Marlene Dietrich, unsterblich in Wien
Wenn „Engel der Dämmerung“ in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt gezeigt wird, kehrt Marlene Dietrich quasi nach neun Jahrzehnten zurück an das Haus.
„Marlene Dietrich darf zusammen mit fünf anderen Girls viel Bein zeigen“. Es war ein kleiner Hinweis in der „Neuen Freien Presse“ von 1927, der im Nachhinein aufhorchen lässt. Die Diva in den Kammerspielen? Die Kritik drehte sich um das Stück „Broadway“, das damals in dem Theater in der Wiener Innenstadt gezeigt wurde, welches zum Max-Reinhardt-Imperium gehörte. Und darin spielte niemand Geringerer als Marlene Dietrich.
Zum Zeitpunkt der immerhin fast 100 Aufführungen von „Broadway“ war die spätere Ikone aber noch kein Star. Diesen sollte erst Josef von Sternberg aus ihr machen, als „Der Blaue Engel“ 1929/30 entstand. Jener Film, durch den sie zur Legende werden sollte und für den ihre Frisur, ihr Make-up, ihre Stimme und auch ihre Persönlichkeit verändert wurden.
Noch brünett und kaum bekannt
Jenes Fräulein Dietrich aber, das im September 1927 nach Wien kam, um eben „Broadway“ und die Operette „Wenn man zu dritt…“ zu proben – und später am Theater in der Josefstadt auch Carl Sternheims „Die Schule von Uznach“-, war noch brünett, knapp 26 Jahre alt und kaum bekannt.
Eine Art Heimkehr in die Kammerspiele
Wenn in den Kammerspielen seit Februar dieses Jahres „Engel der Dämmerung“ gezeigt wird, kann man also in gewisser Weise von einer Heimkehr sprechen. Dabei werden all die zahlreichen Facetten der Künstlerin in diesem musikalischen Abend beleuchtet: Von der Berliner Göre zum Hollywood Star, von der Femme fatale zur vereinsamten Diva und von der „Vaterlandsverräterin“ zur umschwärmten Ikone in den USA. Und auch, wie die Dietrich durch ihre Looks Mode und Lifestyle prägte und wie sie mit Identitäten spielte, ist Thema.
Musikalisches Panoptikum
Die Annäherung an einen Weltstar wird in Form eines musikalischen, biografischen Panoptikums geboten. Denn Erzählungen, gespielte Szenen und Lieder greifen ineinander und vermitteln den Eindruck, man schaue mitten ins Leben der Diva: Von den Anfängen im Berlin der Goldenen 20er-Jahre über die Hollywood-Karriere in den 30ern. Von den Amerikanern wurde sie für ihre Filmauftritte, aber auch für ihren Einsatz gegen Hitler und ihre Auftritte vor Soldaten verehrt.
Das Spektrum des Abends reicht bis zu ihren internationalen Erfolgen als Diseuse. Auch ihre berühmtesten Lieder wie „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, „Sag mir, wo die Blumen sind“, „Lili Marlen“ oder „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ erklingen.
Nicht nur strahlende Marlene Dietrich zu sehen
Der Abend wurde von Torsten Fischer, der auch Regie führte, und Herbert Schäfer erdacht. Letzterer zeichnet sich auch für Bühnenbild und Dramaturgie verantwortlich. Aber nicht nur die strahlende Marlene steht auf der Bühne, auch jene, die von Einsamkeit ebenso geplagt ist wie von Zweifeln über ihre Fähigkeiten. Und jene Marlene Dietrich, die schließlich tabletten- und alkoholabhängig in ihrer Pariser Wohnung auf ihr Ende wartete.
Sona MacDonald schlüpft dabei in die Rolle der Dietrich. Kritiker loben ihre vokale und darstellerische Expressivität. Martin Niedermair übernimmt die Rollen der verschiedenen Männer ihres Lebens. Eine Band mit vier Musikern unterstützt musikalisch.
Zahlen und Fakten zu „Engel der Dämmerung"
Vom großen Aufwand, wie ihn auch die Dietrich immer betrieb, zeugen einige Zahlen und Fakten zur Vorstellung:
- 26 Lieder werden von zwei Schauspielern und einer Band mit vier Musikern interpretiert.
- 23 Umzüge gibt es während der Show, davon 12 von Martin und 11 von Sona MacDonald. Unter den Kleidern ist auch ein originales Vintage-Kleid aus den 1930ern und zwei Fräcke, die dem Stil der 1940er nachempfunden wurden.
- Vier Perücken wurden von der Maskenabteilung handgeknüpft.
- In 200 Arbeitsstunden fertigten drei Schneiderinnen und Schneider ein Tüllkleid mit Perlensträngen für das Finale.
- Zehn Gläser kommen zum Einsatz, davon 6 Sektgläser und 4 Whiskygläser
- Und sieben gerauchte Zigaretten kommen in sechs Aschenbecher.
- Und eben: quasi neun Jahrzehnte, die Marlene Dietrich mit den Kammerspielen verbinden.