Es sprudelt: Verena Giesinger und Paul Plut über das Stück „Die Milchfrau“
Der Musiker Paul Plut und Verena Giesinger, Dirigentin und Gründerin des Schmusechors, haben den Soundtrack zum Stück „Die Milchfrau" komponiert und arrangiert. Wir haben die beiden zum Gespräch getroffen.
Ein Wasserbecken mit einem Durchmesser von ungefähr acht Metern ist das Herzstück des Bühnenbildes der Inszenierung „Die Milchfrau“ von Sara Ostertag. Das passt nicht nur gut zu Alja Rachmanowas Geschichte über eine Greißlerin im Wien der 20er Jahre, sondern als Bild auch zur Probenatmosphäre. Kurz zusammengefasst: Ein Pool an Ideen, in den alle an der Produktion beteiligten Personen ihre Einfälle und Anmerkungen hineinwerfen dürfen. Oder wie es Verena Giesinger, Dirigentin und Gründerin des Schmusechors, beschreibt: „Ich habe das Gefühl, dass man Ideen immer einbringen kann und diese nicht nur gehört, sondern auch gleich aufgenommen und ausprobiert werden.“
Die ausgebildete Musiktherapeutin ist gemeinsam mit dem Musiker Paul Plut für die – sehr wichtige – musikalische Komponente des Abends verantwortlich. Für die Spontaneität, die damit einhergeht, hat auch Paul Plut sehr viel übrig. „Dieses spontane Ausprobieren und Hinwerfen ist eine schöne Abwechslung zu meinen eigenen Musikprojekten, an die ich sehr perfektionistisch herangehe.“ Die Probebühne ist für ihn ein perfekter Ort, um sich Dinge außerhalb der eigenen Komfortzone zu trauen und in einem sicheren Rahmen zu sagen: „Ich kann das und ich probiere das jetzt aus, auch wenn es nicht perfekt ist. Denn darum geht es gar nicht.“ Sprünge ins kalte Wasser gehören da notwendigerweise dazu.
Ein sehr musikalisches Stück
Mit Sara Ostertag und makemake produktionen hat Paul Plut, den man auch als Sänger der Band Viech kennt, schon zweimal zusammengearbeitet. „Ich merke, dass ich in der Theaterarbeit total viel lerne“, resümiert der Musiker. Lachend fügt er hinzu: „Unter anderem dann, wenn Dinge gefordert werden wie: Bitte Paul, bring ein Lied über den Justizpalastbrand.“ Nach dem ersten Schweißausbruch stellen sich solche Herausforderungen aber meist als sehr gewinnbringend und schön heraus, ergänzt er. Wir treffen ihn und Verena Giesinger kurz vor der Probe auf der Probebühne von makemake produktionen im zweiten Bezirk. Davon, dass „Die Milchfrau“ eine sehr musikalische Arbeit wird, erzählen nicht nur Paul und Verena, sondern auch die vielen unterschiedlichen Instrumente, die sich im Raum befinden. Unter anderem ein altes Pianino aus der Zeit, in der das Stück spielt.
Als klar war, dass Verena Giesinger und Paul Plut gemeinsam für die Musik der Inszenierung verantwortlich sein würden, kam zunächst die Sprudelphase. Paul Plut zitiert David Lynch, der in diesem Zusammenhang von „Feuerholz sammeln“ spricht. Wie er das genau meint? „Man schleppt Material heran und wirft das dann auf den Tisch. Es ist eine sehr spielerische Herangehensweise.“ Verena Giesinger ergänzt: „Paul hatte einige Stücke schon komponiert bzw. die Struktur gelegt. Finalisiert wurden diese dann während der Proben und auch anhand der Stimmen, die wir haben. Zusätzlich gab es Ideen, welche vorkomponierten Lieder passen könnten oder wie wir sie neu arrangieren könnten, damit sie zum Stück passen.“
Zur Person: Verena Giesinger
leitet und dirigiert seit 2014 den von ihr gegründeten Popchor – den Schmusechor – und ist seit 2019 auch künstlerische Leiterin sowie Dirigentin des femchors in Wien. Sie singt selbst in verschiedenen Ensembles und Formationen sowie in einem Frauentrio. 2019 und 2020 war sie Teil des Performance- und Tanzkollektivs für HABITAT / HALLE E sowie HABITAT – the pandemic version – choreografiert von Doris Uhlich. Außerdem ist Verena Giesinger Pianistin, hat in Wien Musiktherapie studiert und in Hamburg Kultur- und Medienmanagement.
