Einen Jux will sie uns machen
Touristen machen Knickse vor ihr. Ein Taxler warf sie raus. Das Orgelspiel verbindet sie mit Elfriede Jelinek, und für die Festspiele Reichenau hat Maria Happel ein paar feine Überraschungen geplant – Joachim Meyerhoff inklusive.
Der Blick in den Rückspiegel glänzt. Und zwar golden. Manch Vergangenes wird erst mit der nötigen Distanz beeindruckend: Da ist dieser Schauspieler, erfolgreich im Fernsehen, aber dreißig Jahre lang bühnenabstinent. Dann kehrt er auf diese zurück, und zack, kriegt er den Nestroy.
Maria Happel hat Stefan Jürgens, ihren ehemaligen Fernsehserienkollegen, in ihrer ersten Saison als Intendantin der Festspiele Reichenau als des Teufels General besetzt, und er dankte es ihr mit dem wichtigsten Theaterpreis des deutschsprachigen Raums. Spiel, Satz und Sieg.
Happel, selbstkritisch: „Im Nachhinein ist man immer g’scheiter: Das Stück hätten wir ein paarmal öfter ausverkauft spielen können. Dafür andere ein paarmal weniger.“ So war Reichenau mit guten 76 Prozent ausgelastet, bei mehr als hundert Vorstellungen. „Eine erste Saison ist immer auch eine Lernphase. Ticketing ist wie Aktienhandel. Man muss es genau beobachten, und das tun wir jetzt.“ Übersetzt: Wenn eine Vorstellung super im Vorverkauf laufen sollte, dann wird sie auch öfter aufs Programm gesetzt werden. Richtig? Maria Happel schaut schelmisch und lacht dann ihr kehliges Lachen. „So oder so ähnlich …“
Kantine des Akademietheaters, zwei Stunden vor der Aufführung von Thomas Bernhards „Die Jagdgesellschaft“ (Regie: Lucia Bihler). Sie wissen schon, das ist das Stück mit den roten Lackanzügen. Bald 30-mal wurde es seit der Premiere im Mai 2021 schon gespielt. Es ist ein Erfolg. „Ja, man merkt, dass sich die Theater wieder füllen“, sagt Happel.
Ein Mann kommt an unserem Tisch vorbei, grüßt und sagt: „Wir sehen uns bei der Aufführung. Ich bin heute im Publikum.“ Dann geht er einfach weiter. Happel lächelt höflich und nickt. Beckett hätte seine Freude an dieser absurd netten Szene gehabt.
Man merkt, dass sich die Theater wieder füllen.
Maria Happel
Wir sind hier, um über ihr Reichenau-Programm zu reden. Von Anfang Juli bis zum 6. August wird gespielt. Die Auswahl der Stücke ist schlau. Ebenso die Besetzungen. Wer auf zum Teil ausverkaufte Vorstellungen wettet, könnte richtigliegen. An der inhaltlichen Bandbreite ist zu sehen, wie breit die Karriere von Maria Happel aufgestellt ist: Alle Stücke und Spielenden haben damit etwas zu tun. Die Happel begleitet Theaterbegeisterte seit Jahrzehnten. Uns seit 1994.
Als ich Sie das erste Mal auf der Bühne gesehen habe, saßen Sie neben Kirsten Dene am Klo …
Happel schaut kurz verblüfft und lacht dann laut los.) „Raststation“ von Elfriede Jelinek war das. Ich mochte den Sprachrhythmus der Jelinek immer schon sehr gerne und habe mir beim Spielen leicht damit getan. Vielleicht liegt es daran, dass wir beide Organistinnen sind – ihr ganzer Textzugang ist sehr fugenartig.
Wie kamen Sie zum Orgelspiel?
Die Orgelbank war Familientradition. Es war naheliegend, dass ich, als ich eine gewisse Körpergröße erreicht habe, dann auch spiele. Eines Tages – meine Schwester war schwanger und ihr war schlecht – musste ich die Frühmesse spielen …
Robert Meyer wird in Reichenau „Einen Jux will er sich machen“ inszenieren und Knecht Melchior spielen, als Lehrbub Christopherl ist Paula Nocker, Happels Tochter, besetzt. Der Zusammenhang?
Der Christoperl war Meyers Antrittsrolle im Burgtheater, und der Muliar hat den Melchior gespielt. Der Meyer hat nun gesagt: „Ich inszeniere nur, wenn ich den Melchior spiel.“ Und ich habe laut „Ja!“ geschrien. Ich selber habe den Christopherl unter der Regie von Achim Benning gegeben. Eigentlich war Regina Fritsch dafür vorgesehen, aber die wurde schwanger. Ich bin dann als Piefke nachgerückt und war zwei Wochen später auch schwanger und hab zum Peymann gesagt: „Eine fruchtbare Rolle!“
Hat Sie nicht ein Taxifahrer wegen Ihrer Herkunft einmal aus dem Auto geworfen?
