Achtzig Menschen leben noch ganzjäh­rig dort, wo Katharina Straßer gerne Fami­lien­urlaub macht. Es gibt einen kleinen Hafen, der nicht großfährentauglich ist. Die Haupteinnahmequelle der Bewohner:innen ist die Fischerei. Und es gibt ein paar Pensionen mit günstigen Zimmern. Das nächstgrößere Dorf ist eine halbe Stunde Fußweg entfernt. Und wie es sich für brave griechische Dörfer am Meer gehört, thront an der Landspitze am Rand des Dorfes die kleine Agios-­Nikolaos-Kirche, ganz in Weiß-Blau. Eh klar.

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Romantiker würden sagen: Griechenland wie aus dem Bilderbuch. Weniger romantische Zeitgenossen: Das Dorf liegt am Arsch der Welt. Katherina Straßer kennt man hier, weil sie jedes Jahr da ist und weil sie brav grüßt – und nicht, weil sie ein Promi ist. Österreicher:innen machen in anderen Dörfern Urlaub. Weil der Name des Dorfes nichts zur Story beiträgt und uns Katharina Straßer darum gebeten hat, lassen wir ihn hier auch gerne weg. 

Wir sitzen in der kleinen Taverne von Ioannis und Irina, 50 Meter vom Strand entfernt, an der Hauptstraße des Dorfes und reden über ihre Rückkehr an die Josefstadt. Am 23. Oktober hat „Das perfekte Ge­heim­nis“ in den Kammerspielen der Josef­stadt Premiere. Es beruht auf dem italienischen Kino-Blockbuster von Paolo Genoveses „Perfetti Sconosciuti“ aus dem Jahr 2016. Allein in Italien sahen 16 Millionen Menschen den Film. 

Ein Filmhit auf der Bühne

In den vergangenen fünf Jahren wurden in der Folge Remakes in Spanien, Südkorea, Frankreich, Ungarn, Griechenland, China, Russland, Armenien, der Türkei und, und, und gedreht. Ein Erfolg, bei dem man nichts falsch machen kann, außer man ändert in einem Anfall von Größenwahn einfach das Ende der Story – wie es bei der deutschen Filmversion gemacht wurde. In Wien wird es – danke Herbert Föttinger! – den Original-Plot zu sehen geben. Regie führt Folke Braband. 

Die Story in einem Satz: Sieben Freunde treffen sich zu einem Abendessen – kurzerhand wollen sie ihr gegenseitiges Vertrauen auf die Probe stellen und lassen sich auf ein riskantes Spiel ein: Jeder muss alles, was an diesem Abend über sein Smartphone rein- oder rausgeht – egal ob Nachricht oder Foto –, mit allen Anwesenden teilen. 

Am Ende kommen fast alle Lügen und Geheimnisse ans Licht – oder auch nicht. Wir wollen das wirklich wunderbare Finale hier ebenso wenig verraten wie den Namen der Insel, auf der wir uns gerade befinden.

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Katharina Straßer auf der Terrasse der kleinen Kirche Agios Nikolaos. Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf das kleine Fischerdorf.

Foto: Yiorgos Kaplanidis

Schnappatmung

Die französische Version (mit dem Original-Ende) „Le Jeu – nichts zu verbergen“ ist im Übrigen auf Netflix abrufbar. Die (verhunzte) deutsche Version „Das perfekte Geheimnis“ auf Amazon Prime. Sie können also vorab schauen, Enden vergleichen oder – viel gescheiter – Karten für die Kammerspiele kaufen.

Katharina Straßer hat in den vergangenen Jahren viel gedreht, viel frei gespielt und sogar selber ein Stück produziert. Jetzt geht es wieder dorthin zurück, wo sie schauspielerisch herkommt: ans Theater. 

„Ein bisserl krieg ich Schnappatmung, wenn ich daran denke, dass ich wieder für jeden Pups, den ich mache, einen Urlaubsschein brauchen werde. Ich bin gerne mein eigener Herr. Aaaaaber (Katharina zieht das Wort in die Länge und grinst dabei) mein Papa freut sich sehr, dass ich wieder einmal an einem großen, ‚anständigen‘ Haus spielen werde – also freu ich mich auch …“ Das Grinsen wird ein wenig breiter. 

Das Buch zum Stück liegt vor uns am Kaffeehaustisch. Es ist rasant geschrieben. Im Gegensatz zum Film spielen die Akteur:innen auf der Bühne den Abend ohne Pause in Echtzeit. Ein Gesprächsthema jagt das andere.