Neues ausprobieren
Welche das sind? „Es gibt unter anderem ein Stück von Kurt Girk, dem Frank Sinatra von Ottakring, aber auch einen Song von Peaches und ein Stück von Arvo Pärt“, beantwortet Paul Plut die Frage mit einem kleinen Auszug aus dem musikalischen Repertoire der Inszenierung. Das vorhandene bzw. neu arrangierte Songmaterial verbindet sich im Stück mit den pechschwarzen Kompositionen Paul Pluts. Verena Giesinger hatte unter anderem die Aufgabe, mit den Spieler*innen einen kleinen Chor zu bilden. „Durchaus eine Herausforderung, in dieser kurzen Zeit stimmbildlich zusammenzukommen und einen Chorklang entstehen zu lassen“, fasst sie lachend zusammen.
Auch sie empfand die Zusammenarbeit mit dem Ensemble als sehr bereichernd und inspirierend. „Sara gibt auch den schwierigen Themen im Text Raum und den Spieler*innen damit die Möglichkeit, auch hier in die Tiefe zu gehen. Diesen Mut finde ich bewundernswert. Während der Arbeit an dem Stück dachte ich mir deshalb häufig, dass es auch in der Arbeit mit meinem Chor schön wäre, wenn wir uns gemeinsam hin und wieder eingehender solchen Themen widmen würden.“ Darüber hinaus bringt die Arbeit an Theaterstücken die Möglichkeit mit sich, Dinge auszuprobieren, die man in der eigenen Arbeit vielleicht nicht probieren würde, hält Verena Giesinger daran anknüpfend fest. Wer weiß, vielleicht wird man künftig auch eine Arvo-Pärt-Interpretation im Repertoire des Schmusechors finden.
Zur Person: Paul Plut
ist Musiker, Komponist und Texter, geboren 1988 in Ramsau am Dachstein. Plut ist Autodidakt. Er singt, spielt verschiedene Instrumente und macht Studiotechnik. Plut ist Frontman der Deutschpop-Band VIECH, mit der er seit 2011 in ganz Europa spielt. Mit seiner Bluespunk-Band MARTA veröffentlichte er bisher zwei Alben (2013, 2015). Auf sein Solo-Debüt „Lieder vom Tanzen und Sterben“ (2016), das Wiener Zeitung sowie Der Standard zum Album des Jahres erklärten, folgte 2021 sein zweites Soloalbum „Ramsau am Dachstein nach der Apokalypse“.
Eine weitere Sache, die sich Paul Plut aus der Theaterarbeit heraus für seine Musikprojekte zunutze gemacht hat, ist, „sich nicht alles selbst aus dem Hirn zu saugen, sondern auch manchmal jemanden zu fragen, die oder der richtig Ahnung von einer Sache hat. Wie Verena vom Chorgesang zum Beispiel.“ Er neige nämlich oft dazu, sich für Monate in meinem Kämmerlein einzuschließen. Dafür ist aktuell aber ohnehin keine Zeit, denn die nächste Zusammenarbeit mit Sara Ostertag steht schon vor der Tür – im Kasino am Schwarzenbergplatz ist ab 4. Februar „Das flüssige Land“ zu sehen, für das Paul Plut die Musik macht.