Paul Matić: Es ist nie zu spät für ein Debüt
Als Schauspieler in der Josefstadt ist er Meister des Diffizilen – als Musiker darf er sich mit 50+ Nachwuchshoffnungen machen. Paul Matić veröffentlicht im Herbst sein erstes Album. Und singt darauf mit Popgöttin Heather Nova.
„Stop all the clocks!“ Das ist keine Aufforderung an kirchliche Vertreter, akustische Ruhezeiten einzuführen, sondern ein Song, den sich auf Spotify in wenigen Tagen mehr als 10.000 Menschen angehört haben. „Das ist gewaltig für einen Nobody und vor allem Heather zu verdanken“, stellt Paul Matić sein Licht ein wenig unter den Scheffel. Denn eigentlich ist es natürlich sein Meritum, dass das wohl berühmteste Poem von W.H. Auden – „Funeral Blues“ – vertont wurde. Er hatte die Idee und fand den richtigen Rhythmus für die Umsetzung.
Zur Person: Paul Matić
In Wien geboren, aufgewachsen in Berlin, nach dem Studium Engagements in Tübingen und Göttingen, danach in Wien am Burgtheater und dem Volkstheater. Seit 2018 Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt. Zahlreiche TV-Rollen; von 2005 bis 2021 spielte er den Staatsanwalt in der Serie „Soko Donau“.
„Ich habe das Gedicht, das im Film ‚Vier Hochzeiten und ein Todesfall‘ eine großartige Renaissance erlebte, vor ein paar Jahren wieder gelesen und beschlossen, einen Song daraus zu machen.“ Eigentlich seien er und sein Produzent Arnulf Lindner nach der Aufnahme ganz zufrieden gewesen, hätten aber beide bemerkt, dass irgendetwas fehlen würde. „Arnulf kannte Heather Nova, da er früher oft mit ihr gearbeitet hat und schickte ihr den Track.“ Sie fand ihn gut, sang ihren Part auf den Bermudas ein und schickte das Ergebnis zurück nach Wien.
„Für mich ein großes Glück, denn ich halte sie für eine der tollsten Stimmen in der Popmusik überhaupt“, strahlt Paul Matić beim Interview. Mit dieser Meinung steht er freilich nicht allein da. Und was die Vermarktung seines für Herbst geplanten Debüt-Albums betrifft, dürfte der Umstand, dass man Heather Nova gewohnt markant darauf hören kann, auch kein Nachteil sein.
Akteur für alle Fälle
Man kennt Paul Matić selbstredend als Schauspieler. Er wuchs vorwiegend in Berlin auf, wo er auch die Schauspielschule absolvierte. „Das waren natürlich entscheidende Jahre für mich. Ich habe beinahe die Hälfte meines bisherigen Lebens in Berlin verbracht und bin noch immer sehr verwachsen mit der Stadt. Im Moment lebe ich lieber in Wien, aber gerade hier wird mir von Freunden oft meine preußische Genauigkeit vorgehalten.“ Mildes Lächeln. „Ich hatte auch keinen Kulturschock, weil ich mich grundsätzlich überall schnell zuhause fühle. Wo mein Bett und meine Waschmaschine stehen, dort bin ich daheim.“ In seinem Beruf gewiss kein Nachteil.
Sein Vater ist Peter Matić, der Berufswunsch war also naheliegend, wenn auch nicht drängend. Erst wollte er Buchhändler werden, „dann wurde mir aber klar, dass ich Literatur nicht nur verkaufen, sondern auch damit arbeiten wollte.“ Also Schauspieler. Nach dem Diplom und drei Jahren am Theater in Göttingen kam er als Gast ans Burgtheater. Man suchte einen jugendlichen Liebhaber für „Die Riesen vom Berge“ in der Inszenierung des weltbekannten italienischen Theatermagiers Giorgio Strehler. Er war begeistert, sein Vater riet ab. „Heute weiß ich, dass er recht hatte, ich war einfach zu jung.“ Aber wer sage in seinen Zwanzigern schon nein zum Burgtheater? In Wien blieb er auch nach seinem Abgang von der Burg, von der er sich mit Arthur Schnitzlers „Reigen“ – Premiere 1999 – in der Regie von Sven-Eric Bechtolf verabschiedete.
