Theaterstücke und Opern für die Weihnachtsfeiertage
Wer vor lauter bunt geschmückten Tannenbäumen den Wald nicht mehr sieht oder das Gefühl hat, jede weitere Minute „Love Actually“ könnte zu einer akuten Überdosis Weihnachtskitsch führen, der oder dem sei ein Theater- oder Opernbesuch empfohlen. Auch an den beiden Weihnachtsfeiertagen gibt es einiges zu sehen.
25. Dezember:
Rieke Süßkow inszeniert Peter Handkes aktuellen Text „Zwiegespräch“ mit fünf Spieler*innen und als Dialog zwischen den Generationen. „Für mich ist es ein hadernder und zaudernder Text“, sagt die Regisseurin über den nicht explizit für das Theater geschriebenen Text, der im Akademietheater zur Uraufführung kommt. „Dieses Ringen mit sich selbst, aber auch zwischen den Generationen spürbar zu machen ist mir bei dieser Arbeit sehr wichtig.“ Außerdem ist es für sie ein Text, in dem es unter anderem um die Angst vor dem Verschwinden, um den Verlust der eigenen Stimme, aber auch um das Erbe und die Frage, was man an die nächste Generation weitergibt, geht.
Die Faszination, die von Shakespeares sinnlichem Klassiker ausgeht, ist bis heute ungebrochen. Das Verwirrspiel rund um die Verkleidung Rosalindes, die sich im Ardenner Wald als Ganymed ausgibt, ist jedoch alles andere als bloß ein komisches Element, sondern vor allem eine lustvolle Aufhebung von Zuschreibungen. „Das Stück wirft Fragen auf, die weit über die Ebene der reinen Unterhaltung hinausgehen“, sagt Nina Siewert, die in Tina Laniks Inszenierung von „Wie es euch gefällt“ im Burgtheater Rosalinde spielt.
Die Opéra-comique von Gaetano Donizetti wurde im Februar 1840 in Paris uraufgeführt. Die Handlung ist schnell erzählt, denn die Oper handelt im Grunde von einer jungen Liebe, die zunächst scheitert, dann aber erfolgreich ist. In der in der Staatsoper gezeigten zeitlosen und elegant-komischen Inszenierung von Laurent Pelly kommt überdies der kabarettistisch angelegten Sprechrolle der Herzogin von Crakentorp ein besonderer Stellenwert zu.
Karl Dönchs Inszenierung der Märchenoper von Engelbert Humperdinck hat über die Jahre nichts von ihrer Faszination verloren. Der unverzichtbare Klassiker im Volksopernrepertoire für alle ab 6 begeistert immer wieder aufs Neue. Wenn die Hexenattrappe über das Publikum zischt, sind nicht nur die Kinder im Publikum hingerissen
26. Dezember:
Wem gehört die Stadt? In Daniel Kehlmanns schwarzer Komödie „Nebenan“ entsteht ein bitterböser Streit um Macht- und Besitzverhältnisse. Im Zentrum: der erfolgreiche Schauspieler und Gentrifizierungsgewinner Florian (Florian Teichtmeister) und der ehemalige Ost-Berliner Bruno (Norman Hacker), der es sich zum Ziel gemacht hat, seinen Nachbarn mit seinen dunkelsten Abgründen zu konfrontieren. Martin Kušej inszeniert das bitterböse Kammerspiel im Burgtheater.
Wenn in Wien Schnitzler gespielt wird, heißt es schnell sein. Das gilt auch für Barbara Freys Inszenierung des 1910 uraufgeführten Stücks „Das weite Land“, das eine weitgehend halt- und orientierungslose Gesellschaft an einem gesellschaftlichen Wendepunkt zeigt. Michael Maertens spielt den Fabrikanten Friedrich Hofreiter, Katharina Lorenz seine Frau Genia und Nina Siewert die junge Erna Wahl.
Die Jugendoper „Tschick“ basiert auf der Handlung des gleichnamigen Romans von Wolfgang Herrndorf und erzählt von der gemeinsamen Reise von Maik, Tschick und später auch Isa. „Auf der Reise, die die beiden Hauptfiguren in Tschick unternehmen, begegnen wir den unterschiedlichsten Figuren – witzigen, skurrilen Figuren, die zum Nachdenken anregen und die Reibungsflächen für einen selbst anbieten. Denn das Stück erzählt Gesellschaft im Mikrokosmos. Es gibt wenige Opern, die so viele gesellschaftliche Gruppen widerspiegeln, in denen so viele Typen mit so unterschiedlichen Hintergründen auftreten“, sagt Regisseurin Krysztina Winkel über ihre Road Opera für alle ab 13.
Mit dem 1911 uraufgeführten „Rosenkavalier“ gelang Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal die Gestaltung einzigartiger Momente der Operngeschichte: von den Monologen der Marschallin über die Rosenüberreichung bis zum verklärten Schlussterzett. Dabei sollte das Kolorit eines erfundenen theresianischen Wiens weniger zur sentimentalen Rückschau einladen, als einen Blick ins Kaleidoskop menschlicher, auch gebrochener, Empfindungswelten gestatten.
Verwilderte Sprechoper, irrwitzige Groteske, bildgewaltiges Musiktheater – all das ist „humanistää!“. Außerdem ist Claudia Bauers Wien-Debüt mit Sicherheit das meistausgezeichnete Stück des nun zu Ende gehenden Theaterjahres. Bauer verbindet darin Ernst Jandls Einakter „Die Humanisten“ mit seinem wehmütig-humorvollen Künstlerdrama „Aus der Fremde“ und Texten aus seinem umfangreichen lyrischen Werk. Die Sprache selbst wird zum lebendigen Akteur, die durch Verfremdung und Verstümmelung neue Wirklichkeiten eröffnet.
Puccinis Oper erzählt die Liebesgeschichte von Mimì und Rodolfo vor dem Hintergrund des Milieus der Pariser Künstler*innen, Studierenden, Näher*innen und Prostituierten. Für den Dichter Rodolfo und seine Künstlerfreunde ist das Leben nur ein Spiel, mit dem sie der Bourgeoisie entfliehen können. Aber als seine neu gefundene Liebe Mimì krank ist und im Sterben liegt, nimmt das Leben eine andere Form an und wird plötzlich sehr real. Für diese Neueinstudierung zeigt die Volksoper Wien Harry Kupfers bereits legendäre Inszenierung in italienischer Sprache. Als Mimì ist Annett Fritsch zu hören und zu sehen.
Sir Robert Chiltern ist ein populärer, gutaussehender und vermögender Politiker kurz vor dem Aufstieg ins Kabinett. Seinen Reichtum verdankt er einem Insidergeschäft, getätigt am Anfang seiner Blitzkarriere. Das weiß allerdings nur Mrs. Cheveley, die Chiltern nun damit erpresst. Gegen seine Überzeugung soll er im Parlament für den dubiosen Hyper-Alpenskandal stimmen, in den Cheveley einiges an Geld gesteckt hat. Elfriede Jelineks Neufassung der Polit-Komödie von Oscar Wilde steckt, obwohl sie im England des ausgehenden 19. Jahrhunderts spielt, voller Seitenhiebe auf die Gegenwart.