Ja. Der Peymann war damals Direktor, und der Taxler hat gemeint, er unterstützt das nicht, dass sein Nationaltheater in deutscher Hand ist, und hat mich rausgehaut. Und das in einer Stadt, in der es ein Happel-Stadion gibt! (Lacht.)
Guntbert Warns, Intendant des Berliner Renaissance-Theaters und Charaktergesicht des deutschen Theaters und Films, wird Molières „Tartuffe“ inszenieren; Dirk Nocker spielt den Orgon. Maria Happel: „Er hat zu mir gesagt: ‚Eine Strumpfhose ziehe ich sicher nicht an.‘ Wir werden sehen, ob es ohne geht …“ Die Hauptrolle spielt Stefan Jürgens.
Das nächste Staraufgebot gibt es dann in Joseph Roths „Kapuzinergruft“: Claudius von Stolzmann, Wolfgang Hübsch und Julia Stemberger. „Stemberger kommt zurück, weil sie für das Publikum ganz oben auf der Wunschliste stand, und mit Wolfgang Hübsch war ich einmal auf einer Japan-Tournee mit der ‚Czárdásfürstin‘. Ich hab ihn letztens in den Kammerspielen gesehen: Er ist immer noch so unglaublich agil.“
Haben Sie die „Kapuzinergruft“ ausgewählt, weil Sie einmal als Kaiserin Maria Theresia in der Gruft Hof gehalten haben?
(Lacht.) Ich habe Werbung für das Musical „Die Habsburgischen“ gemacht und bin im Kostüm die Kapuzinergruft hinunter. Da war eine Reisegruppe, und die haben sogar einen richtigen Knicks gemacht und sich verbeugt, die dachten wohl, das gehört zum Programm …
Werner Schwabs „Präsidentinnen“ besetzen Sie mit Marcello De Nardo als Erna, und Petra Morzé spielt die Mariedl – sie spielt also ein bisserl sich selbst …
(Lacht.) Sie war die allererste Idee, und mit Marcello habe ich zusammengearbeitet, als ich in Reichenau „Lulu“ inszeniert habe – ich freu mich, dass er zeigen kann, was er alles draufhat.
Mich und mit Sicherheit viele, viele andere wird freuen, dass Sie Joachim Meyerhoff auftreten lassen. Leider ist er ja in Wien nicht mehr am Theater zu sehen.
Mit ihm habe ich alleine zwölf Spielzeiten lang im „Sturm“ gespielt. Danach sind wir immer zusammengesessen, haben Salzbrezeln gegessen und überlegt, wie wir es noch besser machen können, und irgendwann haben wir uns so aufeinander verlassen können, dass es Theaterspielen in seiner pursten Form wurde. Er schreibt gerade an seinem neuesten Buch, und da wird es auch ein Kapitel über diese Zeit geben. Er hat diese unglaubliche Liebe zum Wort. Wenn ich heimlich an die Orgel gehe, dann schreibt er schnell mal einen „Spiegel“-Bestseller. (Lacht.)
Orgel ist ja eh auch super. Es wird eine Gesprächsreihe „Frauenzimmer“ geben – eine Antwort auf die „Alten Meister“ mit Peymann und Co vom letzten Jahr?
Ja. Erika Pluhar, Caroline Peters, Regina Fritsch, Emmy Werner, Stefanie Reinsperger, Brigitte Kren und Sona MacDonald werden mit mir je einen Duo-Abend machen. Jede dieser Frauen hat ihre Geschichte und ihr besonderes Thema – und das bringen sie mit, es liegt eigentlich alles auf der Hand.
Werden Sona und Sie auch singen?
Das wird sich nicht vermeiden lassen …
Sona MacDonald wird übrigens mit ihrem Sohn Skye und Regina Fritsch mit ihrer Tochter je einen Abend bestreiten – Reichenau als Familientreffen der Schauspieler*innen und der Zuschauer*innen.
Wir reden noch kurz über das Familienstück („Karneval der Tiere“). Aber über den Lautsprecher werden bereits die ersten Bühnendurchsagen gemacht. Maria Happel muss los, „noch einmal die Worte durchlesen“, wie sie sagt.
Die Kantine des Akademietheaters steht übrigens allen offen. Aber vielleicht sollten Sie nicht unbedingt direkt vor einer Vorstellung hingehen – der Küchengeruch würde Sie bis hinein ins Theater begleiten …
Zur Person: Maria Happel
1991 holte Claus Peymann Maria Happel ans Burgtheater.
1999 wechselte sie mit ihm nach Berlin, aber es zog sie wieder nach Wien zurück. Seit 2002/03 gehört die vielfach ausgezeichnete Theater-, TV- und Kinoschauspielerin wieder zum Ensemble des Burgtheaters. Seit 2022 ist sie auch die künstlerische Leiterin der Festspiele Reichenau.