Spaß, Identifikationsfiguren, Einbindung in das Geschehen und Musik, die sich nicht auf drei Akkorde beschränkt: Wer Kinder(musik)theater ernst nimmt, bietet seinem jungen Publikum das und noch viel mehr. So setzen beispielsweise die Macher*innen von „Ritter Rost“ beim Kindermusicalsommer in den Kittenberger Erlebnisgärten „nach wie vor auf Ritter Rost, weil ihn die Kinder lieben, aber auch, weil die Musicalversion einfach sehr gute Musik enthält“, sagt Intendant und Regisseur Werner Auer. „Bei Kindern heißt es ja ansonsten teils: Na, drei Akkorde Musik, ein Minikeyboard, sie klatschen mit, das reicht schon. Natürlich wäre das auch okay, aber es hat für mich keinen Theateranspruch.“

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Komponist Felix Janosa ermögliche den jungen Zuschauern in seiner Vertonung der Kinderbuchreihe von Jörg Hilbert, verschiedene Stile kennen zu lernen, beschreibt Auer: „Mal hat er Musik aus den 1940ern und 50ern dabei, dann Big Band-Arrangements, dann wieder solche aus den 70ern. Es ist jedenfalls sehr gute, ernst gemeinte Musik.“ Außerdem lieben die Kinder die Figuren, die beim Kindermusicalsommer in Schiltern bei Langenlois bereits seit 10 Jahren auf die Bühne kommen: Den Ritter, der ein wenig einfältig ist, sein schlaues Burgfräulein und Koks den Drachen, „der auch mal Sachen sagen darf, die Kinder daheim nicht aussprechen dürfen“, so Auer. „Manche Kinder mögen ihn, andere wieder den Ritter oder Bö am liebsten.“

Wenn man das Publikum von morgen jetzt schon verdirbt, war's das. Man hat nur eine erste Chance für den ersten Eindruck – und muss die volle Aufmerksamkeit der Kinder haben.

Werner Auer

Austoben, dann ins Theater

Dass die Aufführungen in den Kittenberger Erlebnisgärten stattfinden, wo die Besucher oft den ganzen Tag auf Rutschen, am Bach, in Hängematten oder im Streichelzoo verbringen und dann eben zum Musical kommen, erleichtere den Theaterbesuch auch, sagt Auer: „Wir können sie auch ein wenig damit ködern, dass sie sich austoben, dann ins Theater gehen und dann nochmals zu den Tieren dürfen. Das nimmt etwaige Scheu vor dem Theaterbesuch und eine Stunde zu sitzen ist dann gar kein Problem.“

Außerdem versuche er die Kinder immer auch ein wenig einbinden: „Nicht zu viel, damit es den Spielfluss nicht bricht, aber ihr Anfeuern verschiedener Figuren oder ihre Hilfe in verzwickten Situationen – wie beim Kasperl, der vor dem Krokodil gewarnt wird – gibt ihnen das Gefühl, etwas beizutragen.“

Heuer ist beim Kindermusicalsommer „Ritter Rost und die Hexe Verstexe“ auf dem Programm, bei dem die Hexe Ritter Rost Koks abkaufen möchte. Für Auer ist klar: „Wenn man das Publikum von morgen jetzt schon verdirbt, war's das. Man hat nur eine erste Chance für den ersten Eindruck – und muss die volle Aufmerksamkeit der Kinder haben.“

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Mit Rockmusik auf Neros Spuren

Auf gute Musik und die Begeisterung der Kinder für das Genre Theater setzt auch Alexander Hauer, Intendant der Sommerspiele Melk. Er stellt heuer mit „Fred Feuerlöscher“ eine Verbindung zu seinem Hauptstück „Nero“ her. „Es soll eine abenteuerliche Reise mit Musik werden, auf der wir schauen, welche Spuren Neros wir finden. Mit dabei sind Revue-Songs, Pop, Rock und Kinderlieder – wobei ich nicht weiß, für wen wir die Kinderlieder spielen. Denn die jungen Besucher lieben oft die Rockmusik besonders“, sagt er verschmitzt. Gemeinsam mit Pädagogen wird ausgesucht, was Kinder von heute gerne singen. Vor allem aber wird rund um die Songs eine stimmige Geschichte geschaffen: „Heuer versuchen wir, zu vermitteln, dass man Vertrauen in sich selbst haben soll: Wenn es brennt, dann lösch, wenn dir jemand etwas Böses tun will, dann hol Hilfe...“, erklärt Hauer.

Die Qualität des Theaters für Kinder ist sehr gestiegen.

Alexander Hauer

Wie man Kinder für Theater begeistern kann, habe sich auch durch den gestiegenen Medienkonsum gegenüber früher nicht verändert, findet er: „Früher waren sie genauso gelangweilt oder eben nicht. Sie benötigen, dass man sie ernst nimmt und dass der Live-Moment funktioniert. Eventuell sind sie fordernder, weil sie Inhalte schon kennen – dem muss man sich stellen. Aber sie sind genauso abholbar wie anno dazumal.“ Was aber anders sei als noch vor einigen Jahren: „Die Qualität des Theaters für Kinder ist sehr gestiegen.“

Von „Ritter Rost“ bis Bremer Pop-Musikanten
Die Bremer Stadtmusikanten mit Intendantin Nina Blum.

