, „Der Besuch der alten Dame“, „Der Garderober“ und zuletzt in Thomas Bernhards „Der deutsche Mittagstisch“ Erfolge feierte.