Alle Kulturbetriebe haben ­wieder durchgehend geöffnet. Was löst das in Ihnen aus?

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Die Hoffnung, dass das auch so bleibt! Wer sich entscheidet, im kulturellen Feld zu arbeiten, stellt sich a priori auf ein hohes Maß an Flexibilität ein. Das, was man an Flexibilität und Überlebenskunst in den vergangenen 18 Monaten gebraucht hat, bringt aber alle Betriebe und Einzelkämpfer in der Kultur an ihre Grenzen.

Ein Jahr lang haben wir gehört, Kultur sei lebensnotwendig. Heißt das, wir starten nun alle in ein neues Dasein?

Vielleicht starten wir mit einem neuen – oder wiedererwachten – Bewusstsein, einem breiten Konsens über die Wichtigkeit von Kultur. Etwas Besseres könnte uns nicht passieren, denn ich hatte in den letzten Jahren den Eindruck, dass zunehmend eine gewisse Kulturfeindlichkeit Einzug hält. Ich halte Kultur im Übrigen auch für lebensnotwendig.

Manche sprechen sogar von einer Art Renaissance der Kultur. Ist das legitim?

Die Kultur war ja nicht weg, nur weil für einen gewissen Zeitraum der zugegebenermaßen wichtige Faktor der kulturellen Teilhabe durch eine größere Öffentlichkeit nicht gelebt werden konnte. Aber natürlich ist es ein Wiederaufblühen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens, das wir mit der Lockerung der Maßnahmen erleben.

Worauf haben Sie in diesem ­Zu­sammenhang am meisten Lust? Worauf freuen Sie sich besonders?

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Vieles kann man schon seit Mai ­wieder in Anspruch nehmen: den ersten Theater­besuch, die Kinovorstellung, die Ver­nissage und den Opernabend. Es ist ein sehr bewusstes Genießen und Konsumieren gewesen, und das wird es auch im Herbst sein. Wie nach einer Fastenkur, wo alle Sinne geschärft sind und die Aufnahmebereitschaft und die Dankbarkeit groß sind.

Man kennt Sie – neben vielen anderen Tätigkeiten – als ­Gründerin und langjährige Chefin der Vienna Design Week. Was hat Sie künstlerisch geprägt?

Ich glaube, wie bei allen ist eine Summe an Eindrücken, Erkenntnissen und Begegnungen prägend, aus der Reflexion darüber formt sich eine eigene Haltung und vielleicht auch eine künstlerische Position. Aber ich sehe mich selbst nicht als Künstlerin.

Wann war klar, dass Kunst und Design mehr für Sie darstellen als eine lebensqualitative Begleiterscheinung? Gab es eine Art Schlüsselerlebnis?

Kunst war für mich nie eine lebensqualitative Begleiterscheinung, sie war immer ein zentraler Teil meines Lebens und der Umgebung, in der ich aufgewachsen bin.

Auch für Sie beginnt ein neuer Abschnitt als MAK-­Direktorin. Erleben Sie das als Beginn oder als logische Konsequenz Ihres ­bis­herigen Handelns?

Die etwa 25 Jahre meines bisherigen beruflichen Schaffens waren geprägt von dem Willen, etwas beizutragen zu einer Entwicklung in Fragen des Designs und der Architektur, auf nationaler und internationaler Ebene – und das ist gerade im Rahmen der Vienna Design Week auch nachweislich gelungen. Insofern ist es für mich ein schlüssiger weiterer Schritt, nun mit einer Institution – und noch dazu einer so großartigen wie dem MAK – weitere Zeichen zu setzen.

Mit Lotte de Beer erwartet die Volksoper ebenfalls eine neue Direktorin. Wird der Kultur­betrieb insgesamt weiblicher?

Der Kulturbetrieb, gerade in organisatorischer Hinsicht, ist ohnedies sehr weiblich geprägt, und das schon sehr lange, einzig hat es sich in der Führungsebene selten widergespiegelt. Dass das nun geschieht, halte ich für richtig und wichtig.

Was bräuchte es, um noch mehr Frauen in führende Positionen zu bringen? Welche „Aufbruchs­anreize“ fallen Ihnen ein?

Ich wünsche mir, dass das MAK geliebt wird – von vielen, sehr unterschiedlichen Menschen."

Lilli Hollein

Es braucht einfach ein ähnliches Maß an Selbstvertrauen wie das, das offenbar auf dem Y-Chromosom angesiedelt ist – und zum Beispiel eine Staatssekretärin, die so entschlossen ist wie Andrea Mayer.

Sie haben selber Industriedesign studiert, sich später aber als Vermittlerin etabliert. Warum haben Sie sich gegen den gestalterischen Prozess entschieden?

Ich habe für mich erkannt, dass das, was mich antreibt, die Vermittlerrolle ist, die ich für kreativ, schöpferisch und äußerst erfüllend halte.

Ihre künftige Tätigkeit als Museumsdirektorin birgt vielfältige Herausforderungen. Welche ist die voraussichtlich spannendste?

Das Publikum weit über den ­physischen Besuch hinaus emotional an das Haus zu binden! Ich wünsche mir, dass das MAK geliebt wird – von vielen, sehr unterschiedlichen Menschen. Damit das gelingt, müssen auch einige andere Her­ausforderungen gemeistert werden, und ich freue mich, das mit dem Team des MAK zu schaffen. 

Zur Person: Lilli Hollein

Projektmanagerin und Kuratorin. 2007 gründete sie gemeinsam mit Tulga Beyerle und Thomas Geisler die Vienna Design Week, die sie ab 2013 allein leitete. 2021 wurde sie zur MAK-Direktorin bestellt. 

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