Young Singers Project: Die Gesangsstars von morgen voranbringen
Es gilt als wichtige Kaderschmiede für den internationalen Sängernachwuchs: das Young Singers Project der Salzburger Festspiele. Wie wird ausgesucht? Wovon profitieren die Sänger am meisten? Leiterin Evamaria Wieser im Gespräch.
Während der Salzburger Festspiele mit internationalen Coaches am eigenen Repertoire arbeiten, Meisterklassen mit namhaften Künstler*innen besuchen und in mehreren Produktionen mitwirken: Diese Möglichkeiten bekommen die jungen Sänger*innen, die für das Young Singers Project der Festspiele ausgesucht werden. Die Plattform zur Förderung des Operndarsteller*innennachwuchses gibt es bereits seit 14 Jahren.
Heuer spielen die Young Singers einerseits in „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ von Stefan Johannes Hanke nach einem Libretto von Dorothea Hartmann, das auf einem Märchen der Brüder Grimm basiert. Diese Kinderoper kommt am 29. Juli im Schauspielhaus Salzburg zur Premiere. Andererseits wirken die Teilnehmer*innen des Projekts in weiteren Festspielvorstellungen mit und präsentieren ein Abschlusskonzert am 27. August. Auch bei öffentlichen Meisterklassen mit Malcolm Martineau, Lisette Oropesa und Piotr Beczała kann das Publikum die Talente kennenlernen. Doch wie werden sie überhaupt ausgewählt und was genau möchte man ihnen in Salzburg beibringen und von dort mitgeben? Wir sprachen mit der Leiterin des Young Singers Project, Evamaria Wieser.
BÜHNE: Wie wählen Sie die Teilnehmer*innen des Young Singers Project aus?
Evamaria Wieser: Entscheidend sind Qualität der Stimme, Musikalität, Persönlichkeit und Emotion – aber auch unser Bauchgefühl spielt mit. Wir machen gezielte Vorsingen, in Salzburg möglichst auf der Bühne im Haus für Mozart. Da ich auch oft in der Jury von Gesangswettbewerben bin, höre ich aber auch bei diesen Gelegenheiten interessante Kandidat*innen.
Wie viele Bewerber*innen gab es heuer und woher kamen sie?
Dieses Jahr haben sich mehr als 500 junge Sänger*innen aus Europa, den USA, Asien und Südamerika beworben.
Bewerben sich manche auch mehrmals?
Ja, und manche ermutigen wir auch dazu, sich in ein oder zwei Jahren wieder zu bewerben. Nämlich dann, wenn die stimmliche Qualität auffallend gut ist, sie aber technisch noch nicht weit genug sind.
Das Repertoire verbessern und erweitern
Welche Rolle spielen bisherige Teilnahmen an ähnlichen Projekten bei der Auswahl der jungen Künstler*innen, welche Rolle andererseits bisherige Engagements? Gibt es ein Alterslimit?
Die genannten Kriterien sind für uns nicht relevant. Das Alterslimit ist grundsätzlich 30 Jahre, aber wenn ein toller Bass vorsingt, der 31 ist, würde beziehungsweise wurde er auch genommen.
Von wem haben die Young Singers hauptsächlich Unterricht?
Zu Beginn des Projekts arbeiten die Teilnehmer*innen etwa zehn Tage technisch mit einem Vocal Coach. Während der gesamten Periode feilen sie mit hervorragenden Coaches unterschiedlicher Muttersprachen an der Verbesserung und Erweiterung des Repertoires. Sofern zeitlich möglich, gibt es auch szenische Rollenarbeit, zusätzlich zu der Probenarbeit mit den Regisseur*innen der jeweiligen Produktionen, in denen die Young Singers mitwirken.
Bei Meisterklassen kann ja die Öffentlichkeit auch dabei sein, wenn namhafte Lehrer*innen mit den Young Singers arbeiten – dabei sehen diese einander aber nicht zum ersten Mal, richtig?
Mit allen Künstler*innen, die bei uns Meisterklassen geben – heuer sind das Malcolm Martineau, Lisette Oropesa und Piotr Beczała – arbeiten die Teilnehmer*innen schon vor der öffentlichen Meisterklasse ein bis drei Tage, je nach Verfügbarkeit.
Das gewisse Etwas
Die Young Singers treten ja auch im Rahmen von Produktionen der Salzburger Festspiele auf. Wie und von wem wird ausgewählt, welche Rollen sie übernehmen?
Das wird in Absprache mit dem Intendanten, auf Vorschlag der künstlerischen Betriebsdirektorin und mir entschieden.
Vor allem sind die Teilnehmer*innen in der Kinderoper „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ vertreten – wie lange wird für diese Produktion geprobt?
Dreieinhalb Wochen.
Außerdem präsentieren die Young Singers ihr Können in einem Abschlusskonzert. Wer wählt aus, mit welcher Arie oder welchem Lied sie sich final präsentieren wollen?
Die Teilnehmer*innen können Vorschläge machen. Die endgültige Auswahl obliegt dem Dirigenten und mir, in Abstimmung mit den Coaches.
Leider werden zu viele junge Sänger*innen zu schnell in eine Karriere gehievt, der sie noch nicht gewachsen sind.
Evamaria Wieser
Sie sind eine der wichtigsten Stimm-Expertinnen des Landes – was brauchen junge Sänger*innen generell heutzutage vor allem als Rüstzeug für die Branche?
Abgesehen von stimmlicher Qualität und guter Technik sind Persönlichkeit, darstellerische Fähigkeiten, Musikalität und Fleiß entscheidend. Persönlich halte ich auch die Kenntnis von zumindest einer Fremdsprache, Englisch oder Italienisch, und mentale Stärke für äußerst wichtig. Dazu kommt dann aber „das gewisse Etwas“, das man nicht beschreiben beziehungsweise lernen kann – und „Glück“ oder „Zufall“. Ohne diese Elemente gibt es meines Erachtens keine große Karriere.
Gesteigerte Anforderungen
Sie machen das schon einige Jahre – was hat sich über die Zeit verändert?
Einerseits sind die Anforderungen noch größer geworden, andererseits gibt es aber auch immer mehr ausgezeichnete junge Sänger*innen. Leider werden zu viele zu schnell in eine Karriere gehievt, der sie noch nicht gewachsen sind. Denn es ist so wichtig, Nein zu sagen, wenn man nicht absolut überzeugt ist, dass eine Partie die richtige ist. Und es ist auch essentiell, freie Zeiten für Studium und Erholung im Kalender einzuplanen.
Was möchte man den Young Singers vorrangig in Salzburg mit auf den Weg geben?
Das Arbeiten auf höchstem Niveau und das Erleben der besonderen Atmosphäre dieses Festivals: Nur hier kann man nebeneinander Oper und Konzert aus allen Jahrhunderten, interpretiert von den wichtigsten Künstler*innen und Orchestern unserer Zeit hören und sehen. Und es freut uns sehr, dass viele ehemalige Young Singers Project Teilnehmer*innen betonen, wie hilfreich und prägend die Erfahrungen, Eindrücke und Begegnungen dieser zwei Monate in Salzburg für ihre weitere Arbeit haben.