„Na gut, dann speibst du eben.“ Diese Worte sprach Mama Bartl, als Robert Joseph im Alter von vier Jahren den heiligen Josef in einer Weihnachtsaufführung im Kindergarten spielen sollte. Die Aufregung hatte bereits im Vorfeld allmorgendlich seine Antiperistaltik dermaßen angeregt, dass die Mutter fand, er solle zur Schwester Ilse gehen und ihr mitteilen, dass er den Josef aufgeben und doch lieber ein Schaf spielen wolle.

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Der talentierte Robert Joseph Bartl
Robert Joseph Bartl

Foto: David Payr

„Ich habe meiner Mama gesagt, dass ich dann nie wieder ein Wort mit ihr reden werde, wenn sie darauf besteht.“ Antwort siehe oben. Später, im Benediktiner-Internat Ettal, war er kurz in Versuchung, Geistlicher zu werden, was auch der Abt gern gesehen hätte. „Ich bin ein barocker Mensch, und mir hat das schon gefallen. Aber ich wollte dann doch nicht mit lauter schwarz gekleideten Männern eingesperrt sein“, amüsiert ihn sein einstiges Begehr heute.

Zur Person: Robert Joseph Bartl

Geboren in Garmisch-Partenkirchen, studierte er Schau- spiel am Max Reinhardt Seminar in Wien, spielte u. a. im Schauspiel Frankfurt, bei den Wiener Festwochen und bei Dieter Dorn im Münchner Residenztheater, ehe er freischaffend arbeitete. Seit 2014 gibt er im Münchner „Tatort“ den Gerichtsmediziner und Opernliebhaber Mathias Steinbrecher. Mit der Spielzeit 2019/20 holte ihn Herbert Föttinger in das Ensemble des Theaters in der Josefstadt. Sein nächster Auftritt: „Was ihr wollt“.

Ettal lag allerdings auch nur fünf Kilometer von Oberammergau entfernt, wo alle zehn Jahre die berühmten Passionsspiele stattfinden. „Es gibt in dieser Gegend außerdem eine große Bauerntheatertradition; auch das Schultheater in Ettal, das sogar über eine Unterbühne verfügt, hatte einen entsprechenden Stellenwert. Zu meiner Zeit war noch alles sehr konservativ, wir durften nur einmal die Woche Jeans tragen, in die eine Falte gebügelt wurde. Eines der vielen Gesetze war auch, dass man in der fünften Klasse Theater gespielt haben musste.“

Damit war Robert Joseph Bartl in seinem Element angekommen. Schon im Alter von siebzehn Jahren realisierte er, gemeinsam mit Regisseur Christian Stückl, das Mysterienspiel „Totentanz“. „Ich habe immer gespielt, aber mein ganzes Umfeld war so bürgerlich, dass ich dachte, ich kann kein Schauspieler werden.“ Also ging er nach dem Abitur für ein Jahr nach Perugia, um dort Italienisch zu lernen, und meldete sich danach, heimlich, doch für die Aufnahmeprüfung an der Otto Falckenberg Schule an.

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„Dort kam ich in die Endrunde und war deshalb so selbstbewusst, dass ich dachte, jetzt habe ich es geschafft. Aber dann mussten wir rhythmisch klatschen und dazu Turnübungen machen – und plötzlich war Schluss in der Endrunde.“ Also studierte er Germanistik, arbeitete daneben sehr erfolgreich „bei einem berühmten depressiven Antiquar, wo ich älteren Damen teure Stiche verkauft habe“, und spielte beim Münchner Sommertheater im Englischen Garten – wo ihn Birgit Doll sah und ihm das Max Reinhardt Seminar empfahl.

Der talentierte Robert Joseph Bartl
„Rechnitz riede Jelineks wortgewaltiger Vergangenheitsbewältigung wird Robert Joseph Bartl als Jäger zum Opfer und als populistischer Politiker zum Täter.

