Eines gleich vorweg. Verena Altenberger trug zum Zeitpunkt des Interviews, das vor rund einem Jahr stattfand, eine Glatze. Sie drehte damals einen Film, in dem sie eine schwerkranke Frau spielt, weshalb dieser radikale Schnitt vonnöten war. Österreichs derzeit wahrscheinlich meistbeschäftigte Schauspielerin hat damit überhaupt kein Problem und ist auch zum Interview, das wir bei Sonnenschein im Freien geführt haben, baren Hauptes erschienen. Dass sie auf den Studiofotos dennoch mit Eigenhaar zu sehen ist, liegt wesentlich an der Schönheit dieser knapp vor dem Friseurbesuch entstandenen Fotoproduktion. Die Glatze spielt im Weiteren auch gar keine Rolle, außer dass sie die erste Buhlschaft war, die mit einer solchen im Spiel vom Sterben des reichen Mannes zu sehen war. Die diesjährige Premiere findet am 18. Juli statt.

Anzeige
Anzeige

Akzeptiere bitte die Marketing Cookies, um diesen Inhalt zu sehen.

Cookie Einstellungen

Endlich die Buhlschaft!

Dass sie die erste gebürtige Salzburgerin ist, die jemals die Buhlschaft gespielt hat, ist Verena Altenberger herzlich egal. „Ob die erste, dritte oder fünfte, ist unwesentlich; wichtig ist, dass! Es gibt doch den Satz: Glück ist, wenn Kindheitsträume wahr werden, und diese Rolle ist ein Kindheitstraum von mir.“ Der in einem Jahrhundert mehr als 700-mal in Salzburg aufgeführte „Jedermann“ sei mit der Stadt verwachsen. „Auch wenn man das Stück nie gesehen hat, bekommt man es mit. Die Handlung gehört in Salzburg zur Allgemeinbildung, der ‚Jedermann‘ ist in die DNA der Stadt eingeschrieben. Wenn der Tod den Jedermann ruft, hört man das fast überall. Ich bekomme selbst jetzt eine Gänsehaut.“ 

Es amüsiert Verena Altenberger, dass man sie nun in jedem Interview mit dem recht überschaubaren Textumfang ihrer Traumrolle konfrontiert. „Ich halte generell nichts davon, die Wichtigkeit der Charaktere nach Textzeilen zu messen. Es gibt auch viele tolle Filme, wo man gar nicht an der Hauptrolle hängt, sondern zum Beispiel an dieser einen Frau, die nur ein einziges Mal auftaucht. Ich beschäftige mich als Schauspielerin ja nicht weniger mit einer Rolle, nur weil sie weniger Text hat.“ 

Es wäre ja fatal, solch einen Kindheitstraum von einem Mann abhängig zu machen.

Verena Altenberger

Und wer die Buhlschaft nur als schmückendes Beiwerk sehe, habe das Stück entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. „Schon in der Urfassung ist sie als emanzipierte Frau angelegt. Natürlich ist sie in einer abhängigen Beziehung, beendet diese aber. Sie zieht eine klare Grenze. Das stand so schon immer im Text und wurde auch immer so gespielt. Ich glaube, dass sie dem Jedermann auch deshalb ebenbürtig ist, weil sich diese beiden Menschen nicht unähnlich sind. Sie träumen von Echtheit, Liebe, Begegnung und sind doch gesellschaftlich verhaftet. Das ist für mich sehr tiefgründig, tragisch, wahrhaftig und heutig.“ 

Anzeige
Anzeige
Weltoffen, klug, humorvoll, engagiert, präsent. Verena Altenberger beweist auch abseits von Bühne und Kamera Charakter.

Foto: Christoph M. Bieber

Dass sie diese Reise gemeinsam mit Lars Eidinger, mit dem sie schon in David Schalkos Miniserie „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ vor der Kamera stand, antreten darf, freut sie besonders. Und sie fügt lachend hinzu: „Ich kann mir aber nur ganz schwer einen Kollegen vorstellen, bei dem ich Nein gesagt hätte. Es wäre ja fatal, solch einen Kindheitstraum von einem Mann abhängig zu machen.“ Erst recht dann, wenn man sich, wie Verena Altenberger, bedingungslos als Feministin versteht.

Feministin? Aber selbstverständlich! 

European Actress, Feminist, Refugees welcome. Diese drei Begriffe prangen groß auf ihrer Facebook-Seite. Für viele Reizwörter, für Verena Altenberger Grundwerte. „Ich verstehe mich wirklich als Europäerin, ich glaube an das Grundkonstrukt der Gemeinsamkeit und finde, dass Grenzen ein willkürliches Kon­strukt sind. Ich würde mir wünschen, dass die EU auch wieder mehr eine Werte-­Union wird, nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft. ‚The ultimate goal‘ wäre für mich ein europäisches Grundeinkommen.“ 

Wenn gerade tausende Menschen vor dem Krieg flüchten, kann ich keine Selfies hochladen.

Verena Altenberger

Dafür erntet sie nicht nur nette Posts. „Aber mit einer größeren Bühne kommt auch eine größere Verantwortung“, erklärt sie ihr Social-Media-Engagement. „Wenn gerade tausende Menschen vor dem Krieg flüchten, kann ich keine Selfies hochladen.“ Hasskommentare kommen übrigens zu 99 Prozent von Männern. Manchen schreibt sie persönlich, was diese meist nachhaltig irritiert.

Ihren Feminismus – „der Begriff ist leider nicht durchdefiniert“ – versteht sie einfach als Kampf für Gleichberechtigung. „Es gibt keine Statistik auf der Welt, die bestätigen würde, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind, sondern das Gegenteil. Wenn Frauen sagen, sie seien keine Feministinnen, ist das doch völlig absurd!“ In Österreich kann man es mit dieser Haltung indes sogar zur Frauenministerin bringen. 

Sieben Sprachen & ein Waffenschein 

Tun sich andere schon mit einer Fremd­sprache schwer, spricht sie als Absolventin eines speziellen Schulversuchs sechs, davon vier fließend. Reiten, Eiskunstlauf, Fechten und Kunstturnen sind nur einige der Sportarten, die Verena Altenberger beherrscht. 

Und sie besitzt einen Waffenführerschein. Den hat sie gemacht, weil sie vor Jahren für „Cop Stories“ als Polizistin angefragt wurde. Geworden ist es dann die Rolle der Prostituierten Chantal, aber den fachgerechten Umgang mit der Waffe konnte sie seitdem oft nutzen. „Schießen ist eine Fähigkeit, die ich in jedem zweiten Film brauche“, so die überzeugte Pazifistin. „Ich frage mich, warum man das nicht an jeder Schauspielschule lernt!“

Foto: Christoph M. Bieber

Zur Person: Verena Altenberger

Die gebürtige Salzburgerin schloss 2015 ihr Schauspielstudium ab, spielte u. a. am Burgtheater und am Volkstheater und war in fast 40 Film- und TV-Produktionen zu sehen. Für ihre Darstellung einer drogensüchtigen Mutter im Kinofilm „Die beste aller Welten“ erhielt sie den Österreichischen Filmpreis.