„Wir haben alle einen Handwerksberuf!“ So steigt Josef E. Köpplinger in das Interview ein, das sich schnell als Gespräch entpuppt und bei dem die freie Assoziation eine nicht unwesentliche Rolle spielt. 

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Ort der kunstsinnigen ­Konversation ist sein Büro im frisch renovierten Staatstheater am Gärtnerplatz, das er seit neun Jahren leitet. Fünf davon wurde es umgebaut, eineinhalb Jahre setzte dem Traditionshaus die Pandemie zu. Der Chef ist es also gewöhnt, mit schwierigen Situationen umzugehen. Dass es ihm dabei hilfreich ist, seine Profession auch gelernt zu haben, glaubt man gerne.

Der im niederösterreichischen Hainburg an der Donau geborene Theatermensch studierte an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien mit Schwerpunkt Klavier und Gesang. Kurz vor Ende seines Studiums wurde er von Marietheres List an die Städtischen Bühnen Regensburg engagiert, „als Regisseur, Assistent, Inspizient, Sänger und Schauspieler. So konnte ich im Alter von 23 Jahren meine erste Inszenierung machen und diverse Partien singen und spielen. Ich habe dadurch einen Rundum-Einblick in das gelebte Theaterhandwerk gewonnen.“ Dass er heute als Intendant ein großes Haus leitet, ist beinahe logisch. 

Schwellenängste abbauen

Denn Josef E. Köpplinger ist als Regisseur in sämtlichen Genres firm. Ob er Sprechtheater, Oper, Operette oder Musical inszeniert, ist fast nebensächlich. Viel wichtiger ist, dass er sich nicht nur mit den Stücken auseinandersetzt, Texte seziert und bis auf den Kern abklopft, sondern auch die Entstehungszeit der jeweiligen Werke in den großen Kontext miteinbezieht, aus dem er dann inszenatorisch schöpft. Oder anders ausgedrückt: Er nimmt Autoren und Komponisten ernst. „Ich glaube, das Theater muss bis zu einem gewissen Grad eitel sein, aber die Eitelkeit darf nie größer sein als die Begabung, denn dann wird es peinlich“, erklärt er seinen Ansatz. „Mir ist es besonders wichtig, Schwellenängste abzubauen, zumal just ein Volks-Opernhaus wie auch das unsere für alle Publikumsschichten – ob jung, ob alt – offen sein muss. Das impliziert für mich, dass niemand eine Vorbereitung braucht, um in eine Aufführung zu gehen, denn dort werden Seele und Verstand gebildet.“ 

Wunderbare Symbiosen

Das ist ihm in München gelungen, das Theater am Gärtnerplatz hat sich nicht nur als Uraufführungshaus einen Namen gemacht, sondern auch die Operette wieder etabliert. „In ihrer ganzen Absurdität, von konventionell bis völlig schräg. Wir haben gezeigt, dass E und U keine Kontrahenten sein müssen, sondern eine wunderbare Symbiose ergeben können. Wir sind ein Staatstheater und daher ver­pflichtet, höchstmögliche Qualität zu liefern. Nur darum geht es.

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Wenn ich ‚Aida‘ ansetze, muss auch ‚Aida‘ drinnen sein. Ich geniere mich auch nicht, in manchen Dingen konventionell zu sein, denn eine moderne Kleidung macht noch kein modernes Theater.“ Auch die Frage nach dem Publikum stelle er sich schon lange nicht mehr. „Wenn ich über den Viktualienmarkt nach Hause gehe und die Hendl-Frau sagt: ‚Mein Gott, war das gestern im Theater schön‘, freut es mich. Weil mich das Klassendenken, das es in der Kultur noch immer gibt und das eine gewisse elitäre Besucherschicht verlangt, so aufregt.“ 

Immer wieder Wien

„Einmal im Jahr erlaube ich es mir, auch außerhalb des eigenen Hauses zu inszenieren“, kommt Josef E. Köpplinger auf seine aktuelle Arbeit an der Volksoper zu sprechen. Im Haus am Gürtel hat er schon sieben Stücke auf die Bühne gebracht, Ende Oktober folgt der achte Streich: Richard Strauss’ „Der Rosenkavalier“, der – warum, weiß niemand so recht – noch nie in der Volksoper gezeigt wurde. 

Es ist dies eine Kooperation mit dem Theater Bonn, wo die beim Publikum überaus beliebte Oper bereits lief. „Meine Nabelschnüre liegen auf den Stehplätzen der Wiener Theater. Seit ich denken kann, bin ich mit dem Nachtzug nach Wien gefahren. An der Volksoper habe ich Suppès ‚Boccaccio‘ in der Inszenierung von Torsten Fischer gesehen. Das war für mich eine Offen­barung. Plötzlich war Operette dynamisch, spannend und anders“, ergeht er sich noch heute in Lobeshymnen. 

Eros und Thanatos

„Es gibt Schwarz-Weiß-Filmdokumente, in denen Richard Strauss seine Oper dirigiert, mit zügigen Tempi, flott und leicht, das Orchester zurückgenommen zugunsten der Wortdeutlichkeit der Sänger, und – ganz besonders beeindruckend – die nicht larmoyante Interpretation des Monologs der Feldmarschallin“, schwärmt Köpplinger. „Der Rosenkavalier ist eine veritable, unglaublich witzige Komödie, aber natürlich geht es auch um Vergänglichkeit, was sich durch die wunderbaren Vanitas-Bühnenbilder von Johannes Leiacker darstellt. Wie in ‚Ariadne auf Naxos‘ geht es auch im ‚Rosenkavalier‘ um die zwei Grundthemen Eros und Thanatos. Wir spielen in der Zeit des Entstehungsjahrs um 1911. ‚Der Rosenkavalier‘ wurde mir im Laufe der Jahre schon öfter angeboten, aber es ging sich zeitlich nie aus. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit mit Dirigent Hans Graf. Es ist eine große Ehre und Freude, aber gleichzeitig auch mit Respekt verbunden, 53 Jahre nach der letzten Wiener Premiere in dieser Stadt eine Neuinszenierung zu machen.“ 

Foto: Thomas Dashuber

Zur Person: Josef E. Köpplinger

Der gebürtige Nieder­österreicher leitet seit neun Jahren das Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Sein Regie-­Repertoire umfasst Oper, Schauspiel, Operette und Musical. 

Zum Spielplan der Wiener Volksoper