Zur Vorstellung seiner 18. Spielzeit als Direktor des Theaters in der Josefstadt holte sich Herbert Föttinger den neuen Stiftungsrats- und Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Drozda auf die Bühne der Kammerspiele. Doch kaum hatte dieser über Bilanz und Aussicht, Abos und Auslastungszahlen sowie die Anzahl der Vorstellungen und sozial gestaffelte Kartenpreiserhöhungen referiert, drängte es den Hausherrn von der Bühne in den Zuschauerraum. Wahrscheinlich, um die Authentizität seiner leidenschaftlich formulierten Ausführungen durch Nähe zum Publikum, in diesem Falle Journalist*innen, zu unterstreichen.

Anzeige
Anzeige
Theater in der Josefstadt 2023/24
Direktor Herbert Föttinger und Stiftungsratsvorsitzender Thomas Drozda auf Tuchfühlung mit dem Journalisten-Publikum

Foto: Klaus Peter Vollmann

Gegenwartsbewältigung als Motto

Nach 17 Jahren an der Spitze des Theaters und der damit in Wien einhergehenden kollektiven Umarmung, sollte nicht vergessen werden, dass Herbert Föttinger zu Beginn seiner Amtszeit durchaus nicht jedermanns Liebkind war. „Die damalige schwarz-blaue Regierung war mit mir nicht einverstanden.“ Seine deklarierte politische Haltung habe ihm in gewissen Kreisen sogar den Namen „Hundsfottinger“ eingebracht, ihn aber auch bestärkt im Wissen, dass Theater immer auch politisch sei.

„Spätestens, als Sebastian Kurz nach der Wahl 2017 erneut eine Koalition mit der FPÖ einging, war mir klar: Es geht nicht um Vergangenheitsbewältigung, sondern um Gegenwartsbewältigung. Das war der Grund, warum ich Stücke wie ‚Fremdenzimmer‘ von Peter Turrini oder ‚Die Reise der Verlorenen‘ gemacht habe. Ich hatte das Gefühl, dass Theater eine laute Stimme hat und diese auch erheben muss, und dass ein Theaterdirektor auch eine politische Haltung definieren und äußern muss. Das halte ich für besonders wichtig. Gegenwartsbewältigung ist das Motto der nächsten Spielzeit und muss in der Programmierung unbedingt stattfinden.“

Theater in der Josefstadt 2023/24
Die leere Bühne, nachdem Herbert Föttinger und Thomas Drozda in den Zuschauerraum gewechselt waren

Foto: Klaus Peter Vollmann

Anzeige
Anzeige

Bewusstsein stärken

Herbert Föttinger zitiert Ferdinand von Schirach, dessen Stück „Gott“ auch in der nächsten Spielzeit in den Kammerspielen zu sehen sein wird. Darin spricht der Rechtsanwalt Biegler: „Ich bin kein Philosoph. Aber, meine verehrten Damen und Herren, könnte nicht genau das es sein, was uns als europäische, als westliche Gesellschaft heute ausmachen sollte: Nicht der zwanghafte Konsens, sondern, dass wir den friedlichen Dissens aushalten?“ Die Politik müsse also kritische Theaterdirektoren aushalten, und Herbert Föttinger muss es mit dieser (und kommender) Regierungen aushalten.

„Theater ist im Moment notwendiger denn je, es muss Inhalte vermitteln und kann sich nicht nur um Formen kümmern. Theater bietet die Möglichkeit, das Bewusstsein zu stärken – und zwar durch alle Stücke hindurch.“ In diesem Sinne werde es (auch) in der Spielzeit 2023/24 viele politische Stücke geben. Wenn auch nicht ausschließlich.

