Muss man Katzen mögen, um in Cats zu spielen?

Dominik Hees: Katzenliebe ist kein Muss, um dabei sein zu dürfen. Wichtig ist jedoch, dass man die Lust und das Interesse daran hat, Katzen zu beobachten und zu studieren. Ein großer Teil der Proben für unser Musical sind Improvisationsspiele in der Gruppe. Diese beginnen meist mit einem Katzenkreis, wobei sich eine Katze in der Mitte befindet und anfängt, mit den anderen Vierbeinern zu interagieren. Man schnuppert und fühlt und rollt sich gemeinsam auf dem Boden. Dann üben wir, wie Katzen sitzen, schauen, hören, riechen, schmecken, sich fortbewegen. So entwickelte jede Darstellerin und jeder Darsteller seinen eigenen Charakter.

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Ich hatte auch mal eine Katze. Sie hieß Hotzenplotz und war pechschwarz. Leider ist sie im hohen Alter nicht mehr ganz sicher auf den Beinen gewesen, bei einem Besuch auf dem Balkon aus dem ersten Stock gestürzt und war sofort tot. Ich habe sie sehr geliebt.

Rum Tum Tugger hat tausend Facetten

Widerborstig, sehr selbstbewusst und unabhängig. Das sind Zuschreibungen, die man Rum Tum Tugger meist gibt. Wie würden Sie ihn charakterisieren?

Dominik Hees: Das beschreibt ihn schon teilweise ganz gut. Der Rum Tum Tugger hat für mich tausend Facetten. Er ist jedenfalls nicht in eine Schublade zu stecken. Und er kann sehr widersprüchlich sein, in einem Moment verschmust, im anderen Moment ein Biest. Er tut das, was man nicht von ihm erwartet und seine Stimmung kann sich mit einem Wimpernschlag ändern. Er ist Rock Star, Pop-Ikone und Soullegende in einem. Rum Tum Tugger flirtet mit Jung und Alt, Männlein und Weiblein, ist der Anführer und Einzelgänger zugleich. Er ist egoistisch und doch aufopfernd, ein sexy Clown, der den Schalk im Nacken hat.

Im ersten Akt fühlt er sich auch anders an als im zweiten. Toll finde ich, dass er Mr. Mistoffelees vorstellt, welcher den Katzenvater Alt-Deuteronimus mit seinen Zauberkräften aus den bösen Fängen Macavitys befreit. Wie man sieht: Ohne den Rum Tum Tugger gäbs’ auch kein Happy End!

Ich mische Mick Jagger mit Michael Jackson, Freddy Mercury, Steve Wonder und John Legend."

Dominik Hees
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Angeblich hat Andrew Lloyd Webber in der Charakterisierung an Mick Jagger gedacht. Welcher Rockstar inspiriert Sie für die Rolle?

Dominik Hees: Ja, genau so möchte ihn auch Regisseur Trevor Nunn sehen. Ich mische Mick Jagger mit Michael Jackson, Freddy Mercury, Steve Wonder und John Legend. Von jedem etwas, das passt ganz gut.

Er ist auch ein ziemlicher Womanizer. Können Sie sich damit identifizieren?

Dominik Hees: Na klar. Ich flirte für mein Leben gern. Am allerliebsten natürlich mit meiner Frau. Sagen wir so, das hat schon ziemlich nachgelassen in den letzten Jahren, umso mehr setze ich meine gesamte Flirtpower auf der Bühne ein.

Musical-Welterfolg Cats

Cats gilt als erfolgreichstes Musical der Welt. Was macht es für Sie als Professionisten so besonders. Warum überstrahlt es viele andere Stücke?

Dominik Hees: Cats war Anfang der 80er-Jahre ein Meilenstein im Genre Musical. Es hat, vergleichbar mit Apple im Mobiltelefonbereich oder Tesla in der Automobilindustrie, den Musicalmarkt erschüttert, nie Dagewesenes gewagt. Die meisten Produzenten weigerten sich damals, ein Musical über Katzen, welches in Gedichtform erzählt wird und keine Handlung im klassischen Sinne hat, zu finanzieren. Viele hielten es für eine schwachsinnige Idee, und im englischen Fernsehen machte man im Vorfeld sogar Witze darüber.

Was dann daraus entstand, die Musik, die Choreographie, das Bühnenbild, sowie Maske und Kostüme, war genial, hob sich von allem Herkömmlichen ab und wurde somit zum aufregenden Welterfolg. Bis heute hält sich die Neugier des Publikums für dieses mysteriöse Stück Musicalgeschichte, und für viele Fans ist es mittlerweile zum Kult geworden. Dazu kommen die hervorragende Vermarktung, der Look, das Logo und nicht zuletzt „Memory“, die wohl eingängigste und schönste Musicalmelodie aller Zeiten.

