Eine beruflich erfolgreiche Frau, die nicht mehr weiterweiß und bei einem Psychoanalytiker Hilfe sucht. Ein durchaus atypischer Stoff für ein Musical, den Kurt Weill bei „Lady in the Dark“ gewählt hat. Das und die ganz besondere Form des Stücks machen für Matthias Davids, der es an der Volksoper inszeniert hat, erst den Reiz aus. 

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„Vieles ist hier ungewöhnlich und dadurch umso spannender“, sagt er. „Nor­malerweise kommt am Anfang der Dirigent, und das Publikum hört eine große Ouver­türe. Nichts davon ist hier der Fall.“ 

Vielmehr beginnt die Aufführung mit einer mehr als zehn Minuten langen kammerspielartigen Sprechszene, die die Zeitschriften-Chefredakteurin Liza und ihre Probleme mit Männern und Entscheidungen vorstellt. Danach gleitet man – von der Behandlungscouch aus – in ihre Träume. „Und die sind dann oft umso glamouröser und aufwendiger. Da sind bis zu 70 Leute auf der Bühne, und es wird gesungen, getanzt, Akrobatik gemacht und aus dem Vollen geschöpft. Hier wird es verrückt, die Träume benötigen außergewöhnliche Ideen. Das ist eine große Herausforderung, aber es macht auch viel Spaß“, erzählt Davids.

Ein Stück, das Hoffnung macht

Der Regisseur, der an der Volksoper schon einige Produktionen herausgebracht hat, ist „froh, dass ich mit Stücken konfrontiert bin, die nicht schon tausende Male inszeniert worden sind“. 

„Lady in the Dark“ spielt mit freudscher Psychoanalyse – „und mit einem Problem, das heute viele kennen: dem Druck im Arbeitsumfeld, der enorm gestiegen ist. Die Situation, in der Liza sich befin­det, kann jeder nachvollziehen – auch wenn es heutzutage kein Tabuthema mehr ist, wenn jemand zur Therapie geht, sondern dies vielmehr sogar von Stärke zeugt“, so Davids. 

Gleichzeitig möchte er nicht, dass man das Stück hauptsächlich mit dem Thema Burnout in Verbindung bringt. „ ‚Lady in the Dark‘ macht Hoffnung und ist eine Mischung aus großer Revue und einer sehr pointiert erzählten Geschichte sowie farbenreicher Musik, die außerordentlich amerikanisch klingt – dafür, dass Weill erst kurz davor ausgewandert ist.“

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An einem Strang ziehen

Auch die Moral von der Geschicht’ hat für ihn weniger mit Psychoanalyse zu tun als mit der Erkenntnis, dass es oft hilft, sich mit anderen auszutauschen und gemeinsam mit Mitstreitern an einem Strang zu ziehen. Das legt der Regisseur durchaus auch auf seine Inszenierungsarbeit um, ist er doch „total gelangweilt, wenn ich alles ansagen muss. Mir gefällt der kreative Prozess, in dem Darsteller mir ihre Ideen sagen und wir die diskutieren.“ 

So habe er beispielsweise mit Christian Graf, dem Darsteller des Charley, gemeinsam getüftelt, wie lange die Figur, die Liza anfangs bewusst brüskiert, unsympathisch wirken darf, um dennoch später die Kurve zu kriegen. Und auch mit Robert Meyer habe er zusammen erarbeitet, „wie ernsthaft Dr. Brooks, der Psychoanalytiker, sein muss und wie viel Humor durchblitzen darf“.

Revue und Kammerspiel

Foto: Peter Philipp

Zur Person: Matthias Davids

Der Regisseur inszenierte an der Volksoper u. a. „Sweeney Todd“, „Anatevka“, „König Karotte“ und „Wonderful Town“. Er ist Künstlerischer Leiter der Musicalsparte
am Linzer Landestheater. ­Einige seiner Arbeiten wurden
mehrfach ausgezeichnet. Vor seiner Regiekarriere war er selbst Musicaldarsteller.

Richtig austoben 

Davids bezeichnet sich selbst als „Spielkind“. „Wenn ich inszeniere, muss ich auch albern sein dürfen. Ich habe Spaß an Details wie jener Siebträgerkaffeemaschine, die in ‚Lady in the Dark‘ in der Redaktion steht. Die Darsteller kennen von daheim meist Maschinen, bei denen sie nur auf einen Knopf drücken müssen; hier braucht es zahlreiche Handgriffe, und die müssen sie neben dem Textsprechen machen. Ich fand es lustig, es unnötig kompliziert zu machen“, sagt Davids mit einem Schmunzeln. Szenen „zum Sau-Rauslassen“ gebe es ebenfalls im Hochzeitstraum, in dem Choristen und Tänzer wie Zuckerpuppen auf einer riesigen Torte stehen und Liza zu ihrem vermeintlichen Idealbräutigam an der Spitze hinaufklettern möchte. „Und auch im Zirkustraum, der von traditionellem Zirkus bis zu Moulin Rouge alles drinhat, kann man sich so richtig austoben. Aber man muss aufpassen, dass man es nicht mit Effekten zudeckt.“ 

In Wahrheit aber sei das Stück „ein kleines Monster“, sagt Davids grinsend – und man kann spüren, wie sehr er dieses „Monster“ mag. 

Zu den Spielterminen von „Lady in the Dark"

Revue und Kammerspiel
In vier großen Revuenummern kann man mit Liza in ihre Träume eintauchen – den Glamourtraum, den Hochzeitstraum, den Kindheitstraum und den Zirkustraum.

Foto: Petra Moser