PREMIEREN THEATER IN DER JOSEFSTADT

„Die Stützen der Gesellschaft“
von Henrik Ibsen in einer Neufassung von David Bösch
Premiere: 7. September 2023
Regie: David Bösch
U.a. mit: Michaela Klamminger, Maria Köstlinger, Silvia Meisterle, Marianne Nentwich, Paula Nocker, Raphael von Bargen, Jakob Elsenwenger
Herbert Föttinger: „Ein fantastischer, spannender Thriller, für den David Bösch eine ausgezeichnete Fassung geschrieben hat. Er zeigt einen wahnwitzigen Kapitalismus, der für den eigenen Vorteil über Leichen geht“, so Herbert Föttinger.

„Bis nächsten Freitag“
von Peter Turrini
Uraufführung: 16. November 2023
Regie: Alexander Kubelka
U.a. mit: Silvia Meisterle, Andrea Mühlbacher, Herbert Föttinger, Marcello de Nardo, Erwin Steinhauer
Herbert Föttinger: „Ein ausgezeichnetes Stück. Am Ende ist die Liebe der Traum einer Lösung“.

„Warten auf Godot“
von Samuel Beckett
Premiere: 14. Dezember 2023
Regie: Claus Peymann
Mit: Marcus Bluhm, Johannes Krisch, Stefan Jürgens, Bernhard Schir

„Es muss geschieden sein“
von Peter Turrini
Uraufführung: 11. Jänner 2024
Regie: Stephanie Mohr
Herbert Föttinger: „Eine Kooperation mit den Raimundspielen Gutenstein. Das Stück behandelt die Tage der Revolution 1848 und die Träume der Menschen, sich vom strengen Regime zu befreien. Sehr poetisch.“

„Leben und Sterben in Wien“
von Thomas Arzt
Uraufführung: 7. März 2024
Regie: Herbert Föttinger
U.a. mit: Katharina Klar, Michaela Klamminger, Johanna Mahaffy, Lore Stefanek, Nils Arztmann, Günter Franzmeier
Herbert Föttinger: „Diese lange geplante Uraufführung war ein Herzenswunsch von mir. Die Zeit zwischen 1927 und 1934 wurde literarisch nie so richtig bearbeitet. Der Austrofaschismus war vielen kein großes Anliegen, und ich hatte immer das Gefühl, dass in der Geschichtsaufarbeitung damit etwas fehlt. Thomas Arzt schließt diese Lücke nun.“

„Trilogie der Sommerfrische“
von Carlo Goldoni
Premiere: 1. Juni 2024
Regie: Janusz Kica
Herbert Föttinger: „Vielleicht Goldonis beste Komödie, ein Stück zum Zurücklehnen.“

PREMIEREN KAMMERSPIELE DER JOSEFSTADT

„Der zerbrochne Krug“
von Heinrich von Kleist
Premiere: 9. September 2023
Regie: Amèlie Niermeyer
U.a. mit: Sandra Cervik, Juliette Larat, Robert Joseph Bartl, Ulli Maier

„Lulu“
von Frank Wedekind in einer Bearbeitung von Elmar Goerden
Premiere: 28. Oktober 2023
Regie: Elmar Goerden
Mit: Katharina Klar, Johanna Mahaffy, Susa Meyer, Alexander Absenger, Raphael von Bargen, Martin Niedermair

„Der Himbeerpflücker“
von Fritz Hochwälder
Premiere: 30. November 2023
Regie: Stephanie Mohr
U.a. mit: Paula Nocker, Martina Stilp, Paul Matic, Dominic Oley, Claudius von Stolzmann

„James Brown trug Lockenwickler“
von Yasmina Reza
Österreichische Erstaufführung: 15. Februar 2024
Regie: Sandra Cervik
Mit: Maria Köstlinger, Juergen Maurer, Alexandra Krismer, Dominic Oley, Julian Valerio Rehrl

„Die Möwe“
von Anton Tschechow
Premiere: 28. März 2024
Regie: Torsten Fischer
U.a. mit: Sandra Cervik, Nils Arztmann, Günter Franzmeier, Markus Kofler, Martin Schwab