Die Verantwortung für das Tempo und den Ton der gesamten Show zu tragen, und das achtmal die Woche, empfand ich als Prüfung. Das Laufen auf High Heels war im Gegensatz dazu eine leichte Aufgabe."

Dominik Hees
Der gebürtige Kölner zählt zu den meistbeschäftigten Musicaldarstellern im deutschsprachigen Raum. Zu seinen größten Erfolgen zählen „Das Wunder von Bern“, „Cabaret“, „Kinky Boots“ – und „Cats“.

Foto: Sandra Kosel

Die Rollen in „Cats“ sind physisch anstrengend. Wie halten Sie sich körperlich fit?

Dominik Hees: Wir haben täglich Trainings mit dem gesamten Ensemble, in denen wir unseren Körper spezifisch auf die Show vorbereiten. Außerdem fahre ich gerne Rennrad, bin generell gerne an der frischen Luft. Fitnessstudios besuche ich selten, und meistens nur der Sauna wegen. Meine (besonders die männlichen) Kolleg:innen sind fast täglich in der Muckibude. Während des Lockdowns hat unsere künstlerische Leitung Trainings über Zoom angeboten. Das macht natürlich nur halb so viel Spaß, als live in der Gruppe, aber immerhin waren wir übers Netz verbunden und konnten so gemeinsam schwitzen.

Was ist herausfordernder, auf Samtpfoten oder auf High Heels, wie in „Kinky Boots“?

Dominik Hees: Rein körperlich sicher die Show auf Samtpfoten. Da gehen wir in einigen Sequenzen schon an unsere Grenzen, wobei ich betonen möchte, dass die Rolle des Rum Tum Tuggers sehr dankbar inszeniert ist. Einige Tänzer*innen aus unserem Ensemble haben deutlich anstrengendere Parts und werden dafür von mir sehr bewundert. Der Rum Tum Tugger wiederum muss natürlich solistische Gesangsfähigkeiten mitbringen und jede Menge Charisma.

Die Rolle des Charlie Price in Kinky Boots war auf eine andere Art sehr herausfordernd. Viele temporeiche und oft emotionale Sprechszenen und auch gesanglich eine große Herausforderung. Gleichzeitig die Verantwortung für das Tempo und den Ton der gesamten Show zu tragen, und das achtmal die Woche, empfand ich als Prüfung. Das Laufen auf High Heels war im Gegensatz dazu eine leichte Aufgabe.

Musical als „triple threat"

Musical ist Schauspiel, Gesang und Tanz, also ein großes Gesamtpaket. Wie schafft man es, in allen Disziplinen auf gleich hohem Niveau zu sein (und zu bleiben)?

Dominik Hees: Die sogenannten „triple threats“, also Darsteller:innen, die alle drei Disziplinen gleichstark beherrschen, sind sicherlich sehr beneidenswert. Oft steckt jahrelange, harte Ausbildung dahinter, und diese Performer sind demnach vielseitig einsetzbar, erhöhen damit auch ihre Chancen auf Jobs auf diesem hart umkämpften Arbeitsmarkt.

Jedes Musical und jede Rolle haben jedoch unterschiedliche Anforderungen. Manchmal braucht es eben eine ganz spezifische Fähigkeit, um die perfekte Besetzung zu sein. Im Musical „Wunder von Bern“ wurden beispielsweise zwei Fußballartisten benötigt. Akrobat:innen werden oft gesucht, aber auch Menschen, die einem ganz bestimmten Aussehen entsprechen. Besetzung ist eben auch oft Typ- und Geschmacksache, und nicht immer bekommt die oder der Talentierteste die Traumrolle.

Hoher Stellenwert von Kultur in Wien

Es heißt immer, das Musical-Publikum in Wien verehre seine Stars ganz besonders. Ist das aus Ihrer Perspektive tatsächlich so – und falls ja, wie äußert sich das?

Dominik Hees: Ja, das trifft sicherlich zu. Generell kann man einen spürbaren Unterschied zwischen Wien und den deutschen Großstädten ausmachen, wenn es darum geht, wie sehr wir als Schauspieler:innen und Musicalsänger:innen geschätzt werden. Das trifft auf die Zuschauer:innen zu, aber gleichermaßen auch auf die Presse und zieht sich in viele Lebensbereiche.