Foto: Philine Hofmann

„Ich bin nach Wien gefahren, und als die Sonne hinter Schönbrunn unterging, dachte ich, lieber Gott, bitte, lass mich bitte nie wieder weg von hier. Es hat dann auch mit der Aufnahmeprüfung geklappt, und ich habe 1996 Schauspiel zu studieren begonnen.“ Bei Klaus Maria Brandauer, Nikolaus Windisch-Spoerk, Samy Molcho und anderen namhaften Vertretern darstellender Kunst.

Bei Anruf Josefstadt

Ab dann verlief alles reibungslos. Robert Joseph Bartl gewann am Ende seiner Ausbildung den Max-Reinhardt-Preis und wurde sofort engagiert. „Ich wusste, ich brauchte nur eine Chance“, resümiert er heute, „ich habe nie daran gezweifelt, dass ich das kann, es musste einfach raus“, erinnert er sich an Zeiten, in denen Schauspielschüler schlank und blond waren und zu Rippshirts Lederjacken trugen. Doch Birgit Doll hatte recht behalten: „In Wien nehmen sie Typen.“

Der talentierte Robert Joseph Bartl
„Der deutsche Mittagstisch“ Claus Peymann setzte Thomas Bernhards Dramolette in Szene. Ein Fest für Schauspieler wie Ulli Maier, Robert Joseph Bartl, Michael König und Traute Hoess

Foto: Philine Hofmann

Als die Sonne hinter Schönbrunn unterging, dachte ich, lieber Gott, bitte lass mich nie wieder weg von hier.

Robert Joseph Bartl, Schauspieler

2001 engagierte ihn Dieter Dorn, Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels, an das Residenztheater, wo er im klassischen und im modernen Repertoire glänzte; im Münchner Marstall spielte er in „Ich, Feuerbach“ fünfzigmal die Titelrolle. „Und als Dieter Dorn in Rente ging, bin auch ich mit in Rente gegangen und war danach freischaffend. Ab diesem Zeitpunkt ruhte mein Beruf auf drei Säulen: meinen musikalischen Projekten, also eigenen Programmen mit Lesungen, pro Jahr einem Sommerfestival und meiner Rolle des Gerichtsmediziners im ‚Tatort‘, die ich seit 2014 spiele.“

So hätte es weitergehen können, wäre nicht 2019 der Anruf einer Freundin erfolgt, die meinte, Herbert Föttinger baue in der Josefstadt das Männer-Ensemble um. Das hat Robert Joseph Bartl interessiert, „und weil ich das sportlich sehe, habe ich mich beworben.“ Zwar habe er nicht mehr recht gewusst, wie ein Vorsprechen ablaufe, genommen wurde er dennoch. „Jetzt bin ich da und merke, wie schön es ist, eine künstlerische Heimat zu haben.“

Er debütierte als Zangler in Nestroys „Einen Jux will er sich machen“, spielt in Claus Peymanns Inszenierung von Thomas Bernhards „Der deutsche Mittagstisch“ und ist aktuell als Jäger/ Politiker in Elfriede Jelineks „Rechnitz (Der Würgeengel)“ ein intensives Erlebnis. Als Nächstes steht für ihn Sir Toby in Shakespeares „Was ihr wollt“ – Regie: Torsten Fischer – auf dem Programm. Wie er ihn anlegen wird, stand zum Zeitpunkt des Interviews noch nicht fest.

Der talentierte Robert Joseph Bartl
„Einen Jux will er sich machen“ an der Josefstadt.

Foto: Rita Newman

In einem Atemzug mit Qualtinger

Für seine Kunst in „Rechnitz“ verglich ihn ein Kritiker mit Helmut Qualtinger. Ehrt ihn das? „In meiner ersten Kritik in Frankfurt stand, ich sei eine Mischung aus Ottfried Fischer, Samson aus der ‚Sesamstraße‘ und Hellmuth Karasek. Das hat mich geärgert, bis mir jemand gesagt hat, wie toll es sei, als Neuankömmling überhaupt verglichen zu werden. Jetzt bin ich kein Neuankömmling mehr – aber in Wien mit Qualtinger verglichen zu werden ist großartig, schön, toll!“ Stimmt. Auch für Herrn Qualtinger.

Zu den Spielterminen „Was ihr wollt“ im Theater in der Josefstadt!