Fünf Stücke für Feministinnen und Feministen
Immer mehr Theaterautorinnen, Regisseurinnen und Schauspielerinnen arbeiten konsequent an neuen Blickwinkeln. Die immergleichen Geschichten aus Männerperspektive begleiten uns schließlich schon viel zu lange.
„Die männliche Perspektive ist ausgelutscht wie 1 alter Penis“, schreibt Autorin Stefanie Sargnagel, deren Texte im Stück „Iphigenie. Traurig und geil im Taurerland“ mit der antiken Tragödie von Euripides vermengt wurden. Weil sie mit dieser Aussage nicht nur ins Schwarze, sondern glücklicherweise auch den Nerv der Zeit trifft, versammelt diese Liste Stücke, die Frauen sprechen lassen. Und zwar nicht in kleinen Nebenrollen, als dahinsiechende Großmütter oder neckische Flittchen, sondern in den Hauptrollen. Da es sich bei dieser Liste um eine subjektive Auswahl handelt, besteht keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Den Anspruch, am Theater sehr viel öfter verschiedene Perspektiven anzubieten, unterschreiben wir dafür sofort.
Krankheit oder moderne Frauen
Mit „Wie ein Stück“ untertitelt Elfriede Jelinek das 1987 in Bonn uraufgeführte Theaterstück „Krankheit oder moderne Frauen“. Dabei entsprechen ihre frühen Stücke beinahe noch fast jener Erwartungshaltung, die die meisten Menschen üblicherweise ins Theater mitbringen. Nämlich ein Stück zu sehen, das Dialoge, Figuren und eine Handlung hat. Ein Spiel mit Erwartungen – und gängigen Rollenzuschreibungen – ist „Krankheit oder moderne Frauen“ trotzdem.
Das Stück basiert auf folgendem Handlungsstrang, der sich im Laufe des Stücks immer fester um die Kehlen der einzelnen Figuren schnürt: Emily, Krankenschwester, Schriftstellerin und Vampir, beißt Hausfrau und Mutter Carmilla, die Jelinek in ihrem Text als „Dilettantin des Existierens“ bezeichnet, und macht sie ebenfalls zum Vampir. Dann gibt es da noch die beiden Männer, Dr. Heidkliff und Benno Hundekoffer, zwei dem Durchschnitt entsprechende Machos und eigentlich nicht weiter der Rede wert. Emily und Carmilla gelingt es zwar nicht, aus ihrer Zwischenexistenz als Vampirinnen (und Frauen) auszubrechen, das Ausschlussverfahren, nach dem unsere Gesellschaft funktioniert, wird in diesem Stück dennoch offengelegt.
Stören
„Straßenseiten wechseln / Fremde Blicke, neue Wege testen / Zieh die kurze Hose lang / Schau mich nicht an, alles was ich dir gerade zeigen kann ist meine böse Miene zum bösen Spiel“ heißt es im Song „Nacht“ der österreichischen Band Culk. Mit derlei aufgezwungenen Schutzmechanismen beschäftigt sich auch das Stück „Stören“ der Regisseurin, Autorin und Schauspielerin Suna Gürler.
„Eine Frau betritt die Bühne" – mit diesem Satz, der gleichzeitig auch Regieanweisung ist, beginnt das Stück. In einer rhythmischen Suchbewegung gehen die sechs Frauen auf der Bühne dann der Frage nach, wie viel Raum Frauen in unserer Gesellschaft eigentlich zusteht, wo dieser zu finden ist und warum er immer noch nicht selbstverständlich geworden ist. 2017 wurde das Stück zu „Radikal Jung“ und zum „Theatertreffen der Jugend“ eingeladen. „Stören“ wurde 2016 am Maxim Gorki Theater Berlin uraufgeführt.
frau verschwindet (versionen)
Julia Haenni ist Autorin, Regisseurin und Leiterin des Theaters Junge Marie. „frau verschwindet (versionen)" ist im Rahmen ihrer Hausautorinnenschaft am Konzert Theater Bern entstanden und wurde in einer Inszenierung von Marie Bues 2019 in Bern uraufgeführt. Aber wohin verschwindet die Frau denn nun? Sie befreit sich in Haennis Stück aus dem Netz aus Erwartungen, das sie normalerweise schön sicher am Boden, in der Küche und im Bett hält. Und dann? Dann lässt die Autorin sie ihre Geschichte selbst erzählen. Mit viel Sprachwitz versuchen die Frauen in diesem Stück ihren Platz in einer Gesellschaft zu finden, die ohne Zuschreibungen von außen funktioniert.
Iphigenie. Traurig und geil im Taurerland.
„Die männliche Perspektive ist ausgelutscht wie 1 alter Penis“, schreibt Autorin Stefanie Sargnagel, deren Texte im Stück „Iphigenie. Traurig und geil im Taurerland“ mit jenem von Euripides verschränkt werden. Und die Volksbühne Berlin, die das Stück in einer Inszenierung von Hausregisseurin Lucia Bihler im September 2020 zur Aufführung gebracht hat, fügt in ihrer Beschreibung zum Stück hinzu: „Nach Aischylos, Euripides, Racine, Schiller und Goethe ist es Zeit für eine Kette rauchende, ungewaschene Weltikone, deren Schritt nach Brie riecht.“ Auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so scheint, weiß man über das Stück damit längst noch nicht alles, was es so zu wissen gibt. In Wahrheit ist das Ganze nämlich viel komplexer. Und auch noch sehr viel lustiger, denn die Frauen auf der Bühne exerzieren die verschiedenen Rollenbilder mit großem Spaß durch.
Das Himmelszelt
Mit Rollenumkehr hat auch Lucy Kirkwoods Stück „Das Himmelszelt“ viel zu tun. Zwar ist inmitten einer zwölfköpfigen Gruppe aus Frauen auch ein Mann auf der Bühne, diesem wird jedoch immer wieder das Wort verboten. Normalerweise sieht die Situation auch am Theater immer noch anders aus. „Das Himmelszelt“ wurde von der jungen, britischen Autorin zwar im 18. Jahrhundert angesiedelt, verhandelt jedoch Themen, die aktueller nicht sein könnten. So geht es unter anderem darum, wie es als Frau gelingt, in einer von Männern dominieren Gesellschaft Macht zu erlangen – auch über den eigenen Körper. Im Zentrum steht Sally Poppy, die von ihrem Mann angeklagt wurde, ein junges Mädchen auf grausame Weise ermordet zu haben. Als ihr Todesurteil verkündet wird, behauptet sie schwanger zu sein. Weil das eine sofortige Hinrichtung verunmöglicht, wird eine Matronenjury zusammengetrommelt, die überprüfen soll, ob Sally Poppy wirklich schwanger ist. Die deutschsprachige Erstaufführung feierte im Herbst 2020 im Burgtheater Premiere.