BÜHNE: In „Nur ein Tag“ bringt eine Eintagsfliege das Leben der anderen Figuren ziemlich durcheinander. Was hat es mit dieser Fliege auf sich?

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Anja Sczilinski: Die Figur der Eintagsfliege begegnet uns im Stück sogar in zweifacher Ausführung. Die von Maresi Riegner verkörperte Eintagsfliege hat einen positiven Zugang zum Leben. Sie bringt viel Energie mit, nimmt ihr Leben in die Hand und erkennt im Erleben dieser 24 Stunden, was Glück bedeutet. Die zweite Eintagsfliege, auf die wir treffen, zählt die Zeit im Sekundentakt herunter. Wir haben es also mit zwei vollkommen unterschiedlichen Herangehensweisen an die große Frage zu tun, was unser Leben sinnvoll, wundervoll und wertvoll macht.

Was macht das Stück für die Zeit, in der wir momentan leben, relevant?

Ich trage dieses Stück schon seit längerer Zeit mit mir herum und habe auf den richtigen Moment gewartet, um diese Geschichte zu erzählen. Gerade während der vergangenen Monate haben sich viele Menschen vermehrt die Frage gestellt, was unser Leben eigentlich sinnvoll macht, was uns Beziehungen bedeuten und welche Rolle Freunde und Freundinnen spielen. Kurz zusammengefasst: Welche Faktoren es sind, die unser Leben lebenswert machen. Außerdem ist das Thema Tod, das im Stück ebenfalls eine Rolle spielt, durch die Pandemie viel näher an uns herangerückt als wir das vielleicht gewohnt sind.

Wie geht man bei Stücken für Kinder und Jugendliche an dieses oft als schwierig wahrgenommene Thema heran?

Das Schöne an diesem Stück ist, dass es deutlich macht, dass der Tod zum Leben dazugehört. Außerdem zeigt es, in welche Richtungen sich das Leben verändern kann, wenn einem bewusst wird, dass der Zeitraum, den man auf dieser Erde verbringen darf, begrenzt ist. Es taucht unweigerlich die Frage auf, wie man diese Zeit nutzen möchte und es beginnt eine Suche nach jenen Momenten, die das Leben lebenswert machen. Im Fall von „Nur ein Tag“ handelt es sich dabei um einen Zeitraum von nur einem einzigen Tag. Ist es möglich, das Glück in nur 24 Stunden zu finden?

Lukas Haas, Max Gindorff und Maresi Riegner in „Nur ein Tag".

Foto: Niko Havranek

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Es geht also auch um einen positiven Zugang zum Thema Tod …

Ein wichtiger Satz in „Nur ein Tag“ ist Folgender „Niemand weint über das Leben, deshalb sollte auch niemand über den Tod weinen“. In unserer Gesellschaft neigen wir target="_blank" rel="noopener" dazu, den Tod auszugrenzen. Doch das ist nicht in allen Kulturen so. In vielen Kulturkreisen wird der Tod eines Menschen zum Anlass genommen, um das Leben dieser Person und die Zeit, die man gemeinsam auf dieser Erde verbringen durfte, zu feiern. Jeder Mensch hinterlässt durch all die gemeinsam erlebten Momente etwas in uns und lebt in uns und in unseren Betrachtungsweisen weiter. Und mit genau diesen schönen gemeinsamen Momenten befasst sich das Stück. Denn auch die Fliege hinterlässt etwas bei den beiden anderen Figuren, nämlich, dass sie den Wert ihrer Freundschaft und das Wertvolle in ihrem eigenen Leben erkennen.

Gibt es noch eine weitere Botschaft, die die Zuschauer:innen aus diesem Stück mitnehmen können?

