Es ist so ein dummes Männerding: Man muss als Mann sehr gefestigt sein, um Michael Dangl nicht gleich beim ersten Treffen unsympathisch zu finden. Er ist einfach zu attraktiv. Seine Stimme ist zu angenehm. Und die Sachen, die er so sagt, sind ziemlich klug. Ach ja, und richtig witzig kann er auch noch sein.

Anzeige
Anzeige

Also revidiert Mann schnell seine Vorurteile: Dangl wäre zwar noch immer ein haushoch überlegener Konkurrent in Sachen Frauen, aber mit ihm als Freund würde man gerne von Bar zu Bar durch seine Lieblingsstadt Grado streifen.

Michael Dangl im Roten Salon im Theater in der Josefstadt. Seit 1998 ist er Ensemblemitglied.

Foto: Lukas Gansterer

Vielbeschäftigt und umtriebig

Vier Stücke spielt Michael Dangl in diesem Jahr an der Josefstadt und in den Kammerspielen: „Professor Bernhardi“, „Der Vorname“, „Geheimnis einer ­Unbekannten“ und „Die Liebe Geld“. Dazu den Professor Higgins in „My Fair Lady“ am Gärtnerplatztheater in München. Und weil ihm ja womöglich fad werden könnte, hat er ­„Tatort“ und „Vienna Blood“ gedreht, mit „Virginia Hill“ eine Kino- und TV-Premiere ­gefeiert, neben Paul Gulda beim Herbstgold-Festival in Eisenstadt auf der Bühne gestanden und mit Konstantin Wecker und Dörte Lyssewski beim Theater im Park am Belvedere ein Konzert gemacht, das nun als Live-CD erscheint.

Im ersten Lockdown Buch an Tochter verfasst

Haben wir etwas vergessen? Stimmt. Ein wunderschönes Buch hat er auch geschrieben: „Anfisa, zu Dir“, ein Brief in Zeiten des Lockdowns an seine Tochter, die mit Dangls Frau in Sankt Petersburg lebt. „Maria ist am Mariinski-Theater bei Valery Gergiev als Erste Flötistin fix engagiert. Wir sind an das Reisen gewöhnt. Aber die Wochen des Lockdowns waren hart, und ich habe begonnen zu schreiben.“

Anzeige
Anzeige

Jetzt sitzen wir im Roten Salon der Josefstadt, einem Plüschzimmer, ganz aus der Zeit gefallen. Michael Dangl kommt gerade von einer Probe für „Geheimnis einer Unbekannten“ mit Martina Ebm. Die Kulturbloggerin Michaela Mottinger schrieb nach der Premiere: „Für Dangl soll’s weiße Rosen regnen, (…) was wäre die Josefstadt ohne seine Schauspieler?“

Zum Zeitpunkt des Interviews weiß Dangl noch nichts von diesem Lob. Den medialen Applaus für seine Rolle im Glattauer-Stück „Die Liebe Geld“ („Dangl war großartig“ / Kurier) hat er aber bereits bekommen. Schwarze Hose, blaues Hemd und ein wattiertes Gilet, Haare nach hinten gekämmt. Dangl wirkt tiefenentspannt. Er ist keiner, der sofort antwortet, der Schauspieler überlegt sich seine Sätze genau. 

Michael Dangl auf der Bühne der Josefstadt. Die Kulissen werden gerade abgebaut. Im Hintergrund der leere Zuschauerraum.

Foto: Lukas Gansterer

280 Vorstellungen in den Anfangsjahren

„Wie merken Sie sich eigentlich diese Textmengen?“ 

Die erste Frage ist gestellt, als plötzlich die Tür des Roten Salons aufgerissen wird: Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger kommt herein. Eine Corona-Maske bedeckt sein Gesicht. In der Hand hält er die Oktober-Ausgabe der BÜHNE – mit Josefstadt-­Star Martina Ebm am Cover. Als er das Redaktionsteam erkennt, setzt er ohne Anlauf zur Blattkritik an. Seine Augen blitzen. Wegen der Maske ist nicht klar, in welcher emotionalen Verfassung der Direktor und begnadete Volksschauspieler wirklich ist: Ist er positiv eingestellt oder nicht? Spielt er die ganze Emotion, und ist alles nur Inszenierung? Dann nutzt Föttinger unsere Verblüffung und die Gelegenheit für einen gekonn­ten Abgang. So schnell, wie er aufgetaucht ist, verschwindet er wieder. 

