Sag nicht Oper dazu! Richard Wagners acht Gebote
Die Opernwelt ist bis heute gespalten. Man mag Richard Wagner oder nicht. Und wenn, dann wird’s nicht selten religiös. Das verlangt nach Regeln. Wir haben ein paar davon versammelt.
1. Sag nicht Oper dazu
„Lohengrin“, der Sohn Parsifals, kam, vom Schwan gezogen, noch als „Romantische Oper“ an. Dann war Schluss mit lustig, und die Musik hatte im Dienste der von Richard Wagner verfassten Dramen zu stehen: Der „Tristan“ ist eine „Handlung“, der „Ring“ ein „Bühnenfestspiel“, den „Meistersingern von Nürnberg“ fehlt die eindeutige Angabe – und „Parsifal“ wurde acht Monate vor Wagners Tod als „Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen“ in Bayreuth uraufgeführt.
2. Applaudiere nicht nach dem Gral
Traditionell herrscht nach dem ersten Aufzug andächtige Ruhe. Wurde doch soeben der Gral, das Gefäß, in dem Joseph von Arimathia das Blut des Gekreuzigten aufgefangen hat, enthüllt. Ein Missverständnis. Richard Wagner wollte zwischen den Aufzügen keinen Applaus für Sänger vor dem Vorhang. Darauf applaudierte das Publikum gar nicht mehr. Das hat Wagner dann auch gestört.
3. Zeig den Gral nur am Grünen Hügel
Der Meister hatte verfügt, dass sein „Parsifal“ ausschließlich in Bayreuth gespielt werden sollte. Doch weder New Yorks Metropolitan Opera noch die Mailänder Scala hielten sich daran und entweihten bereits 1903 das Bayreuther Heiligtum. In Deutschland bildeten sich sogar „Komitees zum ‚Parsifal‘-Schutz“. Half nichts. Nach Ablauf der Schutzfrist 1913 wurde der Gral zwischen Wien, Berlin und Paris bis nach St. Petersburg fröhlich herumgereicht.
4. Habe Mitleid
„Durch Mitleid wissend, der reine Tor, harre sein’, den ich erkor.“ So wartet der älteste der Gralsritter, Gurnemanz, auf den Erlöser. Erlösung und Regeneration der Menschheit durch Mitleid sind denn auch Hauptthema des komplexen, vielgedeuteten Werks. Christentum und Gralsmystik gehen hier mit dem buddhistischen Mitleiden und ein wenig Schopenhauer eine Synthese ein.
5. Spiel für den König
Nicht nur zu Coronazeiten war Musiktheater einsam. Auch Wagners großer Gönner König Ludwig II. mochte es lieber ohne Publikum. Daher schlug er die Einladung zur Bayreuther „Parsifal“-
Uraufführung aus. Aber bereits 1880 dirigierte ihm Richard Wagner ganz privat das Vorspiel. Das komplette Werk holte der scheue Märchenkönig dann ein Jahr nach des Meisters Tod bei einer Separataufführung nach.
6. Nicht lachen
Kundry hat Christus auf dem Kreuzweg ausgelacht. Seither geistert sie in diverser Gestalt durch die Zeiten und sucht nach Erlösung. Auch bei Richard Wagner wird sie nicht greifbar – und lacht. Philosoph Slavoj Žižek nennt sie „die wahre Hysterikerin der Oper“, er sieht ihr Lachen ambivalent: als Verhöhnung des anderen und Ausdruck der Verzweiflung über sich selbst. Die faszinierendste Figur im Stück.
7. Töte keinen Schwan
Was für ein Auftritt. Parsifal gerät aufs Gralsgebiet um die nordspanische Burg Monsalvat und erlegt gleich einmal einen der heiligen Schwäne. Die Gralsritter sind entrüstet. Dramaturg Klaus Bertisch nennt ihn den „Kaspar Hauser der Oper“. Doch Gurnemanz glaubt an den ersehnten Erlöser, als der er sich nach „einer Art Initiationsprozess“, so Bertisch, zum Glück auch herausstellt.
8. Kundry darf gestreichelt werden
Dreck und Speck waren Pudel, Leo eine Bulldogge, Russumuck (1866–1875) ein Neufundländer und der große Liebling, der im Garten der Villa Wahnfried in Bayreuth liegt: „Hier ruht und wacht Wagners Russ“. Wagner liebte Hunde und hatte eine Menge davon: Marke, er liegt gleich neben Russ, Fafner, Fasolt, Putzi, Freia und Froh hießen andere Abkömmlinge aus dem Hundehaushalt in Wahnfried. Dort war auch Kundry, Rasse unbekannt, kurz zugange, bis sie ins Festspielhaus umziehen musste.