BÜHNE: Warum fasziniert es Sie, Videos für die Bühne zu kreieren?

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Tabea Rothfuchs: Diese Arbeit gibt mir große künstlerische Freiheit, wie ich mit Material und Themen umgehe und führt mich immer wieder an außergewöhnliche Menschen und Themen heran, wo ich ansonsten keinen Einblick hätte. Für die Inszenierung wird im Team gearbeitet und gemeinsam ein Stück auf die Bühne gebracht. Ich liebe die große Intensität der Endproben, wenn alles zusammenkommt, es ist eine schnelle und manchmal auch spontane Arbeit, wo in sehr kurzer Zeit unglaublich viel entsteht.

Wie sieht Ihr künstlerischer Prozess aus – also wie entwickeln Sie ihre eindrucksvolle Bilderwelt zu den Werken? 

Tabea Rothfuchs: In „La Wally" spielen zum Beispiel die Berge eine wichtige Rolle. Über ein Jahr besuchte ich in regelmäßigen Abständen ein Tal in den Bergen, welches von über zwanzig Dreitausendern umgeben ist und nahm wichtige atmosphärische Augenblicke für die Oper auf. Wichtig ist aber letztlich immer: Die Bilder müssen im Zusammenspiel mit allen an der Inszenierung beteiligten Mitteln funktionieren und zum Gesamtwerk auf der Bühne beitragen.

Künstlerische Übersetzerin

Wie verbinden Sie bei „La Wally" die Ästhetik moderner Videokunst mit so diesem Werk von 1892?

Tabea Rothfuchs: Die Regie holt nicht einfach ein altes Stück in die aktuelle Zeit, sondern in die eigene künstlerische Sprache und das mit allen am Stück Beteiligten. Für das Videokonzept für „La Wally" bedeutete das, dass ich an Altes – wie zum Beispiel die Jagd – anknüpfe, die schon zur Entstehungszeit der Oper praktiziert wurde, aber diese Themen im Heute aufsuche und durch mein Kameraauge begleite. Ich arbeite aber nicht dokumentarisch, sondern suche nach künstlerischen Übersetzungen des Geschehens.

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Ihre eindrucksvollen Bilder fing Videokünstlerin Tabea Rothfuchs in den Bergen und auf der Jagd ein.

Foto: Herwig Prammer

Wenn Musik, Regie, Bühne, Licht und Projektion perfekt ineinander übergehen Dann entsteht Gänsehaut, das ist dann ganz großes Kino."

Videokünstlerin Tabea Rothfuchs

Was ist Ihre Lieblingsstelle in der Oper? Und fließt dort Ihre Arbeit ein?

Tabea Rothfuchs: Einer meiner Lieblingsmomente in der Oper „La Wally" ist die Bergungsaktion von Hagenbach im dritten Akt, ein Ausdruck höchster Emotion – verbunden mit der Projektion eines riesigen Bartgeiers. Auch hier ist mir wieder die Übersetzung wichtig. Die emotionalsten Momente entstehen, wenn Musik, Regie, Bühne, Licht und Projektion perfekt ineinander übergehen: Dann entsteht Gänsehaut, das ist dann ganz großes Kino.

Was sind „Todsünden", die man bei der Arbeit als Videokünstlerin für eine Oper vermeiden sollte?

Tabea Rothfuchs: Todsünden kann ich generell nicht nennen. Aber was mir persönlich wichtig ist, ist, alle meine Inhalte selbst zu erarbeiten, ja, selbst zu erleben und zu erfühlen. Für „La Wally" zum Beispiel ging ich mit auf die Jagd und begleite mit der Kamera die Momente und Menschen direkt vor Ort. Dann übersetze ich sie ins Künstlerische, transportierte sie in die Welt der Inszenierung. Mir ist Authentizität ein großes Anliegen, ich brauche ehrliches Material – nur dann öffnet sich mir der Schritt in die Bearbeitung für die Bühne.

BÜHNE: Danke für das Gespräch!

Tabea Rothfuchs gestaltet seit zwölf Jahren Bewegtbild, mediale Szenografien und interaktive Installationen.

Foto: Mareyke Frehner

Zur Person: Tabea Rothfuchs

Die Bildende Künstlerin Tabea Rothfuchs lebt in Basel und gestaltet seit zwölf Jahren Bewegtbild, mediale Szenografien und interaktive Installationen. Diverse Projekte führten sie unter anderem an das Theater an der Wien, das Theater Basel, das Konzerthaus Berlin, das Bolschoi-Theater in Moskau, aber auch zur Münchener Biennale für neues Musiktheater und auf Recherchereise ins Shengal-Gebiet im Nordirak.

2016 wurde ihre interaktive Installation Emergence für den Prix Ars Electronica in Linz nominiert. 2020 wurde die Tanzproduktion 29. Mai 1913 – Le Sacre du Printemps mit dem Theaterpreis FAUST in der Kategorie Tanz ausgezeichnet.

Dieses Jahr publizierte die Zürcher Hochschule der Künste ihr Buch über ihre künstlerische Forschungsarbeit I lost time and space; Where am I?. Mozarts La clemenza di Tito im Herbst 2019 war ihre letzte Arbeit für das Theater an der Wien.