So geht echtes Theater. 

Dangl ist amüsiert: „Das musst du schreiben: ‚Plötzlich betritt ein Mann mit einer Maske den Raum und sagt …‘“ 

Also endlich zurück zur Eingangsfrage: Wie ist das jetzt mit den vielen Texten, den unterschiedlichen Stücken? Wie kann ein menschliches Hirn das alles speichern und nachher fehlerfrei abrufen?

Dangl nimmt einen Schluck Kaffee: „Es gab Jahre, in denen ich in jedem Stück am Haus gespielt habe – vor allem am Anfang. Das waren 250 bis 280 Vorstellungen, um einiges mehr als jetzt. Derzeit komme ich auf 25 Vorstellungen im Monat.

Ein Liter Tee und drei Seiten Text

Aber zurück zum Thema: Grundsätzlich lerne ich den Text so früh wie möglich. Und so gut und so genau, dass ich ihn noch vor der ersten Probe im Schlaf kann. Je nach Umfang brauche ich pro Stück sechs bis acht Wochen. Ich stehe früh auf, mache mir einen Liter Tee, und dann erarbeite ich mir zwei bis drei Seiten. Das Gelernte wiederhole ich jeden Tag, und dann kommen wieder zwei bis drei neue Seiten dazu. Ich finde ja, den Text nicht zu können,
das wäre unhöflich.“ 

Ehrlich gesagt, das Lernen ist sicher der unlustigste Teil."

„Textverwechslungen zwischen den Rollen, können nicht passieren, weil die Welt jedes Stücks einzigartig ist. Selbst wenn ich in den ­verschiedenen Stücken immer dieselben Partner habe, passiert das nicht. Ehrlich gesagt, das Lernen ist sicher der unlustigste Teil. Daher versuche ich, diese Arbeit so zügig wie möglich zu erledigen. Ich will erst den Text können, um dann im Kopf frei zu sein, um am Charakter zu arbeiten.“ 

Mit dem Fahrrad in die Josefstadt

Und wie wirkt sich beim Lernen der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie auf ihn aus? „Ich neige bei tragischen Stoffen dazu, privat heiterer zu werden, und umgekehrt. Da gibt es ­irgendeine komische Balance, die meine Natur fordert.“ Wir beenden das Gespräch und strei­fen fotografierend durchs Theater.

Beim Bühnenausgang zieht der Herbstnebel durch die Piaristengasse – Michael Dangl schwingt sich auf sein Fahrrad. „Danke, war sehr nett mit euch“, ruft er. Ein paar ­Passanten drehen sich nach ihm um. „Sympathischer Typ“, denken wir und schauen ihm nach.

Zur Person: Michael Dangl

Seine Eltern gründeten das Wandertheater „Karawane Salzburg“, wo er mit vier Jahren das erste Mal auf der Bühne stand. Nach Engagements in Köln, ­Koblenz und Hamburg wurde er 1998 an die Josefstadt geholt. Er ist mit der Flötistin Maria Fedotova verheiratet, das Paar hat eine Tochter. Der 52-Jährige ist auch erfolgreicher Autor: Neben Reisebüchern („Grado“) schreibt er Romane („Anfisa, zu Dir“).

Karten und Termine: Theater in der Josefstadt

Hier finden Sie den aktuellen Stand des Spielplans im Dezember

Weiterlesen: Michael Dangl: „Die Satire hat es schwer gegen die Wirklichkeit“