2005, am Beginn der Ära Schottenberg, kam er ans Volkstheater, und nach ein paar Jahren als freier Schauspieler folgte 2018 ein fixes Engagement im Theater in der Josefstadt, wo er bis heute spielt. „Die Vorteile einer festen Anstellung sind, dass man wirklich regelmäßig arbeitet. Dieser Theaterverbund ist etwas, das ich sehr liebe. Dazu kommt, dass in der Josefstadt das Ensemble nicht nur ein gutes, sondern auch ein kollegiales ist. Die Atmosphäre ist tatsächlich familiär.“ Auch wenn man, wie in jeder Familie, den Onkel vielleicht lieber möge als die Tante, oder umgekehrt, herrsche ein starker Zusammenhalt.
„Ich kenne dieses Theater schon sehr lange, weil ich bereits als 19-Jähriger hier hospitiert habe. Und ohne schlecht über die ‚alte Josefstadt‘ reden zu wollen, muss man sagen, dass es seit Herbert Föttinger ein richtig gutes Theater geworden ist.“ Die „alte Josefstadt“ sei via Fundus aber durchaus noch präsent, erklärt Paul Matić. „Ich trage in ‚Leopoldstadt‘ zwei Paar Schuhe, in einem steht Eberhard Wächter, im anderen Theo Lingen. Die sind wahrscheinlich 70 oder 80 Jahre alt, und ich trage sie mit einem breiten Lächeln.“
Neben Tom Stoppards jüdischer Familienchronik „Leopoldstadt“, in der er den englischen Journalisten Percy spielt, ist er aktuell auch als Münz-Matthias in „Die Dreigroschenoper“ und herrlich skurriler Butler Phipps in „Der ideale Mann“ zu sehen. „Leopoldstadt“ erstreckt sich von 1899 bis 1955 und erzählt die Historie und Auslöschung einer Großfamilie – für das Publikum eine emotionale Herausforderung. Gilt das auch für den Schauspieler? „Als Darsteller habe ich kein Problem damit, als Zuschauer sehr wohl. Ich habe es mir bei den Endproben ein einziges Mal angeschaut und stelle während der Vorstellung in meiner Garderobe auch immer die Mithöranlage ab, weil ich es nicht ertrage. Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zum Schluss gekommen, dass das mit meiner neunjährigen Tochter zu tun hat. Wenn ich mir vorstelle, dass mein Kind in so etwas geraten könnte, halte ich das einfach nicht aus.“
Alles zusammengezählt, stand er in der aktuellen Spielzeit an 140 Abenden auf der Josefstadt-Bühne. Dazu kommen 16 Jahre als Staatsanwalt in der TV-Serie „Soko Donau“. „Das ist zwar ein enormes Pensum, an das man sich mit Training aber gewöhnt. Es gibt aber Abende, an denen ich zuhause bin und denke, Gott sei Dank muss ich heute keinen Menschen sehen. Dann koche ich mir etwas, trinke ein Glas Wein und gehe um halb zehn ins Bett.“
Das wird in diesem Sommer eher selten passieren, denn in den Theaterferien wird Paul Matić bei den Festspielen Reichenau in Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ zu sehen sein. Regie führt der international erfolgreiche deutsche Filmstar Christian Berkel.
Schreiben & Singen
Nun kommt auch noch die Musik dazu. Was nicht ganz stimmt, denn eigentlich war sie immer da. „Als ich zum ersten Mal Bruce Springsteen gehört habe, war das ein großer Moment für mich. Er gehört zwar nicht zu meinen Favoriten, aber sein Songwriting hat mich sehr berührt.“
30 Jahre später veröffentlicht er, der sich, um ebenfalls Singer/Songwriter sein zu können, selber – „notdürftig, aber gut genug, um zu komponieren“ – das Gitarrespielen beigebracht hat, sein erstes Album. Neben Arnulf Lindner und Heather Nova waren auch Ralph Salmins, englischer Studioschlagzeuger für Björk, Van Morrison oder Paul McCartney, und Klangkünstler Peter Rosmanith daran beteiligt. Darauf erzählt Paul Matić Geschichten in englischer und deutscher Sprache, er kreiert Kopfbilder und gräbt musikalische Tunnel, die direkt in die Herzen der Zuhörer führen. Wahrscheinlich wird die Platte „Songs und Lieder“ heißen.
„Ob eine zweite Karriere daraus wird, das werden wir sehen“, beantwortet er eine naheliegende Frage. „Ich will aber ganz unbescheiden, dass diese Musik um die Welt geht. Mein größter Traum ist es, irgendwann in einem Lokal zu sitzen, egal ob in Frankfurt oder in New York, und es läuft ein Song von mir.“ Ehe es aber so weit ist, gibt er mit Band im Herbst Konzerte.
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