Ganz kurz nur, einen Sternschnuppen-Augenblick lang, war es da: das neue Volkstheater. Und dann war es auch schon wieder weg. Ein paar Tage im Spätfrühling zeigte Kay Voges Wien, was man von ihm und seinem Team erwarten und erhoffen darf, und dann übernahmen die Festwochen das Volkstheater – langfristige Verträge kann man nicht sprengen. Auch kein Voges. „Housewarming“ nannte er die wenigen Tage.

Anzeige
Anzeige

Ab Herbst soll es jetzt – endlich – mit dem neuen Volkstheater losgehen. „Wir stehen alle in den Startlöchern und können es kaum erwarten, uns dem Wiener Publikum zu präsentieren“, sagt Kay Voges. Und: „Wir laden alle herzlich ein zu einer Reise durch gegenwärtige und neu gelesene Dramatik, zu Grenzgängen zwischen darstellender und bildender Kunst, zu musikalischen und choreografischen Produktionen, zu diskursiven und partizipativen Formaten und zur lustvollen Auseinandersetzung.“ Und diese Reise beginnt in einem völlig neu renovierten Haus. 

Volkstheater-Direktor Kay Voges mit der Nebelmaschine im renovierten Theater.

Foto: Christian Anwander

Das ist das neue Haus

„Unser Ziel war es, die Situation für Publikum, Schauspieler und Technik massiv zu verbessern“, sagt Cay Urbanek, Kaufmännischer Direktor des Wiener Volkstheaters. Die wichtigsten Neuerungen des 27-Millionen-Umbaus im Detail:

  • Eine neue Zentralgarde­robe in der Parterrefläche hinter der Tribüne unterhalb des Balkons. 
  • Die Räume des derzeitigen Karten­büros und die Garderobe im Parterre links wurden zu einem Café, das während der Vorstellungen als Pausenfoyer genutzt werden soll, zusammengefasst. Das Café ist ganztägig geöffnet.
  • Eine neue, barrierefreie Tageskassa im Erdgeschoß an der Seite zur Neu­stiftgasse. Täglich geöffnet von 10 bis 18 Uhr. Telefon: 01/521 11-400.
  • Ein neuer Personenaufzug verbindet Erdgeschoß, 1. Stock und Untergeschoß.
  • Die Rote Bar ist eigenständig bespielbar. Unabhängig vom Theaterbetrieb können das Foyer im Erdgeschoß und die Rote Bar im 1. Stock zusammen oder getrennt genutzt werden.
  • Die gesamte Belüftung und alle Sanitäreinrichtungen wurden erneuert.Das Theater hat eine neue Seiten­bühne in Richtung Burggasse. Ein Vordach dient als Witterungsschutz. 
  • Vollautomation des Schnürbodens, Sanierung bzw. Neubau der zwei Bühnenversenkungen und der Sicherheitseinrichtungen, Neugestaltung der elektronischen Steuerung sowie Modernisierung von Bühnenbeleuchtung, Audio-, Video- und Inspizientenanlage.
  • Neuer Bühneneingang am Nord­west-Eck des Hauses. Der auf dieser Ebene barrierefreie Eingang von der Straße mit Zugang zum Bühnenaufzug ermöglicht es, den Bühnentrakt mit dem Rollstuhl und anderen Gehhilfen zu erreichen. Windfang und Portiersloge bilden ein Foyer, von dem aus auch ein großer gemeinsamer Pausenraum zu erreichen ist.
  • In einem Nebengebäude ist die sogenannte Factory entstanden: ein kreativer Raum, in dem Bühnenbild, Kostüm, Presse, Marketing und alle anderen kreativen Köpfe zusammenarbeiten können.
Seine Produktionen und sein multimedialer Zugang machten das Theater in Dortmund zum „führenden Theaterlabor“.

Foto: Christian Anwander

Anzeige
Anzeige

Neues Team nutzte Pause

Kay Voges hat die Zeit des Umbaus und der Pause genutzt, um sein neues Team zusammenspielen zu lassen. Er hat Workshops veranstaltet, wo Mitarbeiter:innen aus den verschiedensten Bereichen zusammengewürfelt wurden, um sich kennen und verstehen zu lernen.

Wir spielen nicht gegen, sondern immer für etwas Wir spielen für die Schönheit, den Glauben an den Humanismus und die Freiheit der Kunst. Und wir spielen für die Utopie einer besseren Welt."

Kay Voges

Sein Credo lautet: „Wir spielen nicht gegen, sondern immer für etwas: Wir spielen für die Schönheit, den Glauben an den Humanismus und die Freiheit der Kunst. Und wir spielen für die Utopie einer besseren Welt. Und es ist immer ein Dafürspielen, für den Sieg statt gegen den Abstieg. Mein Spruch, den ich dem gesamten Theater mitgebe, ist: Lasst uns ins Gelingen verliebt sein. Lasst uns vom Sieg träumen und dafür alles geben, und das ist eine offensive Ausrichtung. Ich finde, Verliebtsein ist ein schöner Begriff, weil es doch immer um Leidenschaft  geht und um Liebe, die man kriegen möchte. Und nicht um Funktionalität und Runterarbeiten.“

Das neue Repertoire

30 Premieren, davon 12 Uraufführungen, 11 Wien-Premieren, ein Festival, eine österreichische Erstaufführung und eine „Universums-Uraufführung“, dazu mehrere Konzerte werden auf der Hauptbühne und den anderen Spielorten wie der Roten Bar, der sogenannten Dunkelkammer unter dem Dach und in den Spielstätten des Volkstheaters in den Bezirken (siehe Story übernächste Seite) gezeigt werden.

