„Oper beschäftigt sich ja mit dem Tiefsten, das wir haben – mit dem Gefühl. Oper erzählt die Grundfesten der Menschlichkeit, sowohl die schönen als auch die negativen. Manche Menschen springen eher szenisch an, manche finden über die Musik eine Brücke zu dieser Kunstform. Außerdem kann man sich in und mit der Oper eine gute Zeit machen: Man kann in Fantasiewelten reisen, man kann lachen, man ist im Kontakt mit sich selbst, und das verlernt man oft im Alltagsstress. 

Anzeige
Anzeige

Oper in allen Bezirken von Wien anbieten

Ich bin seit September für das Thema Outreach an der Wiener Staatsoper zuständig, mit dem klaren Auftrag des Intendanten, Strategien und Konzepte zu überlegen, wie wir möglichst viele verschiedene Menschen für Oper und Ballett ­begeistern können. Mein Ansatz ist es, kreative Plattformen zu schaffen, partizipative Möglichkeiten zu finden, und zwar in ganz Wien. 

Wir bauen gerade im 10. ­Bezirk im Kulturhaus Brotfabrik zwei Jugend-Ensembles auf, mit denen wir eigene Musiktheater- und Tanzstücke entwickeln. Es ist ein offenes Projekt, bei dem jeder willkommen ist. Einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben wir über die Kanäle der Oper gefunden.

Musiktheater statt Karate

Ich war aber auch viel rund um den Reumannplatz unterwegs, habe Menschen angesprochen, bin durch Schulen gegangen, damit auch Jugendliche mitmachen, die sonst nie von so einem Projekt erfahren würden. Einen 14-jährigen Teilnehmer habe ich an einer Schule in Wien gefunden, er wurde mir von einem Lehrer empfohlen. Ich habe ihm das Projekt erklärt, und mittlerweile hat er seine Karategruppe aufgegeben, um bei uns mitmachen zu können.

Wir treffen uns jede Woche, haben szenisches und musikalisches Training und schreiben unter dem Leitgedanken ,Utopera‘ an einer eigenen Oper – basierend auf den Themen, die die jungen Menschen interessieren und beschäftigen. Diese Ideen arbeiten wir aus und bringen sie am Ende in eine künstlerische Form, die in die Richtung Musiktheater-­Performance geht und mit Singspiel-
Elementen arbeitet. Das Stück wird dann gemeinsam mit dem Superar-­Orchester aufgeführt.

Anzeige
Anzeige

Den Klang eines Bildes suchen

Die Grundfrage an die Teilneh­menden war: Was erwartet ihr von der Welt und der Gesellschaft? Und weil alle ganz unterschiedliche Hintergründe haben, haben wir auch viele verschiedene Zugänge. Bei der ersten Probe haben wir eine Menge Bilder auf den Boden gelegt. Wir haben alle Fässer aufgemacht, von Katastrophen bis hin zu Liebe, und alle waren dazu aufgerufen, jenes Bild zu suchen, das sie am meisten ­anspricht. ­

Anschließend haben wir uns auf zwei Bilder geeinigt. Die eine Gruppe sollte sich dann zu diesen Fotos eine Geschichte und Szenen überlegen, die dazu passen könnten. Die andere Gruppe sollte sich überlegen: Wie klingt das Bild? Unterstützt werden die Teilnehmer­Innen dabei von musikalischen Profis – dem Leiter der Opernschule und dem Leiter von Superar.

Begegnungen mit Künstlern der Staatsoper

Nach einer halben Stunde haben wir dann getauscht und sind so immer weiter ins Detail gegangen und dabei automatisch zu den grundlegenden Fragen des Musiktheaters gekommen: Was kommt zuerst – Musik oder Text? Und: Was liegt mir mehr, um mich auszudrücken? 

Wichtig ist uns als im Hintergrund Führende, dass wir darauf keine Antworten geben. Manchmal finden wir gemeinsam Melodien, und wir überlegen, was da für eine Szene dazu­passt, und manches Mal ist es umgekehrt. Dadurch entstehen immer wieder neue Fragen: Wie setzen wir Musik richtig ein? Hören wir sie erst, wenn eine Person auf die Bühne kommt, oder haben wir eine Person, die auf der Bühne steht und singt?

Parallel dazu versuchen wir, den jungen Menschen die Staats­oper in Wien näherzubringen, wir reden über Stücke, die wir im Haus haben, es finden Begegnungen mit Künstlerin­nen und Künstlern statt. 

Auf den Prozess vertrauen

Wir arbeiten trotz Corona weiter, sowohl beim Tanzlabor als auch im Opernlabor läuft derzeit alles online. Es ist natürlich ganz anders als bei echten Treffen, aber es klappt ganz gut. Mein Zugang ist: Man muss den Zustand umarmen und hinnehmen und das Beste daraus machen.

Das Tanzlabor – eine Kooperation mit ‚Tanz der Toleranz‘ – möchte ich auch noch erwähnen: Es ist ein eigenständiges Projekt, inspiriert von Themen aus dem Spielplan des Wiener Staatsballetts. Da geht es darum, mit den Grundelementen von Bewegung und Körperarbeit etwas entstehen zu lassen. Das Tolle an allen Projekten ist, dass wir nicht wissen, was dabei herauskommt. Wir müssen auf den Prozess und die jungen Erwachsenen vertrauen und auf unsere Idee. Der Rest ist: keep going."

Zur Person: Krysztina Winkel

Die Theaterpädagogin wurde in Aachen geboren. Die 28-Jährige ­arbeitete bereits unter dem neuen Wiener Ballettchef Martin Schläpfer an der Oper am Rhein und ging danach nach Coventry. 

#Utopera

Opernlabor (15–24 Jahre) und Tanzlabor (10–15)
Utopera

Weiterlesen

Volksoper bietet jungem Publikum digitale Appetithäppchen an