Der vergoldete Bösendorfer als folgsames Arbeitsinstrument
Pianistin Donka Angatscheva spielt auf einem Unikat der Firma Bösendorfer: Dem Grand Piano 225. Im Lockdown initiierte sie eine besondere Künstler:innen-Initiative.
„Beethoven oder Brahms spiele ich besonders gerne darauf", sagt Donka Angatscheva und greift beherzt in den Bösendorfer. Ein klare, strahlende Klangwelt öffnet sich. Die Pianistin spielt Beethovens Klaviersonate Nr. 23 in f-Moll op. 57 – besser bekannt als „Appassionata" – an. „Das ist richtig kräftig", sagt sie.
Das Bösendorfer Grand Piano 225 ist aber auch schon beeindruckend, bevor man seinen Klang hört. Angelehnt ist es an die Formen der Neoklassik. Über die gesamte Länge ist es in Blattgold eingefasst. Eine opulente Verzierung, die aber keinesfalls prahlerisch oder kitschig wirkt, sondern das Klavier vielmehr zum Leuchten bringt.
Ignaz Bösendorfer gründete seine Klaviermanufaktur im Jahr 1828. Zahlreiche Komponist:innen und Pianist:innen werden seither von den Instrumenten inspiriert, angefangen bei Franz Liszt. Zum 185. Jubiläum wurde das 50.000 Exemplar eines Flügels der österreichischen Klavierfabrik gebaut. Dieses Instrument ist dem Anlass entsprechend außergewöhnlich. Es steht jedoch keineswegs hinter einer Vitrine im Museum. Es wird in der Wiener Innenstadtwohnung von Pianistin Donka Angatscheva täglich zum Leben erweckt.
Vier zusätzliche Tasten im Bass des Bösendorfer
Der Klang, den Angatscheva aus dem 419 Kilogramm schweren Unikat herausholt, ist brilliant. Die Seiten wurden handgespannt, der Resonanzboden besteht aus österreichischem Fichtenholz. 2,25 Meter ist es lang und 1,59 Meter breit. Ein weiterer Clou: Es verfügt über 92 Tasten. Zu den 88 Standardtasten kommen noch vier im Bass. Die zusätzlichen Tasten sind zum Beispiel dafür gedacht, um gegen ein großes Orchester „anzukommen". Der Bass kann verdoppelt werden und wirkt noch massiver. „Auch in modernen Werken kann ich damit experimentieren", erklärt Angatscheva.
Dass die goldenen Figurinen an den Wiener Musikverein erinnern, ist kein Zufall. Denn der Entwurf aus dem Jahr 1867 stammt von dem dänisch-österreichischen Architekten Theophil Hansen, der auch dieses Kulturhaus entwarf und überhaupt großen Einfluss auf die Gestaltung der Wiener Ringstraße hatte. Anton Gosser und Hansen schufen zwei kunstvolle Klaviere für die Weltausstellung in Paris. Die beiden Instrumente waren Inspiration und Anleitung für Opus 50.000. Inspiriert von den Gold-Karyatiden, die noch heute im Goldenen Saal zu sehen sind, sind die beiden Figuren auf der Vorderseite des Instruments im traditionellen Wachsausschmelzverfahren aus Bronze hergestellt und mit 24 Karat vergoldet.
Ein folgsames Arbeitsinstrument
Trotz aller Schönheit ist es dennoch ein Arbeitsklavier. Am gesamten Flügel sind Musiknoten mit Notizen verteilt, die Angatscheva erst einmal wegräumt, um den Klangkörper öffnen zu können. „Meine Nachbarn sind wahnsinnig verständnisvoll, aber ich will es nicht übertreiben und daher ist er meistens geschlossen", sagt sie.
Sie stimmt Chopin an, die schnellen Läufe sind kristallklar. „Das Klavier fühlt mich, ich fühle das Instrument und wir sind wie ein Ganzes. Es hört auf mich und folgt genau so, wie ich mir das vorstelle", sagt Angatscheva und lacht. Begonnen hat ihre Pianistinnenkarriere weniger „verwöhnt", wie sie erzählt. In ihrer Musikschule in ihrem Heimatland Bulgarien fehlten bei den Klavieren oftmals Tasten. „Wir mussten auch ein schlechtes Instrument zum Klingen bringen. Das war eine wichtige Lektion", sagt sie.
