Filme wie „A Clockwork Orange“ oder „Es war einmal in Amerika“ verhalfen der Ouvertüre aus Rossinis Oper „La gazza ladra“ zu Weltruhm. Die musikalische Einleitung trage außerdem erheblich dazu bei, die Grunddynamik des Flugs der Elster bildlich heraufzubeschwören, erklärt Opernregisseur Tobias Kratzer im Interview mit der BÜHNE. Der gebürtige Landshuter hat die selten gespielte Opera semiseria für das MusikTheater an der Wien inszeniert. Teil seines Teams: Videokünstler Manuel Braun. Seit rund acht Jahren sind die beiden einander künstlerisch eng verbunden. Wenn Braun an seine ersten Schritte im Theater zurückdenkt, stellt er fest, dass ihn die Verknüpfung von Bühne und Video von Beginn an faszinierte. „Als Kind habe ich die Augsburger Puppenkiste imitiert, also kleine Marionetten-Filme gedreht. Die hybride Form aus Video und theatralem Setting scheint mich schon damals angezogen zu haben.“

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Das führte allerdings auch dazu, dass er sich einige Zeit später in Sachen Ausbildung an einer Weggabelung befand. „Ich war mir zunächst nicht sicher, ob ich Film studieren oder lieber ans Theater gehen möchte. Mein Herz schlug dann aber doch eindeutig fürs Theater“, erinnert sich Manuel Braun, den wir kurz vor der Premiere von „La gazza ladra“ im Museumsquartier treffen. Eine seiner ersten Stationen war das Münchner Volkstheater, wo er als Regieassistent an mehreren Produktionen beteiligt war. „Schon während dieser Zeit haben mich Regisseur*innen immer wieder gefragt, ob ich für sie kleine Video-Einspieler machen könnte. Teilweise haben sie mich dann auch an andere Häuser mitgenommen und so kam das Ganze ins Rollen.“

Frei von Moral

Seit einigen Jahren konzentriert sich Manuel Braun vor allem auf den Bereich Musiktheater. „Das liegt einerseits daran, dass ich eine große Leidenschaft für Musik habe und die Möglichkeiten, sich mit Video auszudrücken in der Oper sehr groß sind, andererseits ist die Arbeit mit Tobias Kratzer und dem Bühnenbildner Rainer Sellmaier auch einfach sehr speziell. Speziell schön!“, erklärt er lachend. Zu dieser speziell schönen Arbeitsatmosphäre trage unter anderem bei, dass die Zusammenarbeit wie bei einem perfekt laufenden Zahnrad funktioniere, so Braun. Außerdem: „Für Tobias Kratzer ist Video nie ein dekoratives Element, sondern immer aus dem Konzept heraus notwendig. Es gibt also in der konzeptuellen Setzung einer Inszenierung eine Notwendigkeit für Video.“

Vogelperspektive: La gazza ladra
Manuel Braun ist Videokünstler und Theaterregisseur. Neben eigenen Regiearbeiten gestaltet er Video für Oper. Ihn verbindet eine jahrelange Zusammenarbeit mit Tobias Kratzer und Rainer Sellmaier. Diese führte ihn unter anderem an die Opéra Bastille in Paris

Foto: Lenja Schultze

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Bei „La gazza ladra“ war dem gut eingespielten Team rund um Tobias Kratzer, Rainer Sellmaier und Manuel Braun schnell klar, dass die Vogelperspektive die Inszenierung schon mit Einsetzen der Ouvertüre begleiten solle. „Ein sehr sinnliches Motiv“, wie Manuel Braun festhält. Er setzt fort: „Auf ebenso sinnliche wie unterhaltsame Weise zeigen wir dem Publikum, wie die Elster die Welt sieht – und dabei natürlich auch funkelnde Dinge stibitzt. Das Schöne an ihrer Perspektive ist, dass sie frei von Moral und Wertung ist. Die Elster klaut einfach Dinge, von denen sie sich durch ihr Funkeln angezogen fühlt – ob es sich dabei um einen wertvollen Löffel oder um einen Bierdeckel handelt, ist ihr egal. Die Bewertung erfolgt erst durch die Menschen.“ Darüber hinaus empfand er es als großes Geschenk, die weltbekannte Ouvertüre bebildern zu dürfen.

Vogelperspektive: La gazza ladra
Die Perspektive der diebischen Elster spielt in Tobias Kratzers Inszenierung eine wichtige Rolle.

Foto: Monika Rittershaus

Das Leben als Inspirationsquelle

An seinem Job schätzt Manuel Braun unter anderem, dass er ihm ständig die Möglichkeit eröffnet, an neuen Welten mitzubauen. „Jedes Projekt hat seine ganz eigenen Herausforderungen“, merkt er an und nimmt einen Schluck von seinem Sodazitron. Bei der Frage nach dem Stellenwert von Video im Musiktheater muss er schmunzeln – es ist nicht das erste Mal, dass er danach gefragt wird. „Eigentlich müsste die Frage doch lauten, ob man die Oper konzertant hören will oder lieber eine Inszenierung sehen möchte. Ist Letzteres der Fall, sind meiner Meinung nach alle Mittel erlaubt, um diese Welt zu erzählen. Es wird ja auch nicht in Frage gestellt, ob man ein Bühnenbild braucht. Video ist eines von vielen Gestaltungsmitteln – nicht mehr und auch nicht weniger. Es gibt auch bewusst kein Ranking – jedes Mittel dient der Sache und der Vision, die dahintersteckt.“

Wenn es um die für seine Arbeit wichtigste Inspirationsquelle geht, muss Manuel Braun nicht lange überlegen. „Das ist für mich eindeutig das Leben – all das Schöne daran, aber auch all die Dinge, die einen im Laufe eines Lebens durchbeuteln“, findet er klare Worte. In emotional überwältigenden Momenten dient ihm seine Arbeit auch als Ventil, fügt er daran anknüpfend hinzu. „Ich finde es auch vollkommen in Ordnung, sich selbst und die eigene Arbeit immer wieder zu hinterfragen. Sich selbst hin und wieder die Frage zu stellen, ob man das wirklich noch machen möchte. Dadurch entscheide ich mich immer wieder bewusst dafür. Das empfinde ich ebenfalls als Inspiration.“

Dafür bräuchte er, schließt Manuel Braun seine Ausführungen ab, immer wieder auch bewusst geplante Lücken. Oder auch: etwas Abstand für den Blick auf das große Ganze. Vielleicht sogar so etwas wie eine Vogelperspektive.

Zu den Spielterminen von „La gazza ladra“ in der Halle E im Museumsquartier