Foto: Martin Hesz

Bremer Pop-Musikanten

Vielfalt der Musik steht auch beim Märchensommer Poysbrunn hoch im Kurs. Dort lässt man diesmal die Bremer Stadtmusikanten in einer sehr freien Adaption des Märchens der Brüder Grimm eine Band gründen. Zwar vereiteln die bösen Ratten, die „Mafiabosse“ in Bremen, den ersten Auftritt von Esel, Hund, Katze und Hahn. „Nach einem fürchterlichen ersten Auftritt in Bremen, bei dem sie amateurhaft wirken, trennen sich die vier Bandmitglieder wieder voneinander und suchen jede und jeder für sich ihr Glück in einem fernen Land“, beschreibt Intendantin Nina Blum im Interview.

„So gelangt der Hund nach Afrika, wo er auf einen Elefanten trifft und von diesem afrikanische Rhythmen und die ein oder andere Lebensweisheit erlernt. Der Esel trifft in Mexiko auf einen Schmetterling. Der Hahn lernt in Indien eine heilige Kuh kennen und die Katze in Schottland einen schlauen Fuchs. Mit neuer musikalischer Inspiration, neuen Liedern und Selbstbewusstsein treffen sie in Bremen erneut aufeinander, um ihr Comeback zu versuchen….“ Ihr gefällt, so Blum, dass man durch die Adaption, „unterschiedliche Musikstile aus der ganzen Welt ins Zentrum gerückt hat. Natürlich ist auch das Thema der Vertreibung und Heimatlosigkeit gerade sehr aktuell. Vor allem geht es uns aber um die Sehnsucht, seine wahre Bestimmung zu finden.“

Das Reisen der Tiere passt natürlich ideal zum Wandertheaterkonzept, das in Poysbrunn gepflegt wird. „Für Kinder ist das Wandern von einem Spielort zum anderen besonders reizvoll. Denn so machen sie ihre ganz persönlichen Reiseerlebnisse. Auf den Wegen bleibt die Spannung erhalten, da die Künstler mit dem Publikum interagieren. Heuer wird viel gesungen,“ so Blum. Und da die Zuschauer zwischenzeitlich jeweils einem der vier Tiere zugewiesen werden, gibt es danach auch viel von dem zu erzählen, was die anderen erlebt haben.

Dornröschen in Quarantäne

Wer bietet außerdem noch spezielles Programm für Kinder an? Da ist beispielsweise das Theaterfestival „HIN & WEG“ in Litschau, das in seinem vielfältigen Angebot heuer auch „Dornröschen wach auf“ samt Barockmusik präsentiert: Eine Märchenadaption über Kinderängste und Kinderfantasien eines Mädchens in Quarantäne als Schattentheater.

Auch der neuen Leiterin der Festspiele Reichenau, Maria Happel, ist es ein Anliegen, junges Publikum anzulocken. So spielt man einerseits „Frühlings Erwachen“, wobei hier zahlreiche Nachwuchsschauspieler aus dem von ihr geleiteten Max Reinhardt Seminar mit dabei sind. Andererseits erklärt sie die Causa zur Chefinnensache und liest selbst „Peter und der Wolf“, begleitet von jungen Musikern der mdw – Universität für Musik und Darstellende Kunst.

Von „Ritter Rost“ bis Bremer Pop-Musikanten
Seit 2007 bringt das gutgebrüllt-Team und sein Ensemble Theaterklassiker zur Aufführung. In diesem Jahr ist es „Löcher - Das Geheimnis von Green Lake".

Foto: Moritz Schell

Im teatro Mödling hat man heuer „Robin Hood“ als Musical angesetzt. Für die Kleineren spielt man „Schneewittchen“, ebenfalls als Musical. Wer die Geschichte der Oper „Carmen“ genauer kennenlernen möchte, kann in Gars am Kamp an einer „Carmen-Erlebnis-Tour“ für Kinder teilnehmen und hinter die Kulissen der dortigen Opernproduktion blicken. Intendant Johannes Widlner vermittelt dem jungen Publikum selbst, warum die berühmte Musik von Georges Bizet die dramatische Geschichte so eindrücklich vermittelt.  

In Wien begrüßt das Ensemble von „gutgebrüllt“ diesmal mit „Löcher – Die Geheimnisse von Green Lake“ in der Regie von Werner Sobotka und Niklas Doddo, elf Jugendliche zwischen elf und 19 Jahren zeigen eine Geschichte über Freundschaft und Zivilcourage. Spielorte sind der Lebensbaumkreis am Himmel, die Hohe Warte und der Hauptplatz in Retz.