Vom Spielen des Nichts

„Ich selber würde niemals bei so einem Spiel mitmachen, vor allem wissen ja alle, dass sie Dreck am Stecken haben. Also warum tun sie es? Das ist der Punkt, den ich nicht ganz verstehe. Ich muss gestehen, ich habe noch nie so ein modernes Stück gespielt, und bin auch sehr gespannt, wie wir etwa die Sprache auf der Bühne umsetzen werden. Im Film nuscheln sie sich alle einen ab. Auf der Bühne musst du ein wenig gehobener sprechen, es ein wenig verfremden, weil es sonst nicht funktioniert. Diese Komödie spielt in der Jetztzeit, und da muss man eine sehr authentische Bühnensprache finden. Dazu kommt das Tempo der Geschichte. Die Dialoge fliegen einem um die Ohren. Kaum hat man was gesagt, ist schon der Nächste dran. Ich erzähle etwa aus dem Nichts ein wirklich dramatisches Erlebnis, aber keiner reagiert darauf. Man muss viel ‚zwischen den Zeilen‘ spielen.“ 

Spannend zu hören, über welche Dinge sich Schauspieler:innen in der Vorbereitung eines Stücks Gedanken machen – auch darüber, was man tut, wenn man nichts tut. „Ich sage einmal fünf Seiten lang gar nichts. Auf der Bühne muss ich diese Textleere aber mit irgendetwas füllen. Man muss also etwas tun, ohne viel zu tun. Die Gefahr ist, dass man dann zu privat wird, aber das sollte nicht passieren.“

Eine Katze kommt des Weges. Katharina Straßer hebt sie auf, streichelt sie. „Ich mag es hier. Es gibt hier Berge und Meer, also das Allerbeste der Welt, und es gibt Buchten, wo kein Mensch ist. Es ist für mich der pure Luxus.“

Im Kafenion von Ioannis. „Es ist die allerbeste Mischung der Welt hier: Berge und Meer, und es gibt noch Buchten, wo kein Mensch ist“, sagt Katharina Straßer über ihren Urlaubsort.

Foto: Yiorgos Kaplanidis

Vom Klischee der lustigen Blonden

Das Fernsehen und auch der Film haben Straßer richtig berühmt gemacht. Sie scheint abonniert auf die Rolle der lustigen Blondine. In der sie im Übrigen auch in ihrer selbst produzierten Cissy-Kraner-Revue „Alles für’n Hugo“ brilliert (Regie: Andy Hallwaxx). „Das ist auch ein Teil von mir, das ist okay. Ich bin gerne die lustige kleine Blonde. Aber es wird oft vergessen, dass ich Schauspielerin bin und daher gelernt habe, alles Mögliche zu spielen. Ich habe am Theater viele große, schwere und tragische Rollen gespielt. Die Punzierung kam erst später mit dem Fernsehen. Es stört mich nicht, aber man wird sehr schnell in eine Schublade gesteckt.“ 

Irgendwie wird das Lachen weniger als Kunst gesehen als das Weinen."

Katharina Straßer

Da würde man gerne antworten: Ist doch toll, wenn man etwas gefunden hat, was funktioniert. Aber dann spinnt man Straßers Wunsch weiter, und plötzlich denkt man sich: Ja! Besetzt sie doch endlich einmal in einer wirklich ernsten, tragischen Rolle. Katharina Straßer unterbricht das Gedankenspiel: „Wer lustig sein kann, kann auch zu Tränen rühren. Dass die hohe Kunst die Komödie ist, weiß eigentlich jeder Schauspieler.“ 

Nachsatz: „Irgendwie wird das Lachen weniger als Kunst gesehen als das Weinen. Das fehlt derzeit in Wien: eine Bühne, auf der Komödien spielen. Gibt es die Stücke nicht? Glauben alle, dass Komödie keine Kunst ist? Ich weiß nicht, warum es so verpönt ist, einen Boulevard-Schwank zu spielen – es gibt ja nicht nur doofe, sondern ganz viele gute. So ein Theaterort fehlt mir.“ Selber machen wäre doch eine Option. Ein Haus übernehmen. „Na ja, vielleicht – aber erst, wenn die Happel in Pension geht“, sagt Katherina Straßer. Wir brechen auf. Sie grüßt Elias, einen griechischen Freund: „Im Winter ist er Leichenbestatter, im Sommer vermietet er Sonnenschirme.“ Was für ein toller Plot für ein Stück, denken wir. Und als könnte Katharina Straßer Gedanken lesen, sagt sie: „Elias ist der einzige Leichen­bestatter auf der Insel, und er ist sich seiner Monopolstellung durchaus bewusst. Wenn einer mit ihm streitet, sagt er immer: ,Spü di net, weil sunst wåsch i di net.‘“

Zur Person: Katharina Straßer

Die gebürtige Tirolerin ist ein Gewächs des Schottenberg’schen Volkstheaters. Sie spielte dort von „Cabaret“ über „Die Reifeprüfung“ bis hin zum „Jux“ eine Hauptrolle nach der anderen. 2007 erhielt sie den „Nestroy“. Ihren größten Bühnenerfolg feierte sie in der Volksoper als Eliza. Straßer tourt mit ihrer Cissy-Kraner-Revue und dreht regelmäßig für Fernsehen und Kino. Sie ist mit Kabarettist Thomas Stipsits verheiratet und hat zwei Kinder.

Zum Spielplan des Theaters in der Josefstadt!