Sogar bei der Wohnungssuche spielt dies eine Rolle. In Hamburg habe ich meinen potenziellen Vermieter:innen so gut es ging verschwiegen, welchen Beruf ich im Theater ausübe. Dort bekommt man dann eventuell die Frage gestellt, was man denn neben dem Musical hauptberuflich macht. Hier in Wien ist das anders. Hier war ich stolz in der Bewerbung zu schreiben: „Ich bin einer der Hauptdarsteller von Cats“. Die Menschen hier nehmen dies mit großer Neugier und Bewunderung auf. Kultur hat einen hohen Stellenwert in Wien. Ich finde es auch ganz großartig, dass in der abendlichen ZIB 1 oft ein kultureller Beitrag am Ende gesendet wird. Das fühlt sich echt gut an.

Können Sie sich privat frei in Wien bewegen oder werden Sie oft erkannt und angesprochen?

Dominik Hees: Ich habe meine feste Bodyguard-Crew immer bei mir. Das sind ganz schwere Jungs, die mich vor den Scharen an Groupies beschützen … Spaß beiseite! Ich wurde einmal in einem Burger-Restaurant nach einem Autogramm gefragt und bei der Anmeldung eines Nachsendeauftrags kannte die Mitarbeiterin der Post bereits meinen sowie den Namen meiner Frau. Das war erstaunlich. Ansonsten blieb es bis jetzt ziemlich ruhig.

Konzentrierte Probenzeit für Cats

Haben Sie die Möglichkeit, neben Ihrer eigenen Tätigkeit etwas vom Kulturleben in Wien mitzubekommen? Woran haben Sie im Speziellen Interesse?

Dominik Hees: Ich gehe sehr gerne selbst ins Theater. Ich muss allerdings gestehen, dass ich in den vergangenen eineinhalb Jahren bloß dreimal dazu gekommen bin. Einmal schauten wir „Werther“ in der Staatsoper, einmal genossen wir einen musikalischen Monolog, „Novecento“, unseres Freundes und Kollegen Thomas Borchert im Metropol, und im Sommer besuchten wir Bad Hersfeld in Deutschland. Dort lief eine coronakonforme Inszenierung Gil Mehmerts von „The last five years“. Prinzipiell ist es sehr schwierig für uns, in den Genuss eines Theater- oder Kinoabends zu kommen, da wir bei Cats selbst sechs, manchmal sieben oder gar acht Mal in der Woche auf der Bühne stehen. Zwischen zwei Engagements reise ich dann umso mehr umher, besuche Kolleg:innen in verschiedenen Städten und schaue mir ihre Arbeit an.

Sie spielen Klavier, Schlagzeug, Gitarre, Bass, sind also Vollblutmusiker. Bleibt noch Zeit für eigene Projekte?

Dominik Hees: Mittlerweile leider kaum noch. In den vergangenen Jahren hat sich bei mir auf dem Feld eine gewisse Müdigkeit eingestellt, die vor allem damit zusammenhängt, dass es im Theater oft laut, hektisch und energieaufgeladen zugeht. Proben fordern sehr viel Konzentration, und ich merke, wie ich in solchen Zeiten zu kaum etwas anderem komme, da ich so absorbiert bin.

Zuhause brauche ich zunehmend einfach Ruhe. Auch Musik aus der Anlage läuft bei uns in den seltensten Fällen. Vielleicht mal Bossa Nova zum Candlelight-Dinner, das war es aber auch schon. Wirklich schade, denn, wenn ich an die Zeiten zurückdenke, in denen ich regelmäßig in Bands spielte, spüre ich eine Wehmut und Sehnsucht nach dem gemeinsamen Kreativsein und dem Verschmelzen mit der Musik. Wer weiß, vielleicht wird es dazu irgendwann einen Neustart geben.

Ich kann allgemein sehr selbstkritisch sein, und so verliere ich oft den Spaß oder das Vertrauen in die Dinge, die ich erschaffe. Also versuche ich, auf der Bühne im Moment zu sein und zwinge mich dazu, nicht zu analysieren, was ich tue, sondern möchte mich in das Gefühl fallenlassen, das ich erlebe."

Dominik Hees

Wird es bald auch originäre Musik von Ihnen geben? Ist eventuell ein Album in Planung?

Dominik Hees: Zumindest nicht in absehbarer Zeit. Ich habe in jüngeren Jahren gerne versucht zu komponieren, am Klavier und der Gitarre. Es sind sogar noch einige Schnipsel übrig geblieben. Ich konnte mich aber leider nie damit zufriedengeben, was aus meiner Feder entsprang. Daher scheute ich es, Lieder zu veröffentlichen. Ich kann allgemein sehr selbstkritisch sein, und so verliere ich oft den Spaß oder das Vertrauen in die Dinge, die ich erschaffe. Mir fällt es auch extrem schwer, Videoaufnahmen von mir selbst zu betrachten. Da bekomme ich gerne mal die Krise. Also versuche ich, auf der Bühne im Moment zu sein und zwinge mich dazu, nicht zu analysieren, was ich tue, sondern möchte mich in das Gefühl fallenlassen, das ich erlebe. Ich glaube, mein Perfektionismus ist Fluch und Segen zugleich. Beim Komponieren kommt er mir eher in die Quere.