Für Konzerte wird der Bösendorfer eigentlich nicht transportiert. „Einmal habe ich einen Kompromiss gemacht, aber sonst bleibt es bei mir zu Hause. Stellen Sie Sich vor, etwas passiert. Das würde ich mir nie verzeihen", sagt Angatscheva. Der Klang bleibt also meist Angatschevas Familie und Nachbarn vorbehalten. Diese sind übrigens schon einmal runtergekommen, und zwar nicht um sich zu beschweren, sondern um sich für das Konzert zu bedanken.
Zur Person: Neuer Kinofilm beleuchtet Österreichs Klassikszene
Wer die Pianistin spielen hören will, hat demnächst im Kino die Gelegenheit. Denn ein Herzensanliegen ist Angatscheva die Vernetzung und der Austausch mit der Musikszene in Österreich. Am Anfang der Corona-Krise gründete die Bösendorfer-Pianistin daher die Künstlerinitiative „Die Kunst lebt weiter", aus der bereits zwei digitale Konzertreihen hervorgingen. Die Solidarität der Künstlerinnen und Künstler miteinander steht dabei im Vordergrund. Im Herbst wird es nun einen Kinofilm geben: „Die Kunst lebt weiter – Crescendo Nr 3“.
Kinofilm und Live-Streaming
Mit großem Staraufgebot wie z. B. Lidia Baich, Sandra Pires, Ildiko Raymondi u. v. m. wurde die dritte Konzertreihe Crescendo Nr. 3 an traumhaft schönen Orten in ganz Österreich aufwändig gedreht. Mit der Unterstützung durch das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und zahlreichen Förderern und Partner:innen wie z. B. Juwelier Bucherer und Bösendorfer kommt die Dokumentation im Herbst erstmals als Film ins Kino.
Alle Klassikliebhaber sollten sich zudem den 26.09.2021, 17:00 Uhr, im Kalender vermerken, da findet das spektakuläre Konzert via Live-Streaming statt.
Zur Person: Donka Angatscheva
Die österreichische Konzertpianistin mit bulgarischen Wurzeln erhielt ihr Masterdiplom an der Universität für Musik Wien, wo sie bei Professor Heinz Medjimorec studierte. Anschließend setzte sie ihr Studium am Queen Elisabeth College of Music, Brüssel, beim Artemis Quartett fort. Sie ist Preisträgerin zahlreicher Wettbewerbe. Ihre Technik wurde schon als Kind durch die disziplinierte „Lisztschule“ ihrer russischen Klavierlehrerin geprägt. Bereits mit fünf Jahren spielte sie öffentliche Konzerte; ihr erstes Konzert als Solistin mit dem Bulgarischen Symphonie Orchester absolvierte sie im Alter von zehn Jahren. Die im Jahr 2013 aufgenommene Mozart/Sarasate CD bekommt den "Pizzicato" Award. Im Jahr 2014 erscheint bei der Plattenfirma ARS ihre nächste Aufnahme "Piano concertos" mit Werken von Rota, Addinsell und einer Ersteinspielung von Werken Piazzollas für Klavier und Orchester. Diese Aufnahme wird unter anderem von der BBC als ,,größte Überraschung des Jahres" bezeichnet. Donka Angatscheva wird oft als Jurymitglied zu internationalen Wettbewerben eingeladen. Sie leitet Klavier Masterkurse in Österreich, Spanien, Ecuador und in der Schweiz. Donka Angatscheva arbeitet u.a. als Dozentin am Vienna Conservatory und lebt in Wien.
Karin Drechsel: „Endlich eine andere Mädchengeschichte“
Sie ist mitunter naiv, bedingt mutig und weiß oft nicht weiter. In „Siri und die Eismeerpiraten“ entdeckt die Titelfigur langsam ihre Durchsetzungskraft. „Endlich eine andere Mädchengeschichte“, findet Regisseurin Karin Drechsel. Und ein Vorbild in beunruhigender Realität. Weiterlesen...