Volkstheater 2023/24: Es ist angerichtet!
Mit einem Wien-Schwerpunkt, einem runden Geburtstag in den Bezirken und einer Kampagne, die sich gewaschen hat, stürzt sich das Volkstheater in die Spielzeit 2023/24. Wir waren beim Shooting vor Ort zum Essen geladen.
Alle Fotos von Marcel Urlaub
Mit dem Volkstheater ist ein Raumschiff in Wien gelandet, das Schwung in die angestaubte Bühnenlandschaft bringt“, schrieb Theaterkritikerin und Kulturjournalistin Karin Cerny vor ziemlich genau einem Jahr in der BÜHNE. Nach einer pandemiebedingt schwierigen Anfangsphase hat es nun fest angedockt, und die Besatzung ist hoch motiviert, mehr von sich zu zeigen. Das Wort „mehr!“ ist auch auf den neuen Volkstheater-Plakaten und am Cover der frisch gedruckten Spielzeitbücher zur Saison 2023/24 zu finden.
„Mehr ist halt einfach mehr“, könnte man nun mit einer gewissen Flapsigkeit behaupten. Wer das Volkstheater ein wenig besser kennt, wird jedoch rasch entgegnen, dass sich hinter diesem „mehr“ mit Sicherheit deutlich mehr verbirgt. Ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Suche zum Beispiel – und damit auch der Wunsch nach Formenvielfalt, neuen Blickwinkeln und außergewöhnlichen Herangehensweisen.
„Wir suchen weiter die Begegnung mit anderen Kunstformen, probieren mit Experimenten wie ‚Du musst dich entscheiden!‘ neue Wege, um über Moral und Identität ins Gespräch zu kommen. Neue Stoffe, Uraufführungen, Fortschreibungen. Einmal aus dem Geist der Literatur, dann der Popkultur, dann des Musiktheaters. Klassisches trifft Neues. Jede Produktion ist eine Frage – auch danach, wie Theater aussehen kann. Wir haben, glaube ich, mehr Fragen als Antworten“, bringt es Intendant Kay Voges auf den Punkt. Ensemblemitglied Anna Rieser fasste es in einem BÜHNE-Interview einmal folgendermaßen zusammen: „Ein Credo, das Kay uns mitgegeben hat, lautet, dass wir alle nicht wissen, wie Theater hier funktionieren kann, und wir deshalb gemeinsam auf der Suche sind.“ Durch welche Vorgänge im Inneren des Raumschiffs sich diese gemeinsame Suche stets in hundertprozentige Spielfreude verwandelt, bleibt selbstverständlich Geheimnis der Besatzung.
Geschichte(n) ohne Ende
Blickt man ins Spielzeitbuch, wird zudem schnell klar, dass das Programm der kommenden Saison einen unverkennbaren Wien-Schwerpunkt hat. Wie das kam, erläutert der Intendant auf folgende Weise: „Wir stellen fest, dass unser urbanes Zusammenleben wie lange nicht mehr Veränderungen unterworfen ist. Keiner weiß, wie es ausgehen wird. Moral, Politik, Technologie – und in den Ballungsräumen spitzen sich die Krisen immer besonders schnell zu. Und wir leben und arbeiten seit Jahren in Wien, spüren die Stadt und ihre Konflikte täglich. Und wie wir alle wissen, gibt es eine riesige Ansammlung von Kunst und Literatur über Wien und aus dieser besonderen, schönen, harten Stadt.“ Kurz: Geschichte(n) ohne Ende. „Daraus haben sich eben vier oder fünf Spielplanpositionen ergeben, die sich die Stadt auf diese oder jene Weise vorknöpfen“, fügt Kay Voges hinzu.
Zu den Stücken, die eng mit der Stadt verwoben sind, gehört unter anderem Claudia Bauers und Matthias Seiers Bühnen-Adaption des Romans „Malina“ von Ingeborg Bachmann. Aber auch Raphaela Edelbauers „Die Inkommensurablen“, im Volkstheater von der Mediengruppe sputnic als Live Animation Cinema inszeniert, arbeitet sich an der Geschichte der Stadt ab. Mit „Heit bin e ned munta wuan“ kommt zudem eine „Todescollage auf Wienerisch“ zur Aufführung – ein Abend, inspiriert von Helmut Qualtinger, H. C. Artmann und Gerhard Rühm. Auf die Bühne gebracht von Wolfgang Menardi und Samouil Stoyanov.
Neben einigen Wiederbegegnungen wie etwa mit Claudia Bauer, Rimini Protokoll und Laura N. Junghanns wird es auch viele neue Stimmen, Handschriften und auch Haus-Debüts geben. Kay Voges: „Die letzte Saison war die erste, die in meiner Wiener Intendanz überhaupt halbwegs normal abgelaufen ist. Alles vorher war von der Pandemie dominiert. Wir sind jetzt angekommen, aber das bedeutet nicht, dass wir unsere Künstler*innen schon alle beisammenhätten und uns jetzt abschirmen. Nein, wir suchen die Begegnung mit neuen Regisseur*innen und Autor*innen. Wir spielen sehr viele Autorinnen nächstes Jahr, was mich besonders freut.“
Partystimmung in den Bezirken
Das Volkstheater in den Bezirken wird stolze 70 Jahre alt. Unter der neuen Leitung von Lisa Kerlin kommt mit dem Text „Der kleine Prinz“ erstmals ein Stück für Kinder (und alle anderen natürlich auch) auf die Bühne. Außerdem auf Bezirke-Tour: Peter Schaffers „Amadeus“, Mary Shelleys „Frankenstein“, „Elektra“ nach Sophokles und „Die 39 Stufen“ nach Alfred Hitchcock.
Auch musikalisch ist das Volkstheater in der kommenden Spielzeit hochkarätig aufgestellt – die große Bühne wird unter anderem von Calexico, Paul Weller und Chilly Gonzales bespielt.
Wenn er die Spielzeit 2023/24 mit nur drei Worten beschreiben müsste, welche wären das dann? Kay Voges antwortet: „Mehr! Wien! Mitganzemherzentheater!“
Die Premieren im Volkstheater:
Malina
Claudia Bauer bringt Ingeborg Bachmanns einzigen Roman auf die Volkstheater-Bühne. Premiere: 8. September
Du musst dich entscheiden!
Eine Uraufführung im Gewand einer Gameshow – inszeniert von Kay Voges. Premiere: 15. September
Der Diener zweier Herren
Komödienspezialist Antonio Latella inszeniert Goldoni.
Premiere: 18. November
Die Inkommensurablen
Raphaela Edelbauers Roman wird als Live Animation Cinema von der Gruppe sputnic uraufgeführt. Premiere: 7. Dezember
Die Angestellten
Bei seinem Wien-Debüt widmet sich Alexander Giesche einem Text von Olga Ravn. Premiere: 26. Jänner
Heit bin e ned munta wuan
Eine Todescollage auf Wienerisch mit Sami Stoyanov.
Premiere: 16. Februar 2024
Die Unbekannte aus der Seine
Anna Bergmann inszeniert Ödön von Horváths selten gespieltes Stück.
Premiere: 23. März 2024
Rom
Luk Perceval und Julia Jost verschmelzen vier Shakespeare-Stücke zu einem Theaterabend. Premiere: 20. April 2024
Dies ist keine Botschaft (Made in Taiwan)
Das neue Stück von Rimini Protokoll feiert am 2. und 3. März Wien-Premiere.