Werner Sobotka: „Ich bin ein Schmuddelkind“
Werner Sobotka will lieber im Hof spielen, als im vierten Stock gute Ratschläge erteilen. Deshalb ist er als Regisseur auch Teamplayer, Fürsprecher und Mutmacher. „Hab eine Meinung!“, lautet sein Credo. Auch bei „Honk!“ – seiner aktuellen Musical-Inszenierung.
Mobbing hat er nie erlebt. „Zum Glück nicht, wobei ich nicht weiß, warum mir nie etwas Unangenehmes passiert ist. Nicht einmal eine Rauferei.“ Und hat es doch eine solche gegeben, ist er mit einem imaginierten Mikrofon danebengestanden und hat das rabiate Geschehen wie ein Reporter humoristisch kommentiert. „Ich war immer Autoritätspersonen gegenüber goschert und frech, dabei aber redegewandt und lustig. Das fanden die anderen Kinder offenbar cool.“ Dabei sei er völlig unsportlich gewesen, was im Beliebtheitsranking unter Jugendlichen eigentlich auch kaum Pluspunkte bringt.
„Beim Schulskikurs wurde ich als Einziger in Gruppe sieben gewählt, obwohl es offiziell nur sechs Gruppen gab. Anstatt allein am Babyhang Bogen zu fahren, wie man mir angeordnet hatte, bin ich eine Woche lang in der Hütte gesessen und habe die ‚Schulskikurs-Show‘ geschrieben.“ Ein durchschlagender Erfolg beim Abschlussabend, der ihn wieder einmal vor dem Außenseitertum bewahrt hat. Wiewohl einen die „Pädagogik“ der damaligen Sportlehrerschaft noch heute fassungslos macht.
Klein. Hässlich. Anders.
Nun inszeniert Werner Sobotka, einst mit der Kabarettgruppe „Die Hektiker“ zu frühem Ruhm gekommen und später als Regisseur erfolgreich geworden, im Theater der Jugend das Musical „Honk!“. Frei nach Hans Christian Andersen geht es dabei um ein „hässliches Entlein“, das in Wahrheit gar keines ist und am Ende zum stolzen, ausnehmend schönen Schwan mutiert. Quasi ein autobiografischer Stoff, schrieb doch einst Friedrich Hebbel über seinen Zeitgenossen: „Der Dichter Andersen hat eine lange, schlottrige, lemurenhaft eingeknickte Gestalt mit einem ausnehmend hässlichen Gesicht.“ Also konnte er trotz schöner Singstimme nicht Schauspieler werden und fand stattdessen Ruhm als Autor, was man durchaus als „Schwanen-Moment“ deuten könnte.
Werner Sobotka faszinieren solche Geschichten, er liest sie akribisch als Vorbereitung seiner Inszenierung. Natürlich auch Bruno Bettelheim, den berühmten Kinderpsychologen, der in seinem Standardwerk „Kinder brauchen Märchen“ zu Recht anmerkt, dass die Geschichte vom hässlichen Entlein ein atypisches Märchen sei, weil der Held zu seinem Schicksal aktiv gar nichts beitrage. Erst ausgegrenzt und beschimpft, wartet er einfach ab, bis er zum Schwan wird und darob auch die Sympathie der anderen Bewohner*innen der Geflügelfarm, auf der er lebt, gewinnt. Ein etwas heikler Plot in diversen Zeiten.
„Das wäre so, als würde man sagen, verwende noch drei Photoshop-Filter, dann werden dich alle lieben“, moniert der Regisseur. Weshalb er „Honk!“ auch so gestalten wird, dass die von Niklas Doddo gespielte Titelfigur sehr wohl auch durch ihre Taten und Charaktereigenschaften positiv auffällt. „Er zeigt sich als gutherziger, altruistischer Kerl, der sogar seinen Widersacher, den ihm nach dem Leben trachtenden Kater, rettet, wodurch die anderen erkennen, dass sie sich in ihm getäuscht haben.“
Das wäre so, als würde man sagen, verwende noch drei Photoshop-Filter, dann werden dich alle lieb haben.
Werner Sobotka Regisseur
Die Botschaft sei, dass jeder eines Tages Akzeptanz und Liebe finden könne.
Werner Sobotka setzt Honk als androgynen Glam-Rocker in Szene und stellt ihm mit Sissi, seiner späteren Schwanengefährtin, eine „kraftvolle, starke, eigenständige Figur, die in ihrer Toughness an Beyoncé erinnert“ zur Seite. Dass der Held auf seinem langen Weg zum Schwan Schmähungen wie „Ferkel“, „Laune der Natur“ oder „ekelhaft“ über sich ergehen lassen muss, sei Kindern ab 6 Jahren durchaus zumutbar. „Sie werden ja oft schon in der Volksschule damit konfrontiert. Gerade Kids, die Mobbing vielleicht bereits aktiv erfahren oder beobachtet haben, können bei diesem Stück etwas mitnehmen.“ Man müsse Kinder vor allem erstnehmen, wolle man sie für das Theater begeistern. „Der größte Fehler, den man machen kann, ist, sie zu langweilen.“ Weshalb er selbst auch sein genauester Gradmesser sei. „Ich bin sehr kritisch mit mir und allen anderen, ich gebe mich nicht schnell zufrieden, unter dem Strich muss es mir gefallen.“
Bühne oder Badewanne
Er sei als Kind manisch ins Theater gegangen. „Da mein Vater und meine Mutter Schauspieler waren und alle, die bei uns ein und aus gingen, irgendetwas damit zu tun hatten, dachte ich lange, alle Menschen seien beim Theater“, erinnert er sich lachend. „Für mich war der Beruf deshalb auch keine Entscheidung, sondern immer klar. Ob ich in der Badewanne liege oder auf der Bühne stehe, macht für mich keinen Unterschied. Wir haben als Hektiker 3.600 Vorstellungen gespielt, uns ist alles passiert, was einem nur passieren kann. Deshalb verspüre ich heute auch keine Nervosität.“
Fehlt ihm die Bühne? „Nein, denn wenn ich Regie mache, sehe ich mich als Teammitglied. Als Schauspieler, der zufällig den Kolleg*innen sagt, was sie tun sollen. Man hat mir schon mehrere Intendanzen angeboten, die ich stets abgelehnt habe, weil ich ein Schmuddelkind bin. Ich will unten im Hof spielen und mich nicht im vierten Stock aus dem Balkon lehnen und Ratschläge erteilen.“
Seit 2015 unterrichtet er an der MUK Musikalisches Unterhaltungstheater. Was rät er den Studierenden? „Scheiß dir nix, will etwas und hab eine Meinung. Verteidige deine Figur, und wenn du etwas nicht verstehst, dann sag es! Alles andere ist Handwerk und Technik.“