Zwei Fragen an: Plácido Domingo
Er ist einer der größten Tenöre aller Zeiten. Der 82-Jährige gibt heuer vor dem Linzer Dom am 26. Juli eines seiner seltenen Konzerte – großes Orchester inklusive. Wir hatten zwei Fragen an den Maestro.
Ist an dem Vorurteil etwas richtig, die Tenöre seien die Dümmsten unter den Sängern?
Sicher gibt es dumme Tenöre, aber auch dumme Baritone. Allerdings ist ein Tenor, der dumm ist, dieses in besonderem Maße. Denn auf der Bühne ist er meistens der Held, und wenn er nicht genug Klugheit besitzt, diese Rolle von seinem privaten Ego zu trennen, dann hält er sich auch im Leben für einen Helden. Hinzu kommt der Erfolg, der ihn verblendet, bis er schließlich durch alles zusammen so blöd wird, dass sein Kopf aufhört zu funktionieren. Er weiß dann nicht mehr, wo er sich in Wahrheit befindet. Er sieht die Realität nicht. In früheren Zeiten war es oft so, dass italienische Tenöre aus der Provinz direkt an die Metropolitan Opera nach New York geholt wurden. Die fanden sich plötzlich in einer Riesenstadt und hatten Riesenerfolg. Das konnten sie nicht verkraften.
Ist während des Singens der Verstand ausgeschaltet?
Nein. Ich vergesse nie, dass ich mich auf einer Bühne befinde. Ich weiß immer, es ist eine Rolle, die ich zu spielen habe. Nur manchmal, wenn alles so läuft, wie ich wünsche, wenn die Stimme ganz da ist, dann kann ich für Augenblicke so vollkommen mit der Figur verschmelzen, dass der Kopf wirklich leer ist. Dann denke ich nur, was ich gerade zu sagen habe, an die Worte und an die Gefühle, die ich zum Ausdruck bringe. Es gibt Sänger, die denken immer nur daran, ob sie einen bestimmten Ton richtig herausbekommen, zum Beispiel Franco Corelli, der dachte nur an die Stimme, der konnte sich überhaupt nicht verlieren.