Jasper Engelhardt: Herz, Hirn und Haltung
Er lebt vegan, fährt mit dem Zug und macht sich nicht zum Konsumkasperl. Lustig hat er es trotzdem. Sein Idealismus ist ansteckend, seine Schauspielkunst voller Energie. Aktuell erlebt Jasper Engelhardt im Theater der Jugend „Supergute Tage“.
Die Lage ist ernst. Der Treffpunkt ungewöhnlich. Zehntausende vorwiegend junge Menschen haben sich auf der Ringstraße zur „Fridays for Future“- Demo zusammengefunden, um einmal mehr lautstark effizienten Klimaschutz einzufordern. Jasper Engelhardt ist einer von ihnen. „Klimapolitik = Friedenspolitik“ steht auf seinem selbst gemalten Plakat. Leben und auf meinen Freundeskreis.
Später im Interview erzählt der Schauspieler, dass
er sich seit etwa zwei Jahren zum Anwalt von Mutter Erde und ihren Bewohner*innen macht. Davor habe er in Zürich einer eher unpolitischen Clique angehört und bald gemerkt, „dass es langweilig ist, nur um sich selbst zu kreisen“. Der Umzug nach Berlin und davor ein Studienaufenthalt in New York, wo er das Stella Adler Studio of Acting besuchte, haben in ihm viel ausgelöst. „Ich habe gemerkt, dass unsere Zeit politisch ist, dass auch das Private politisch ist. Das hatte Auswirkungen auf mein Leben und auf meinen Freundeskreis. Die Leute um mich herum haben mich dazu gebracht, viele Dinge zu hinterfragen.“ Seitdem ernährt er sich vegan, fliegt nicht mehr, versucht, möglichst wenig zu konsumieren, Kleidung aus zweiter Hand zu kaufen, hat sein Konto bei einer Bank, die in Klimaschutzprojekte investiert, und einen Handyanbieter, der mit Gewinnen Solarpanels produziert.
„Es geht darum, die Gesellschaft und die Wirtschaft so umzustrukturieren, dass wir unseren Planeten - unsere Lebensgrundlage - in den nächsten 50 Jahren nicht zerstören, sondern eine lebenswerte Welt für alle Generationen, die nach uns kommen, erhalten“, erklärt er. „Und das gelingt nur, indem man den CO2-Anteil in der Luft gering hält, weil CO2 dazu führt, dass die Temperatur steigt. “ Dadurch würden langfristig wiederum die Polkappen abschmelzen und die Permafrostböden auftauen. „So gibt es mehr Klimakatastrophen wie Stürme, Brände, Überschwemmungen und Trockenheit, was Millionen Menschen das Leben kostet.“
Nun seien die großen Konzerne und die Industriebetriebe in der Pflicht, denn der private Bereich sei letztendlich nur ein kleiner Hebel. Und noch ein Fakt: „Ein Prozent der reichsten Menschen auf der Welt verursacht laut Oxfam doppelt so viel CO2-Emissionen wie 50 Prozent der ärmsten. Wir können uns die Superreichen einfach nicht mehr leisten.
Moral und Akrobatik
Jasper Engelhardt ist klar und präzise in seiner Analyse. Eine Eigenschaft, die ihn mit jener Rolle, die er seit Ende April im Theater der Jugend spielt, verbindet. „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ basiert auf dem Roman von Mark Haddon und wurde von Simon Stephens erfolgreich für die Bühne adaptiert. Jasper verkörpert den Titelhelden, einen autistischen Jungen, der verdächtigt wird, den Hund der Nachbarn getötet zu haben. „Neben dem Porträt eines autistischen Menschen und nebst der Krimihandlung ist es auch eine Coming-of-Age-Geschichte rund um die Trennung der Eltern. Ich habe versucht, mich in der Vorbereitung stark mit Autismus auseinanderzusetzen, habe viele Erfahrungsberichte gelesen, aber auch ein Praktikum in einer Schule für autistische Kinder in Berlin gemacht.“
Der von ihm dargestellte Christopher besteche durch Intelligenz und Genauigkeit im Denken. „Für ihn spielt Moral eine sehr große Rolle. Ein Hund wurde umgebracht, er aber macht keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier, für ihn wurde einfach ein Lebewesen ermordet, also muss man herausfinden, wer das getan hat, damit man ihn bestrafen kann.“ Es sei ihm ein Anliegen, diese Figur so wenig klischeehaft wie möglich auf die Bühne zu bringen. Ein Anspruch, der ihn mit Carmen Schwarz, der ebenfalls jungen Regisseurin, verbinde. „Auch sie hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, auf dieser Ebene treffen wir einander sehr gut. Wir würden uns beide als politische Menschen bezeichnen, wir nehmen beide das Thema, wie man eine Minderheit repräsentiert, wichtig und ernst.“
Die Glücksmomente bestehen vor allem darin, Rollen zu bekommen.
Jasper Engelhardt, Schauspieler
Wiewohl Jasper Engelhardts Berufsverständnis durchaus philosophische Ansätze birgt, bezeichnet er sich als „Körperschauspieler“. Er macht viel Sport, schätzte an der Zürcher Hochschule der Künste nicht zuletzt auch die akrobatischen und tänzerischen Ansätze und wollte in seiner Jugend sogar Stuntman werden. „Es ist sicher auch Typsache, aber viele Schauspieler*innen, die ich mag, haben beinahe schon extrem sportliche Aspekte“, erzählt er amüsiert. „Adam Driver war bei den Marines, Lars Eidinger beinahe Tennisprofi. Das scheint für mich also wichtig zu sein. Ebenso bedeutsam finde ich aber auch die Bereitschaft, den Körper für eine Rolle zu ändern.“ Er selber habe für einen Film einmal 17 Kilo zugenommen. „Und aktuell mache ich seit Wochen gar keinen Sport, denn ich verstehe Christopher als einen 15-jährigen Jungen, für den Sport keine große Rolle spielt. Er ist ein Kopfmensch, also passe ich mich körperlich an – obwohl ich große Lust auf Bewegung hätte.“
Studium statt Leerlauf
Als Schauspieler müsse man mit ständiger Ablehnung leben. „Castings, Bewerbungen, Vorsprechen, von denen die meisten nicht klappen.“ Deshalb bestünden die Glücksmomente vor allem darin, Rollen zu bekommen. Und auch wenn er noch nicht in der Position sei, sich Charaktere aussuchen zu können, weiß Jasper Engelhardt, was er nicht will: „Ich habe noch nie Daily Soaps gedreht und mache auch keine Vorabend-Krimis mehr. Denn es gibt Formate, in denen kann man einfach nicht gut sein.“ Lieber studiert er parallel zur Schauspielkarriere Geschichte und Sozialwissenschaften. „Wenn ich dann bei einem Casting die Rolle nicht bekomme, heißt das nicht, dass ich ein halbes Jahr arbeitslos bin, sondern dass ich mich konzentriert mit sehr interessanten Inhalten auseinandersetzen kann.“ Wie simpel. Wie klug.