Flavourama: Salzburg im Streetdance-Fieber
Hip-Hop und House rütteln Salzburg Ende August aus dem allgemeinen Festspieltaumel. Seit 2009 gibt es das Streetdance Festival Flavourama bereits.
Zum 14. Mal geht in diesem Sommer das in Salzburg und Bad Gastein beheimatete, aber international agierende Streetdance Festival Flavourama über die Bühne. Wobei das – wortwörtlich betrachtet – nur teilweise stimmt, denn Flavourama findet, der Geschichte des Hip-Hop entsprechend, zu einem großen Anteil auch auf der Straße statt. In „Walking Dance Classes“ zum Beispiel, die tanzinteressierte Menschen durch die Salzburger Altstadt führen. „Die Teilnehmer*innen haben die Möglichkeit, die Basics verschiedener Street- und Clubstyle-Tänze zu erlernen und dabei Salzburg von einer neuen Seite kennenzulernen“, erzählt Tänzerin und Flavourama-Mitbegründerin Olivia Mitterhuemer.
Neuerungen und Erweiterungen
Das Festival, das Mitterhuemer als 18-Jährige gemeinsam mit Farah Deen und Tanja Hangler aus dem Boden stampfte, ist seit etwa fünf Jahren sehr viel mehr als „nur“ ein Dance Battle. „Weil wir möchten, dass auch Menschen, die im Alltag nichts mit Hip-Hop oder House zu tun haben, möglichst barrierefrei Zugang dazu finden“, begründet Olivia Mitterhuemer diese Entscheidung. Neben den Walking Dance Classes gibt es seit kurzem auch ein „Next Generation Battle“, eine eigene Plattform für Kinder und Jugendliche, um sich in sicherer Umgebung und ohne Druck tänzerisch zu messen.
Wir möchten keine Klischees reproduzieren.
Olivia Mitterhuemer
Ganz neu in diesem Jahr: „Flavourama Performatory“, ein Format, das Tänzer*innen und Musiker*innen die Möglichkeit bietet, ihr Können in einem Theaterkontext zu präsentieren. Sechs Künstler*innengruppen treffen sich am 1. September im Salzburger Toihaus Theater zum spontanen Improvisieren vor Publikum. „Seit einiger Zeit ist eine Begeisterung für Streetdance im zeitgenössischen Theater spürbar. Daher sind uns diese Verschränkungen sehr wichtig“, sagt Mitterhuemer. Außerdem gibt es erstmals auch eine Kooperation mit ImPulsTanz. Am 3. September findet in der Szene Salzburg schließlich das finale Battle mit hochkarätig besetzter Jury statt.
Flavourama und Festspiele
Einzelne Programmpunkte im öffentlichen Raum – unter anderem auch in der Salzburger Altstadt – zu verorten, war dem Flavourama-Team ein großes Anliegen. „Uns ist es wichtig, dass wir Hip-Hop und House an die breite Masse zu bekommen. Lässt man diese Tanzrichtungen wieder in einer Industriehalle stattfinden, wie wir es in den Anfangsjahren auch gemacht haben, dann ist es wieder so, wie es ohnehin schon viele kennen. Wir möchten keine Klischees reproduzieren“, bringt es Olivia Mitterhuemer auf den Punkt. Die zum Zeitpunkt des Festivals gerade wieder aus dem Festspieltaumel erwachende Stadt nimmt Mitterhuemer als überaus offen für neue Tanzstile und Kulturen wahr. Festspiele und Flavourama würden sich ihrer Meinung ganz und gar nicht widersprechen, fügt sie lachend hinzu.
„Man merkt, dass es eine junge, alternative Szene gibt, die neue Dinge kennenlernen und erleben will. Es ist nicht nur die Nachfrage gestiegen, sondern die Zielgruppe auch mit uns mitgewachsen“, erläutert die Tänzerin und Choreografin. Vor allem der Clubdance House, der Anfang der 80er-Jahre in den Clubs in Chicago und New York entstanden ist, erfreue sich auch in Österreich immer größerer Beliebtheit.
2009 gründeten Farah Deen, Olivia Mitterhuemer und Tanja Hangler, die sich als Teenagerinnen in Hip-Hop-Kursen kennengelernt hatten, Flavourama. „Davor waren wir immer wieder bei größeren internationalen Festivals zu Gast und begannen uns zu fragen, warum es so etwas bei uns nicht gibt“, erinnert sich Mitterhuemer. Ihre Verbindungen zur Breaking-Szene in Salzburg und Wien halfen ihnen dabei, Strukturen zu schaffen, wo es zuvor noch keine gab. „Die Idee hat von Anfang an total gezündet und sich dann nach und nach weiterentwickelt. Mittlerweile ist Flavourama eines der größten Streetdance-Festivals in ganz Europa“, erzählt sie. Gewachsen sei es aber ganz natürlich. „Häufig auf der Basis von ‚Learning by Doing‘“, fügt sie lachend hinzu.
Diversität
Eines der Ziele des mittlerweile neunköpfigen Flavourama-Teams ist es, noch achtsamer mit dem Thema Diversität umzugehen. „Wobei uns erst jetzt, wo das Thema präsenter und stärker im gesellschaftlichen Diskurs verankert ist, auffällt, dass Flavourama von Anfang an total divers war. Und das ist das Festival auch heute noch, weil auch einfach die Kultur selbst sehr stark von Diversität geprägt ist“, so Mitterhuemer. Obwohl Flavourama in dieser Hinsicht ein Vorzeigemodell ist, ist sich Olivia Mitterhuemer der strukturellen Probleme, die es gesamtgesellschaftlich immer noch gibt, bewusst. „Diesen Problemen wollen wir nun noch deutlicher entgegenwirken“, fügt sie hinzu.
Als rein weibliches Führungsteam werden Olivia Mitterhuemer, Farah Deen und Elena Rainer, die ab 2013 Tanja Hangler ersetzte, immer wieder darauf angesprochen, wie sich das auf ihre Arbeit auswirke. Eine zweischneidige Angelegenheit, findet Mitterhuemer, weil es einerseits gut ist, als Role Model wahrgenommen zu werden, andererseits aber auch zeigt, dass es noch immer nicht als „normal“ angesehen wird. „Es ist gut, dass es auffällt, aber auch schlimm, dass es auffällt“, bringt sie den Zwiespalt auf den Punkt. Innerhalb der Szene hätten sie aber nie Nachteile erfahren oder das Gefühl gehabt, sich vermehrt beweisen zu müssen. „Wäre dieser Respekt nicht von Anfang an da gewesen, wäre Flavourama nicht dort, wo es heute ist“, hält sie abschließend fest. Nämlich bei insgesamt neun Tagen Programm mit rund 300 teilnehmenden Tänzer*innen. Und einem Battle, auf das am 3. September die gesamte internationale Streetdance-Szene schaut.
Zur Person: Olivia Mitterhuemer
Olivia Mitterhuemer tauchte 2006 zum ersten Mal in die Welt urbanen Tanzstilen House, Hip-Hop Freestyle, Dancehall, Locking und Popping ein. Mit ihrer Urban Dance Crew „Potpourri“ zahlreiche nationale und internationale Erfolge. Im vergangenen Jahr feierte ihre Produktion 4. AM in Koproduktion mit dem brut Premiere. Flavourama gründete sie 2009 gemeinsam mit Farah Deen und Tanja Hangler.