Das Ausmaß des Projekts habe ihn erstaunt, gibt Christian Struppeck mit einem Augenzwinkern zu. Gemeint ist der knapp zwei Jahre dauernde Umbau des Raimund Theaters, der „ungefähr eine Million Meetings“ mit sich brachte – und wovon sich jedes einzelne ausgezahlt haben dürfte, denn der Effekt ist in der Tat beeindruckend. 

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Ausgehend von einer „nach vierzig Jahren notwendigen Sanierung“ ist es, wie der Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien betont, „richtig schön“ geworden: „Unser Ziel war die Aufwertung des Theatererlebnisses.“ Beginnend beim baumbepflanzten Vorplatz über die selbstverständlich barrierefreien Zugänge bis hin zur samtenen Bestuhlung und „Kristallwelten in den Nassräumen“ (womit Christian Struppeck die Wiederverwendung historischer Lichtquellen in den erweiterten Toiletten meint) heißt einen das Haus herzlich willkommen. 

„Das Theater ist 128 Jahre alt, das bedeutet auch große Verantwortung. Beim Umbau kam wirklich Überraschendes zum Vorschein. Zum Beispiel, dass die Fassade gar nicht echt war, sondern eine hohle Kulisse. Wir haben die originale wieder freigelegt. Ebenso den ursprünglichen Schriftzug, den wir hinter einer Verkleidung entdeckt haben.“ Nun aber ist alles bereit für den Einzug einer jungen asiatischen Lady, deren Ankunft am 3. Dezember 2021 dem Haus sicherlich einen weiteren künstlerischen Höhepunkt bescheren wird. 

Christian Struppeck in seinem neuen Haus. Für die Eröffnung hat er den Musical-Hit Miss Saigon nach Wien geholt.

Foto: www.andreasjakwerth.com

Landung des Helikopters

„Miss Saigon“ zählt seit drei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Musicals der Welt. „Es ist ein außergewöhnliches Stück aus der Ära der britischen Mega-Musicals, die sich sowohl durch besonders großen Aufwand als auch durch besonders große Emotion ausgezeichnet haben“, erklärt Christian Struppeck. 

In Wien wird die bewegende Liebes­geschichte um Kim und Chris, deren stilprägender Lokalkolorit nebst authen­tischer Besetzung maßgeblich zum Erfolg beiträgt, in der Neufassung aus dem Jahr 2014 zu sehen sein. „Wir hatten 1.800 Bewerber für die Rollen und haben unzählige Audi­tions in vier Ländern ab­gehalten“, erklärt Christian Struppeck den Aufwand, „aber wir wollten zur Eröffnung etwas sehr Spektaku­läres zeigen.“ Inklusive Hubschrauberlandung auf offener Bühne – ein von Fans herbeigesehnter Moment, der zum Markenzeichen des Musicals wurde. 

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Die weibliche Hauptrolle in diesem „auch schauspielerisch herausfordernden Stück“ hat mit Vanessa Heinz eine Newcomerin inne, die gerade erst ihr Studium abgeschlossen hat. „Da Kim jung sein und auch so aussehen muss, ist es logisch, dass meist keine Darstellerinnen genommen werden, die schon zehn Jahre auf der Bühne stehen. Diese Rolle ist prädestiniert für Neuentdeckungen. Schon die allererste Kim ist später ein großer Star geworden.“

Vertrauen erwecken

Wie bekommt man eigentlich die Zusage für ein so bedeutsames Stück? „Das ist immer kompliziert. Man kann eine Lizenz nicht so einfach kaufen, dabei geht es um viel Vertrauen, das ist ein people’s business. Natürlich muss der Rahmen passen, es muss ein first class theatre sein, es gibt viele Mitbewerber, und alle sind an den großen Titeln dran“, gibt Intendant Struppeck Einsicht in das Innenleben einer Produktion. Die Lizenzgeber müssten das Gefühl haben, dass „ihr Baby qualitativ-künstlerisch gut aufgehoben“ ist, manchmal ist auch das ganze Team entscheidend. „Man denkt immer, man würde sich vielleicht gerade beim Finanziellen streiten. Aber das ist meist gar nicht so, weil man die Konditionen bei großen Shows ja in etwa kennt.“ Von der ersten Idee bis zur Finalisierung können – wie auch bei „Miss Saigon“ – leicht vier, fünf Jahre vergehen. 

In Wien wird man auch die neue Fassung in deutscher Sprache erleben können. Dafür verantwortlich, einmal mehr: Michael Kunze. „Man spricht von einer Adaption, nicht von einer Übersetzung. Das ist eine echte Wissenschaft, denn die Kunst besteht darin, nicht wörtlich das Gleiche zu sagen, sondern die Stimmung aufzugreifen.“ Nur so lassen sich echte Gefühle transportieren. 

Der emotionale Transfer von Bühne zu Publikum findet aber bereits vor „Miss Saigon“ statt. Denn am 26. September laden Stars wie Ana Milva Gomes, Milica Jovanović, Mark Seibert, Lukas Perman, Drew Sarich, Maya Hakvoort und Carin Filipčić zu „We Are Musical – Die große Eröffnungsgala“. Zur glanzvollen Wiedereröffnung sind bis 3. Oktober sechs weitere Termine dieses Konzert-Events mit den größten Hits des Genres geplant. 

Musicalisch frühreif

Christian Struppeck nennt „My Fair Lady“ im Fernsehen als Schlüsselerlebnis, das in seiner Kindheit zur Infizierung mit dem Musical-Virus beigetragen habe. Mit 14 wurde er Mitglied des Studios für Musical der Musikschule Berlin-Neukölln, „obwohl ich zu jung dafür war. Aber ich habe den Leiter so lange genervt, bis er mich genommen hat.“ Schon mit 17 stand der Berliner Schüler in der „Rocky Horror Show“ auf der Bühne. Uwe Kröger sang im Chor. „Damit habe ich mir mein erstes Ausbildungsjahr an der Schauspielschule des Theaters an der Wien finanziert.“ Wo ihm die damalige Leiterin anfänglich beschied: „You were in a show already? That’s not right!“

Tja, so kann man sich irren.

Zur Person: Christian Struppeck

Der gebürtige Berliner ist ausgebildeter Schauspieler und Sänger, arbeitete später u. a. als Regisseur, Bühnenautor und Produzent und leitete die Kreativabteilung bei Stage Entertainment Deutschland, ehe er 2012 Musical-Intendant der Vereinigten Bühnen Wien wurde. 

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