Dominik Hees: „Singen, Spielen und Tanzen macht mich glücklich"

Neben Musical machen Sie auch klassisches Theater und Fernsehen. Sind das seltene Ausflüge oder muss man als Musicaldarsteller auch an eine physisch weniger anstrengende Zukunft denken?

Dominik Hees: Das sind wirklich eher Ausflüge. Das Film- und Fernsehgeschäft ist leider nur ganz schwer mit den Musicalproduktionen zu vereinbaren. Das musste ich immer wieder schmerzlich erfahren, denn ein paar spannende Anfragen gab es in den Jahren schon.

Die Musicalplanung findet meist weit in der Zukunft statt, manchmal bis zu zwei Jahre im Voraus. Das Fernsehgeschäft ist dagegen eher spontan. Da bekommt man im Januar Zeitanfragen für März. Und um dann sicher verfügbar zu sein, müsste ich mich einmal komplett vom Musical lösen und das Risiko eingehen, vielleicht gar nicht zu arbeiten. Dazu habe ich mich aber bisher nicht durchgerungen, da mir die Musicalbühne in gewisser Weise zum Zuhause geworden ist. Mein Beruf erfüllt mich immer noch sehr. Das gleichzeitige Singen, Spielen und Tanzen macht mich glücklich, und momentan denke ich auch noch nicht ans Aufhören. Ob die Zukunft eine Veränderung mit sich bringen wird, bleibt spannend und für mich unvorhersehbar.

Ich habe gelesen, dass Sie sich vegan ernähren. Aus welchem Grund?

Dominik Hees: Vor einigen Jahren noch habe ich zwei bis drei Mal täglich Fleisch oder Fisch gegessen. Am Morgen den leckeren Prosciutto, am Mittag das Chicken-Curry vom Thailänder und abends einen saftigen Burger nach der Show. Ich gestehe, ich habe Fleisch als Produkt, völlig entkoppelt von lebenden Tieren, wahrgenommen. Dann lernte ich meine (damals vegetarisch lebende) Frau kennen und fing an, meinen Konsum zu hinterfragen.

Da wir es lieben, gemeinsam zu kochen, wurde die Zubereitung von Fleisch und Fisch immer seltener, bis ich schließlich den Versuch startete, einen Monat komplett zu verzichten. Erstaunlicherweise fühlte ich mich nach diesem Monat so gut, dass ich die vegetarische Ernährung fortsetzte. Ich hatte fortan weniger Sodbrennen, Kopfschmerzen, bessere Verdauung und fühlte mich vitaler als zuvor. Gleichzeitig war ich stolz darauf, dass meinetwegen weniger Tiere (unzumutbar) gehalten und getötet werden mussten.

Ich der festen Überzeugung, dass wir Menschen auf jegliche tierischen Produkte verzichten können und mit einer vollwertigen, pflanzenbasierten Ernährung gesund und glücklich alt werden können."

Dominik Hees

Dann begannen wir, tief einzutauchen in die ernährungsphysiologischen Zusammenhänge und die Auswirkungen auf die Umwelt und ließen unsere Ernährung dahingehend immer tierloser werden. Der Verzicht auf Käse fällt mir nicht leicht. Da muss ich mich wirklich manchmal zusammenreißen. Jedoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir Menschen auf jegliche tierischen Produkte verzichten können und mit einer vollwertigen, pflanzenbasierten Ernährung gesund und glücklich alt werden können. Ich supplementiere Vitamin B12 und D3 in Form eines Tropfens am Morgen, sowie Omega-3-Fettsäuren aus Algenöl. Dies würde ich jedoch auch jedem*r Omnivore empfehlen, da durch die gesamte Gesellschaft hindurch ein Mangel an diesen Mikronährstoffen herrscht.

Was wünschen Sie sich für die nähere Zukunft. Haben Sie zum Beispiel eine Wunschrolle auf Ihrer Agenda?

Dominik Hees: Sollte ich das Glück haben, in der Zukunft weiterhin so erfüllende Rollen wie bisher ergattern zu können, wäre ich bereits mehr als zufrieden. Käme morgen früh eine Fee an meinem Bettchen vorbeigeflogen und ich hätte drei Rollenwünsche frei, stünden der Conférencier in „Cabaret“, Graf von Krolock in „Tanz der Vampire“ und Aaron Burr in „Hamilton“ auf der Liste.

Cats im Wiener Raimund Theater