Dadurch, dass die Fliege erst gegen Ende des Stückes erfährt, dass ihre target="_blank" rel="noopener" eigene Lebenszeit auf target="_blank" rel="noopener" nur 24 Stunden beschränkt ist, lebt sie ganz anders als sie es mit diesem Wissen getan hätte. Sie handelt möglicherweise nicht effizient, gewinnt dadurch aber so viel mehr. Sie gibt sich dem Moment hin, lässt sich vom Leben mitreißen, schenkt ihre kurze Lebenszeit dem Fuchs um ihn glücklich zu machen, schafft dadurch unvergessliche Momente und erlebt dabei selbst das pure Leben. Inwiefern wir diese Impulse, die von außen auf uns zukommen, wahrnehmen und uns ihnen möglicherweise sogar hingeben, ist eine Frage, die immer wieder auftaucht. Auch wir haben uns in der gemeinsamen Arbeit an diesem Stück damit auseinandergesetzt und uns an Momente erinnert, in denen es uns genauso erging. Schließlich kommt es immer wieder vor, dass etwas anders läuft als gewünscht, sich durch diese Erlebnisse aber manchmal auch ganz neue Türen im Leben öffnen.

Worauf kommt es bei Theaterstücken für Kinder am meisten an?

Bei fast allen unserer Stücke gibt es auch Momente, die für die Erwachsenen sind. Das ist auch in „Nur ein Tag“ so. Die Abschnitte, die sich in erster Linie an die Erwachsenen richten, sollten allerdings nicht zu lang sein, damit man die Kinder niemals verliert. Steigen sie einmal aus, braucht es mehr Kraft, sie wieder ins Stück zu holen. Doch grundsätzlich sind Kinder sehr begeisterungsfähig und es braucht eine gute Geschichte, und die zieht alle Kinder in ihren Bann.

Im besten Fall ist eine Inszenierung so konzipiert, dass die Kinder die ganze Zeit über dabeibleiben. Wie viele verschiedene Gefühle angesprochen werden und welche Art von Emotionen darin vorkommen, spielt dabei gar nicht die größte Rolle, vor allem muss das Timing stimmen.

Wie kann man sich die Spielplanentwicklung im Burgtheaterstudio vorstellen?

Da das Burgtheaterstudio ein Teil des Burgtheaters ist, orientieren wir uns unter anderem an den Themen und Debatten, die im gesamten Haus verhandelt werden. Ich bin eng mit der Dramaturgie verbunden, nehme an den Dramaturgiesitzungen teil und bekomme dadurch sehr viel mit. Dann geht es darum, wie wir mit diesen Themen im Burgtheaterstudio umgehen möchten. Darüber hinaus sind wir für aktuelle Themenbereiche und Diskussionen offen und halten permanent Ausschau nach guten Stücken.

Sie haben in München das JUNGE RESI geleitet und mitaufgebaut. Ist Ihnen der Wechsel nach Wien schwergefallen?

Ich habe mich sehr gefreut, als Martin Kušej mich gefragt hat, ob ich ihn nach Wien begleiten möchte,  da ich bereits zuvor sehr gerne in Österreich in Graz gelebt und gearbeitet habe. Einige Dinge, die wir in München aufgebaut haben, konnten wir ans Burgtheater mitnehmen, andere haben wir für Wien adaptiert, weil wir hier andere neue Schwerpunkte setzen wollen. Mit dem Vestibül hat das Burgtheaterstudio eine eigene Spielstätte bekommen. Und wir zeigen in dieser Spielzeit erstmals auch ein Stück im Akademietheater.

Kommt es vor, dass Kinder zu richtigen Fans „ihrer“ Schauspieler:innen werden?

Definitiv. Ich finde es immer unglaublich schön, Kinder dabei zu beobachten, wenn sie ihre „Lieblinge“ entdecken. Und welche Begeisterung es auslöst, wenn die Schauspieler:innen dann auch zu ihnen in die Klassenzimmer kommen. Auch ich wurde in Schulen schon hin und wieder als „die Frau vom Theater“ identifiziert und auch schon so angesprochen (lacht). Und ich kann mir gut vorstellen, dass das in Wien noch sehr viel stärker ausgeprägt ist, weil hier diese enge Beziehung zu den Schauspieler:innen eine noch größere Tradition hat.

In dieser Spielzeit wird erstmals auch ein Stück des Burgtheaterstudios im Akademietheater gezeigt.

Foto: Reinhard Werner

Zur Person: Anja Sczilinski

Bevor sie mit Martin Kušej von München nach Wien wechselte, leitete Anja ­Sczilinski das JUNGE RESI, die Kinder- und Jugendtheaterschiene des Münchner Residenztheaters, die sie auch mitaufgebaut hat. 

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