Derzeit ist Peter Lund noch in Graz, ab demnächst aber schon im Renaissancetheater in der Wiener Neubaugasse. Er wird das Stück „Frau Zucker will die Weltherrschaft“ inszenieren. Wir haben den Regisseur zum Interview getroffen.

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In medias res – worum geht es in dem Stück?

Frau Zucker will die Weltherrschaft“ hat eine simple Grundidee, nämlich die Tatsache, dass in jedem Kind so viel Energie steckt wie in 400 Millionen Tonnen Rohöl. Wenn man diese Energie dem Kind absaugt, kriegt man so viel Energie, dass man Wien drei Jahre lang versorgen könnte. Und das weiß auch die Meggi, unsere Hauptheldin, die die Welt und vor allem die Kinder retten muss, damit die böse Mafia von Frau Zucker nicht alle Kinder zu Erwachsenen macht.

Sie haben dieses Stück schon einmal inszeniert, nämlich 2011 in der Neuköllner Oper in Berlin. Wie ist es für Sie, ein Stück wiederaufzunehmen? Was ist anders?

Anders sind auf jeden Fall die Besetzung und dass neue Menschen das Stück mit Leben erfüllen. Durch die Energiekrise, den Krieg und die Ölknappheit hat das Stück schrecklich an Aktualität gewonnen. Das wussten wir damals vor zehn Jahren nicht, aber man hat so eine Art Instinkt, wohin die Reise geht. Dass die Kinder durch die Maschine, die im Badezimmer steht, erwachsen werden, ist wiederum von der von mir sehr geschätzten Christine Nöstlinger inspiriert. Ich muss sagen, das ganze Stück ist inspiriert von einer meiner Heldinnen des Kinder- und Jugendbuches. Eines ihrer Werke war auch das Thema meines allerersten Musicals, nämlich des „Gurkenkönigs“ …

Peter Lund inszeniert „Frau Zucker will die Weltherrschaft"
Peter Lund beim Shooting in Graz.„Durch die Energiekrise, den Krieg und die Ölknappheit hat das Stück schrecklich an Aktualität gewonnen.“

Peter Lund beim Shooting in Graz.„Durch die Energiekrise, den Krieg und die Ölknappheit hat das Stück schrecklich an Aktualität gewonnen.“ Foto: Lupi Spuma

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Stellen sich neue Schwierigkeiten in den Weg, wenn Sie das Stück wiederholen?

Für mich ist es wahrscheinlich noch schwierig, von den Ideen der ersten Produktion Abschied zu nehmen. Aber da bin ich optimistisch, und es passiert viel Neues, darauf kann man sich verlassen.

Sie stellen oft die Wirklichkeit einer satirischen Bearbeitung von Märchen gegenüber. Worauf legen Sie den Fokus, wenn das Märchen in der Gegenwart spielt?

Die Grundidee ist nicht so schwierig. Es ist kein Geheimnis, dass hinter dem Stück die Geschichte von Hänsel und Gretel steckt. Es ist ein in die Moderne gekipptes Märchen. Ich wundere mich, dass viele Geschichten nicht in der heutigen Zeit spielen. Vielleicht, weil Musiktheater für die meisten Menschen etwas Surreales ist. Wenn man Märchen in die Jetztzeit zieht, bekommt dieses abstruse Verhalten einen ganz anderen Sensationsmoment. Obwohl die Handlung surreal ist – die Figuren sind es nicht. Die müssen hochgradig logisch bleiben: emotional, echt, wahrhaftig. Es ist ein recht simples Rezept.

Die Erwachsenen sollten darauf achten, dass die Kindheit kostbar ist.

Peter Lund, Regisseur

Was will „Frau Zucker will die Weltherrschaft“ dem Publikum mitgeben? Größenwahnsinnig gesagt, wie soll sich das Leben der Zusehenden durch das Stück verändern?

Ich glaube, dass sich das Leben dann ein bisschen verändert, wenn man überhaupt einmal drei Stunden eine andere Perspektive einnimmt. Das tun wir viel zu selten. Dass man wirklich sieht, was vor einem passiert; das verändert uns zumindest für die Stunden, die wir dasitzen. Und natürlich ist im Theater ein bisschen moralische Anstalt drin.

Was würden Sie sich vom Publikum wünschen?

Auf jeden Fall mehr den Kindern zuzuhören. Die Kinder sollen bestärkt werden, achtsam zu sein und sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Erwachsenen sollen darauf achten, dass die Kindheit kostbar ist. Wenn sich jeder daran erinnert, wie seelenruhig wir in den letzten drei Jahren den Kindern durch Corona diesen Raum weggenommen haben – wir haben sie weggesperrt, damit unser Laden läuft. Und eine Gesellschaft, die so etwas tut, ist ganz schön am Ende ihrer moralischen Verwertbarkeitskette angekommen. Da kann das Stück vielleicht helfen, in den Nachwuchs zu investieren.

Haben Sie in Ihren Stücken thematisch einen roten Faden, dem Sie folgen?

Es sind fast immer Stücke, bei denen etwas gesellschaftlich dysfunktional aus dem Ruder gelaufen ist. Das interessiert mich eigentlich am meisten, weil hier jeder Schuld trägt. Wir haben die Gesetze, also haben wir die Freiheit. Warum man in einer Gesellschaft, in einer Klasse oder in einer Familie unglücklich wird, obwohl man es nicht sein müsste – das beschäftigt mich.

Was muss man beachten, wenn man für ein junges Publikum inszeniert?

Das beachte ich manchmal zu wenig. Bei Kindern muss etwas passieren. Da muss schon mal jemand auf der Bananenschale ausrutschen oder Ähnliches, also inhaltliche Konflikte müssen verkörperlicht werden. Das ist für Kinder ziemlich wichtig, weil Sprache nicht ihre erste Ebene ist.

Haben Sie für die Zukunft Wünsche bezüglich Ihres Schaffens?

Dass da noch Zukunft ist, das hoffe ich. Es wäre toll, wenn es mir in den nächsten fünfzehn Jahren gelingt, so locker zu bleiben. Dann kann ich irgendwann ein alter konservativer Sack werden. Aber bis dahin hätte ich gerne noch die Möglichkeit, mich zu freuen, wenn etwas Neues passiert.

Zu den Spielterminen von „Frau Zucker will die Weltherrschaft“ im Renaissancetheater!