Holen wir den Club der toten Dichter zurück!
Wie schafft man es, junge Menschen davon zu überzeugen, dass es fast nichts Aufregenderes, Anarchistischeres, Intimeres gibt als einen guten Theaterabend? Karin Bergmann über Shakespeare als Einstiegsdroge und die Wiederbelebung des Clubs der toten Dichter.
Ein Monolog von Karin Bergmann
‚Bei dem steht was drin!‘ In meiner Jugend sang man und frau dann skrupellos weiter. ‚Kommst du mit Shakespeare, sind die Frauen ganz hin.‘ Dieser Cole-Porter-Hit aus seinem Musical ‚Kiss me Kate‘ erzählt von der Macht des richtigen Wissens als Erfolgsschlüssel beim anderen Geschlecht. Nicht nur beim anderen. Wissen ist Macht. Macht ist verführerisch. Sprache verführt. Und was ist verführerischer als die pointierte, freche, bildhafte Sprache des Weltdichters William Shakespeare.
Ja, früher hätte zu den Aufzählungen wohl auch noch blutrünstig, schlüpfrig, seziermesserscharf gehört. Heute, wo ‚woke‘ Gemüter Triggerwarnungen für Klassiker verlangen, kann es schon sein, dass man weichgespülte Formulierungen in Übersetzungen findet. Aber wie sagt der Dichter: ‚An sich ist nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu.‘ Aber auch: ‚Mache deine Gedanken nicht zu deinem Gefängnis.‘ Die Klassiker haben es in sich. Im Cole-Porter-Hit erfährt man weiter: ‚Zeigst du Schwermut wie Herzog Orsino / wird die Liebe so schön wie im Kino (…) Deklamierst du Zeilen aus Othello / lässt sich jede/r gleich streicheln wie ein Cello.‘
„Mehr Inhalt, weniger Kunst“
Wie schafft man es, junge Menschen davon zu überzeugen, dass es fast nichts Aufregenderes, Anarchistischeres, Intimeres gibt als einen guten Theaterabend, in dem Schauspielerinnen und Schauspieler das Zentrum sind, die die Sprache souverän beherrschen und das Publikum animieren, Komplize, Partnerin zu sein bei den kühnsten Unternehmungen. Wie sagt Shakespeare: ‚Mehr Inhalt, weniger Kunst.‘
Wie großartig war es für mich, als Jugendliche zu erleben, dass Menschen sich in aller Öffentlichkeit – auf der Bühne – trauen, ihre größten Ängste, ihre geheimsten Sehnsüchte, ihre peinlichsten Dinge offen auszusprechen. Ich war live dabei und erfuhr so, dass es anderen auch so gehen kann wie mir. Danach gab es jede Menge Themen mit Gleichaltrigen, genauso verwirrten Seelen, wie ich zwischen dreizehn bis siebzehn oft selber eine war.
Die zentralen Verbündeten für dieses Ziel können und müssen Lehrerinnen und Lehrer sein. Holen wir gemeinsam den Club der (toten) Dichter zurück ins Leben! Aber warum tot und warum nur Dichter? Shakespeare als Einstiegsdroge und dann die lebenden Dichterinnen Sibylle Berg, Teresa Dopler, Maja Haderlap, Elfriede Jelinek, Maria Milisavljević, Miru Miroslava Svolikova, Lisa Wentz, um nur einige zu nennen. Weitere Ideen für Theaterclubs gerne unter: karin.bergmann@festwochen-gmunden.at
Zur Person: Karin Bergmann, Intendantin
muss man nicht erklären. Unsere Empfehlung: Schauen Sie in ihr Programm für Gmunden. Thomas Quasthoff, Stephen Gould, Birgit Minichmayr, Nikolaus Habjan, Philipp Hochmair, Markus Meyer usw. werden dort zu Gast sein. Hinschauen!
Das Programm der Salzkammergut Festwochen ist abrufbar unter: festwochen-gmunden.at