Darunter die österreichische Erstaufführung von Wolfram Lotz’ „Die Politiker“ (Regie: Kay Voges), Susanne Kennedys „Drei Schwestern“ (eine Übernahme aus München), Jonathan Meeses „Kampf-L.O.L.I.T.A“, Elfriede Jelineks „In den Alpen“, Thomas Bernhards „Theater­macher“, um nur einige wenige aufzuzählen. Und: Stücke der Radikal-Autorin Lydia Haider, die als Hausautorin gewonnen werden konnte. Ein Coup.

„Wir wollen durch unseren Mut und ­unsere ­Waghalsigkeit Schönheit produzieren“, sagt Kay Voges.

Foto: Christian Anwander

Bunt, laut und komplex

Die gesamte Liste finden Sie auf der Homepage des Volkstheaters und im – gelungenen, modernen – Programmbuch. Klug hat Voges die Zeit des Wartens auch genutzt, um das gesamte Repertoire des Theaters zu erneuern. Die Programmierung ist in sich rund, spannend und durchaus etwas, was man in Wien in dieser Dichte und Konsequenz noch nicht gesehen hat. Voges’ Theater ist bunt, laut und komplex.

„Die Komplexität muss uns nicht Angst machen. Widersprüchlichkeit ist ein Reichtum, das macht diese Welt aus. Das Theater kann nicht predigen und Wahrheiten verkünden. Es kann das Suchen beschreiben. Nicht ich erzähle der Welt, wie sie funktioniert – sondern der Zuschauer fängt beim Betrachten an, sich seine eigene Welt zu erzählen. Wer meint, Wahrheiten von der Bühne herunter gepredigt zu bekommen, soll in die Kirche gehen und nicht ins Theater“, sagt Voges. 

Das Ensemble

Spannend ist auch das neue Ensemble. Anna Rieser, die im Sommer als Schuldknechts Weib im „Jedermann“ ­brillierte, Nick Romeo Reimann, der bereits eine lange Karriere als Filmschauspieler hinter sich hat („Die Wilden Kerle“, „Vorstadtkrokodile“), Publikumslieblinge aus Dortmund wie Andreas Beck, Uwe Schmieder und Co. Dazu ganz neue ­Gesichter wie Lavinia Nowak, die direkt von der Schauspielschule in München kommt. 

Es wurden in den vergangenen Monaten viele Umzugskartons aus- und eingepackt. Wie ist es, als junger Schauspieler in eine Theaterstadt wie Wien zu kommen? Nick Romeo Reimann: „Ein neuer Anfang ist immer geil. Wien hat mich bis jetzt umarmt. Es hat mir, wie einem Säugling, den man aus dem Mutterleib zieht, einen Klaps auf den Hintern gegeben, damit ich anfangen kann zu atmen.“

Immer auf der Suche nach etwas Neuem

Viele im Ensemble spielen schon seit Jahren mit Voges zusammen. Einer von ihnen ist Andreas Beck: „Kay Voges ist für mich der Grund, warum ich noch immer am Theater bin. Wenn man diesen Beruf lange ausübt, dann wiederholt sich vieles. Zuerst spielt man den Sohn, dann den Vater und dann den Großvater. Aber es kommt nicht viel dazu, außer dass man wechselnde Partner und Kulissen hat. Das Tolle an Kay ist, dass er immer auf der Suche nach etwas Neuem ist, um das Theater anders zu erfinden. Der Weg ist bei ihm das Ziel. Es hat Laborcharakter.“

Und wie ist es, wenn man erst seit kurzem mit Voges arbeitet, Anna Rieser? „Schon am Mozarteum haben wir ganz genau verfolgt, was Voges in Dortmund macht: Die waren laut, die haben sich was getraut, die haben provoziert. Ich habe mir immer gedacht: Das ist cool, da wäre ich gerne dabei. Dann habe ich in der Zeitung gelesen, dass Voges das Volkstheater übernimmt, und da war mir klar: Da muss ich hin. Ich habe ihn dann bei der ­Nestroy-Gala kennengelernt. Er fand meine Dankesrede damals sehr charmant und hat mich zu einem Vorsprechen eingeladen. Und das hat gepasst …“

Mit Mut und Waghalsigkeit Schönheit produzieren

Anfang September ist die offizielle Eröffnung. Angst vor Verrissen? Kay Voges: „Der Plan ist: Wir wollen durch unseren Mut und durch unsere Waghalsigkeit Schönheit produzieren – und Schönheit ist das, wofür man ins Theater geht.“ 

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der aktuelle Spielplan des Wiener Volkstheaters

Premieren, Ensemble und Spielplan

Weiterlesen

Das plant das Wiener Volkstheater in der kommenden Saison